Katholikentag zu Gast im geschichtsträchtigen Erfurt

Von Puffbohnen, Luther, KiKA und den KZ-Ofenbauern

Die Altstadt wirkt wie eine schnuckelige Puppenstube und lädt zum Bummeln ein. Aber Erfurt hat es in sich. Die Thüringer Landeshauptstadt strotzt vor historischem Erbe. Glanz und Grauen liegen dabei oft nah beieinander.

Autor/in:
Karin Wollschläger
Domplatz mit dem Erthal-Obelisken, dem Erfurter Dom und Sankt Severi-Kirche.  / © Dominik Wolf (KNA)
Domplatz mit dem Erthal-Obelisken, dem Erfurter Dom und Sankt Severi-Kirche. / © Dominik Wolf ( KNA )

Ein "Bilderbuch der deutschen Geschichte" - so nannte der Schriftsteller Arnold Zweig einst Erfurt. Licht und Schatten, Geistesgrößen und Bestialität - von all dem finden sich Spuren in der Stadt. Dass sich hier so viele Wege kreuzten, liegt auch an dem, was Immobilienmakler gern mit "Lage, Lage, Lage" beschreiben. In der geografischen Mitte Deutschlands gelegen, führten durch Erfurt im Mittelalter wichtige Handelsstraßen, was die Stadt an der Gera rasch zu einem mächtigen Handels- und Bildungszentrum wachsen ließ. Heute tut der ICE-Knotenpunkt das seinige dazu.

Über ihn werden wohl auch die meisten der erwarteten 20.000 Gäste aus ganz Deutschland beim Katholikentag ab dem 29. Mai in die Thüringer Landeshauptstadt gespült. Dort öffnet sich ihnen rasch der schmucke Stadtkern mit seinen vielen Fachwerkhäuschen und Gässchen. Da ist der imposante Domberg mit dem Marien-Dom und der Severikirche, Wahrzeichen der Stadt - gemeinsam mit der Krämerbrücke, der einzigen mit Häusern bebauten und bewohnten Brücke nördlich der Alpen. Zahlreiche Galerien und Lädchen mit allerlei Kunsthandwerk laden dort zum gemütlichen Shoppen und Schauen ein. Wer Süßes mag, sollte einen Besuch in der Goldhelm Schokoladen Manufaktur unbedingt einplanen.

Sandmännchen, Maus, Tigerente und Co.

Beim Bummel durch die Stadt begegnen einem immer wieder mannsgroße Skulpturen der Helden des in Erfurt ansässigen Kinderkanals KiKA: Sandmännchen, Maus und Elefant, die Tigerente, Käpt'n Blaubär oder Bernd das Brot. Aber auch viele Relikte, die an das reiche jüdisch-mittelalterliche Erbe der Stadt erinnern - wie die Alte Synagoge und die Mikwe (Ritualbad), welche seit vergangenem Jahr zum Unesco-Welterbe gehören. Es blendet auch ein dunkles Kapitel der Stadtgeschichte nicht aus: 1349 wurden bei einem Pogrom nahezu alle Juden der Stadt getötet oder vertrieben.

Knapp 600 Jahre später machte sich das Erfurter Unternehmen "Topf & Söhne" einen Namen mit der Herstellung von speziellen Brennöfen, mit denen in den Krematorien der NS-Konzentrationslager tausende Leichen verbrannt wurden. Auch ganz in der Nähe, denn gut 20 Kilometer von Erfurt liegt nicht nur Weimar, sondern auch das ehemalige KZ Buchenwald. Seit 2011 ist das frühere Verwaltungsgebäude der Ofenbauer ein Erinnerungs- und Lernort, der mit Ausstellungen und Seminaren über Antisemitismus in Vergangenheit und Gegenwart informiert.

Wechselvolle Geschichte

Erstmals schriftlich erwähnt wird Erfurt übrigens 742 in einem Brief von Bonifatius, dem "Apostel der Deutschen". Er legt darin dem Papst ans Herz, an dem Ort ein Bistum zu gründen. Der Papst stimmt zu, aber bereits wenige Jahre später wird das neue Bistum für die nächsten 1.000 Jahre dem Bistum Mainz einverleibt - dessen Bischof da zufällig Bonifatius ist. Nach einer wechselvollen Geschichte wird Erfurt erst 1994 wieder zum eigenständigen Bistum erhoben.

Eine weiteres Highlight ist das Augustiner Kloster. Der spätere Reformator Martin Luther trat hier 1505 als Mönch ein und studierte an der nahen Uni. Erfurt rühmt sich Luthers "geistige Heimat" zu sein. Inzwischen wird das Kloster in Trägerschaft der evangelischen Kirche als ökumenisches Veranstaltungs- und Tagungszentrum sowie Luthergedenkstätte und Herberge für den ökumenischen Pilgerweg genutzt. Bei seinem Deutschlandbesuch 2011 machte auch Papst Benedikt XVI. dort Station.

Moschee-Neubau

Erfurt, das inzwischen 216.000 Einwohner zählt, hat noch viele weitere Gesichter. Es ist auch die Stadt, in der 2002 am Gutenberg-Gymnasium ein Amoklauf passierte, bei dem 17 Menschen ums Leben kamen. Im Erfurter Vorort Marbach steht der erste Moschee-Neubau in Ostdeutschland, mit Ausnahme von Berlin, kurz vor seiner Fertigstellung - inklusive acht Meter hohem Minarett. Permanente Anfeindungen begleiteten das Bauprojekt der Ahmadiyya-Gemeinde.

Richtig stolz sind die Erfurter übrigens auf ihre Puffbohnen - ihnen widmen sie Tassen, Plüschtiere und T-Shirts. Auch der Katholikentag warb mit Tütchen voller Puffbohnen-Samen. Die besondere Bohnensorte gedeiht seit dem Mittelalter besonders gut in Erfurt, das nicht zuletzt Dank seines milden Klimas und nährstoffreichen Bodens seit Jahrhunderten als Stadt des Gartenbaus bekannt ist.

Live vom Katholikentag in Erfurt

DOMRADIO.DE überträgt folgende Gottesdienste und Konzerte live vom Katholikentag in Erfurt:

Mittwoch 29. Mai 2024

  • 18:00 Uhr Eröffnung (mit freundlicher Genehmigung des mdr)

Donnerstag 30. Mai 

  • 10:00 Gottesdienst zu Fronleichnam (mit freundlicher Genehmigung des mdr)

Donnerstag, 30. Mai

Eine gehisste Flagge des Katholikentages in Erfurt. / © Ina Rottscheidt (DR)
Eine gehisste Flagge des Katholikentages in Erfurt. / © Ina Rottscheidt ( DR )
Quelle:
KNA