DOMRADIO.DE: Nach der langen Corona-Pause und der intensiven digitalen Zeit: Wie sehr freuen Sie sich, dass der Deutsche Katholikentag analog vor Ort stattfinden kann?
Marc Frings (Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)): Die Vorfreude ist natürlich gigantisch groß. Zum einen, weil wir letztes Jahr ja das digitale Experiment ÖKT digital und dezentral erlebt haben.
Aber ich glaube, es ist auch insgesamt ein Gefühl in der Gesellschaft spürbar: Man will sich wieder begegnen, man will diskutieren, man will Kultur live erleben und nicht nur in Videokacheln. Insofern freuen wir uns sehr, die nächsten vier Wochen noch mal inhaltlich nachzuschärfen, das Programm zu aktualisieren. Und dann kann es am 25. Mai auch wirklich losgehen .
DOMRADIO.DE: Es ist ein buntes Programm geplant. Die Gläubigen erwarten Werkstätten, Podien, Konzerte, Ausstellungen, Theater und vieles mehr. Wie schafft man es, bei der Menge den Überblick zu behalten?
Frings: Wichtig ist, dass der Katholikentag immer auch ein Gegenwartsmoment abbilden will. Wir wollen einerseits schauen, was die Menschen gerade in der Kirche, aber auch darüber hinaus gesamtgesellschaftlich bewegt. Insofern wollen wir immer auch noch Motor für Veränderungen sein.
Ich glaube, dass wir dieses Jahr natürlich auch auf die letzten Monate noch einmal intensiver blicken müssen. Da ist der Ukraine-Krieg, der uns massiv beschäftigen wird. Aber da ist auch der Synodale Weg, der uns binnenkirchlich natürlich sehr interessiert und in Atem hält. Insofern gilt es auch, die Schwerpunkte, die insbesondere die Katholikentags-affine Kundschaft erwartet, nach vorne zu bringen. Bei 1.500 und mehr Veranstaltungen ist wirklich für die gesamte Breite der Öffentlichkeit vieles geboten.
DOMRADIO.DE: Mit dem Synodalen Weg soll die katholische Kirche reformiert werden. Im September ist dann die letzte große Plenarsitzung geplant. Inwiefern wird der Synodale Weg Thema auf dem Deutschen Katholikentag sein?
Frings: Der Synodale Weg ist ja die Folge des Missbrauchsskandals und der MAG-Studie. Insofern ist sowohl der Missbrauch, der weiterhin aufgearbeitet werden muss, Thema, aber eben auch die konkreten Reform-Themen. Macht und Gewaltenteilung, die Rolle der Frau, die Rolle des Priesters, die Sexualmoral: All das wird mit einigen Dutzend Veranstaltungen abgedeckt. Nicht nur die großen Podien beschäftigen sich damit, sondern auch Werkstattgespräche. Wir haben das im Programm, das dieses Jahr vor allem auch digital abrufbar ist, gekennzeichnet. Das heißt, Menschen, die vor allem wegen des Synodalen Wegs nach Stuttgart kommen wollen, werden konkrete Markierungen finden, sodass es leicht ist, sich allein dadurch zu navigieren.
Wir wollen natürlich eine Bestandsaufnahme machen. Der Synodale Weg hat noch einige Zeit vor sich. Wir treffen uns im Herbst und dann noch mal im Frühjahr 2022. Insofern können vom Katholikentag auch noch mal wichtige Impulse an die Delegierten der Synodalversammlung gehen.
DOMRADIO.DE: Die Kirche ist gerade in einer Umbruchphase. Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus. Weniger als 50 Prozent der deutschen Bevölkerung sind noch Mitglied in einer der großen Kirchen. Denken Sie, das wird sich auf dem Deutschen Katholikentag bemerkbar machen?
Frings: Ich glaube, wir müssen mit der Ambivalenz der Gegenwart umzugehen lernen. Auf der einen Seite sind wir immer noch viele. Es sind zwar weniger als 50 Prozent der Gesamtbevölkerung. Aber man muss auch sagen, 99 Prozent der Katholikinnen und Katholiken entscheiden sich jedes Jahr, dabei zu bleiben. Das heißt, die wollen wir konkret ansprechen, aber wir wollen uns auch weiterhin als Stimme anbieten.
Wir sind eine starke katholische Zivilgesellschaft, die im Dialog sein will mit der Öffentlichkeit, mit der Politik. Dafür müssen wir uns aber auch neu aufstellen. Das erfordert viel Demut. Es ist keine Selbstverständlichkeit mehr, dass die Stimme des katholischen Laientums gehört wird. Dafür wollen wir werben. Aber dafür braucht es eben auch die Öffentlichkeit. Das macht den Katholikentag noch mal so relevant.
DOMRADIO.DE: Die Menschen wollen nach der langen Zeit der Isolation wieder Gemeinschaft erleben und sich austauschen. Welche Werkstätten wird es da geben? Können Sie uns ein Beispiel geben?
Frings: Zunächst einmal ist es grundsätzlich spannend zu sehen, dass sich die Werkstätten immer größerer Beliebtheit erfreuen. Das stellen wir bei Befragungen fest. Es gibt natürlich die großen Podien mit der politischen Prominenz und der kulturellen Prominenz. Aber die Werkstätten sind tatsächlich das, was Interaktion ermöglicht, sowohl analog als auch digital.
Die Werkstätten sind auch ein Spiegelbild der letzten Monate und Jahre. Etwa Sterben, Tod und Trauer in schwierigen Situationen. Dazu wird es eine Werkstatt-Möglichkeit geben. Wir schauen auf Geschlechterdebatten, auch bei jungen Menschen. Piratinnen und Prinzen ist der Titel eines weiteren Werkstattgesprächs.
Resilienz ist ein Thema und gerade in diesen Tagen sicherlich auch relevant für viele junge Familien. Ich komme gerade selber von einer Erstkommunion. Die Frage, wie man Glauben als Grundschulkind entdeckt, ist ein ganz konkretes Beispiel. Einsamkeit ist ein Thema, das wir sowohl in den Werkstätten als auch auf den großen Podien erleben werden.
Ich finde es gut, dass wir hier ganz praktische Angebote machen, wo jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin noch mal explizit aufgefordert ist, sich selbst einzubringen.
Das Interview führte Tobias Fricke.