Katholikin engagiert sich bei der Rettung von Flüchtlingen

"Selbstbewusstsein und Mut"

Vera Scheuermeyer war mehrfach auf dem Mittelmeer unterwegs, um Geflüchtete aus Seenot zu retten. Eine Herausforderung, die aber auch immer wieder schöne Momente hat, wie sie berichtet. Dabei hilft der Katholikin ihr Glaube.

Ein Rettungsschiff der Organisation "Sea-Eye" / © Sea-Eye
Ein Rettungsschiff der Organisation "Sea-Eye" / © Sea-Eye

DOMRADIO.DE: Was macht das mit Ihnen, wenn Sie hören, dass allein im März 12.500 Menschen mit Booten nach Italien geflohen sind?

Vera Scheuermeyer (Vorsitzende der Organisation "Sea-Eye" und Katholikin): Es macht mich gleichzeitig verzweifelt und traurig, aber auch sehr wütend. Gerade wenn man hört, dass es wieder Menschen nicht geschafft haben. Das ist eine Sache, die verhindert werden könnte.

Vera Scheuermeyer (zweite von links) bei einer Synodalversammlung / © Harald Oppitz (KNA)
Vera Scheuermeyer (zweite von links) bei einer Synodalversammlung / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie waren mehrfach selbst bei Missionen im Mittelmeer dabei und haben Menschen aus Seenot gerettet. Wie läuft so eine Mission ab?

Scheuermeyer: Das ist von Organisation zur Organisation ein bisschen unterschiedlich. Bei uns ist es so, dass wir eine Crew haben, die ungefähr zu einem Drittel aus professionellen Seeleuten besteht. Weil es ein großes Schiff ist, ist vorgeschrieben, dass der Kapitän natürlich wissen muss, was er tut.

Und dann sind Ehrenamtliche dabei, die oft aber auch Profis in ihren Bereichen sind. Im medizinischen Team sind auch ausgebildete Leute, die das aber ehrenamtlich in ihrer Freizeit und im Urlaub machen.

Rettungsboote von "Sea-Eye" im Einsatz / © Sea-Eye
Rettungsboote von "Sea-Eye" im Einsatz / © Sea-Eye

Die treffen sich am Schiff, haben dort einige Tage Training. Dann fährt man los ins Einsatzgebiet und ist je nachdem wie die Situation ist manchmal nur ein paar Stunden dort und nimmt Rettungen vor, weil Leute in Seenot sind.

Manchmal ist man auch einige Tage da und patrouilliert, wenn zum Beispiel das Wetter zu schlecht ist und keine Leute aus Libyen ablegen können.

Dann ist es aktuell so, dass man relativ schnell von Italien einen Hafen zugewiesen bekommt und auch zurückbeordert wird. Manchmal würden wir gerne länger im Einsatzgebiet bleiben, um eventuell noch anderen Menschen zu helfen, weil es ja nicht so viele Schiffe gibt.

Aber aktuell ist so, dass wir wegen behördlicher Vorgaben relativ zeitnah nach Italien zurückfahren und die Leute an Land bringen.

DOMRADIO.DE: Sie haben selbst nicht erlebt, wie Menschen ertrunken sind. Trotzdem sind Sie jeweils in einer Situation während der Rettung, die nicht einfach ist. Wie gehen Sie in dem Moment damit um?

Scheuermeyer: In dem Moment selber ist man trainiert auf die Situation, spult sein Programm ab, arbeitet Hand in Hand und tut, was zu tun ist. Das läuft, wenn die Mannschaft gut zusammen funktioniert, recht reibungslos ab. Es kann manchmal viele Stunden dauern, bis man ein erstes Boot findet. Und bis man alle Leute von den Schlauchbooten oder den Holzbooten aufs Mutterschiff gebracht hat, ist man so beschäftigt, dass man eigentlich nicht viel nachdenkt.

DOMRADIO.DE: Gibt es eine oder einen Geflüchteten, deren oder dessen Schicksal Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Scheuermeyer: Eine Geschichte einer Familie, die auf meiner ersten Rettung war, fand ich besonders dramatisch. Das war eine Familie aus Libyen mit drei Kindern, das jüngste davon gerade ein paar Monate alt. Die Familie ist geflohen, weil der mittlere Sohn eine Fehlbildung der Harnwege hatte, die in seinem Heimatland nicht operiert werden konnte.

Es war eine sehr gebildete, eigentlich sehr gut situierte Familie, die schon vieles versucht hatte, um medizinische Versorgung für ihr Kind zu bekommen und die Flucht letztlich als einzigen Ausweg gesehen hat. Da denkt man sich, dass es doch nicht sein kann, dass so eine Familie auf ein Boot steigen muss, um ihr Kind medizinisch versorgen zu können.

Vera Scheuermeyer (Vorsitzende der Organisation "Sea-Eye" und Katholikin)

"Das kann doch nicht sein, dass so eine Familie dann auf so ein Boot steigen muss, um ihr Kind medizinisch versorgen zu können."

DOMRADIO.DE: Wo liegt für Sie die größte Herausforderung, wenn Sie im Einsatz sind? Und gibt es da vielleicht auch hin und wieder mal einen positiven Moment?

Scheuermeyer: Die positiven Momente gibt es auf jeden Fall. Auf meinen Missionen war es noch so, dass wir relativ lange Stand Offs hatten. Das heißt, dass wir lange vor der italienischen Küste warten mussten, bis wir den Hafen zugewiesen bekommen haben. Dann verbringt man sehr viel und sehr intensiv Zeit miteinander. Ein Schiff ist ja vom Platz her recht begrenzt.

Wenn man mit einmal über 80, einmal über 130 Leuten auf knapp 50 Metern mehrere Tage, fast eine Woche verbringt, dann versuchen wir von der Crew auch immer gute Momente zu schaffen. Bei der letzten Mission habe ich viele Freundschaftsarmbändchen mit den Geflüchteten geknüpft. Es gibt immer wieder auch kleine Tanz- und Musikeinlagen. Die guten Momente gibt es auf jeden Fall.

DOMRADIO.DE: Sie sind Katholikin, auch engagiert als Synodale beim Synodalen Weg. Welche Rolle spielt Ihr Glaube dabei, dass Sie sich so für Geflüchtete einsetzen?

Scheuermeyer: Mein Glaube ist vor allem deshalb für mich wichtig, weil er mir, das Selbstbewusstsein und den Mut gibt, dass ich das irgendwie schaffen kann. Ich würde auch sagen, dass mir meine katholische Sozialisierung in der Jugendarbeit, in der Jugendverbandsarbeit das gewisse Maß an Selbstvertrauen und auch das Vertrauen darauf, dass das schon gut gehen wird, gebracht hat. Jemand muss es ja machen. Dann packen wir halt an.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Quelle:
DR