Katholische Arbeitnehmer mit Forderungen zum Tag der Arbeit

Abschied von Minijobs und 14 Euro Mindestlohn

Zum Tag der Arbeit hat sich die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung für eine Sozialversicherungspflicht auch für sogenannte Minijobber ausgesprochen. Die Beitragspflicht müsse vom Arbeitgeber vollständig übernommen werden.

Eine Studentin bedient in einem Café. / © Frank Rumpenhorst (dpa)
Eine Studentin bedient in einem Café. / © Frank Rumpenhorst ( dpa )

DOMRADIO.DE: Der 1. Mai. Der Tag der Arbeit. Wofür bedarf es dieses Feiertages?

Stefan Eirich (Bundespräses der Katholischen-Arbeitnehmer-Bewegung (KAB)): Wir müssen immer wieder neu auf Fehlentwicklungen im Bereich des Arbeitsmarktes aufmerksam machen. Wir müssen immer wieder neu an die Werte der Arbeit erinnern, aber auch daran, dass Arbeit in jedem Fall wertvoll ist und wertgeschätzt werden muss.

DOMRADIO.DE: Ein Thema, das in diesem Jahr besonders im Fokus steht, ist die Situation von Arbeitnehmern in Minijob-Verhältnissen. "Stoppt die Arbeitsfalle Minijobs", so der Aufruf der KAB. Was genau ist das Problem an diesen Minijobs?

Eirich: Es ist nicht nur ein Problem, es sind sogar mehrere. An erster Stelle ist zu sehen, dass statistisch nachgewiesen in den letzten 20 Jahren die Minijobs vielfältig Vollbeschäftigung verdrängt haben und damit auch über lange Jahre hinweg sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Das zweite: Es fallen immer mehr Menschen in die Falle des Minijobs hinein, weil sie auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum noch Chancen haben. Die Minijobs selber haben häufig weniger Qualifikationsansprüche und die Menschen bleiben einfach kleben. Das dritte ist die Problematik der Altersarmut. Wenn Sie überwiegend Minijobs in ihrer Erwerbsbiografie hatten, landen sie auf jeden Fall in der Armut im Alter.

DOMRADIO.DE: Wer ist denn besonders betroffen von diesen Missständen?

Eirich: Es sind vor allem Arbeitnehmerinnen. Das ist die große Problematik, denn es sind nach wie vor in unserem Land vor allem Frauen, die durch Erziehung und Familienarbeit über lange Jahre nur nebenher etwas verdienen können. Und der Trend verfestigt sich jetzt, wenn Minijobs jetzt ein bisschen aufgestockt werden auf 520 Euro. Wir sind dafür, dass Minijobs abgeschafft werden.

DOMRADIO.DE: Die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro, ein großes Wahlkampfversprechen der SPD, ist aus Ihrer Sicht nicht ausreichend?

Eirich: Es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Unseren Berechnungen zufolge müsste der Mindestlohn aber über 14 Euro liegen.

DOMRADIO.DE: Was muss aus Ihrer Sicht passieren seitens der Politik, um diesen Missständen entgegenzuwirken?

Eirich: Am besten wäre tatsächlich die Abschaffung des Instruments der Minijobs. Das hängt auch damit zusammen, dass Minijobs ja nicht selten als nötiges Zubrot hinzukommen müssen, damit überhaupt der Monat durchgestanden werden kann. Das heißt, am Wochenende arbeiten dann Menschen, die unter der Woche auch schon wenig verdienen, noch zusätzlich in Tankstellen oder in Restaurants. Deswegen müssen wir lieber dafür sorgen, dass eine gute Bezahlung in allen Bereichen stattfindet und dann sind die Minijobs nicht mehr nötig.

DOMRADIO.DE: Sehen Sie die Gefahr, dass sozialpolitische Projekte wie beispielsweise das Bürgergeld oder auch die Kindergrundsicherung, die ja seitens der Ampelkoalition geplant sind, nun der Aufrüstung der Bundeswehr zum Opfer fallen könnten?

Eirich: Nein, die Gefahr sehe ich noch nicht. Wir müssen jetzt die Situation als Gesamtheit betrachten. Die Bundesregierung ist ganz stark gehalten und sie tut es ja jetzt schon in ersten Stufen, sich mit den sozialen Auswirkungen des Krieges, der galoppierenden Inflation und sicherlich auch bald Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt auseinanderzusetzen. Und ich sehe bisher keine Anzeichen, dass das infrage steht.

DOMRADIO.DE: Seit sich am 24. Januar mehr als 120 Katholikinnen und Katholiken im Rahmen der Initiative "Out in Church" als queer geoutet haben, ist viel passiert. Nicht nur im Netz ist das Ganze ein großes Diskussionsthema. Auch die Politik reagiert nun auf die Bewegung, die eine Gleichstellung von homo- oder transsexuellen Menschen innerhalb der Kirche anmahnt. So fordert allen voran Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP maßgebliche Veränderungen im kirchlichen Arbeitsrecht. Niemand dürfe wegen der sexuellen Identität benachteiligt werden. Würden Sie sich dem anschließen?

Stefan Eirich (KAB-Bundespräses)

"Es muss kirchlichen Arbeitnehmerinnen auch möglich sein, zu streiken."

Eirich: Die KAB hat das auf ihren verschiedenen Organisationsebenen bereits längst getan. Wir unterstützen voll umfänglich den Forderungskatalog von "Out in Church".

DOMRADIO.DE: In dieser Woche wurde ein offener Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, und den Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Kirchliches Arbeitsrecht, Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki, veröffentlicht. Was steht drin in diesem Brief?

Katholische Arbeitnehmer-Bewegung

Die Katholische Arbeitnehmer Bewegung ist ein Sozialverband in Deutschland, Österreich und der Schweiz, in dem etwa 125 000 Männer und Frauen bundesweit organisiert sind. Die KAB Deutschlands will die Gestaltung einer gerechten und solidarischen Gesellschaft, in der allen Menschen die gesellschaftliche Teilhabe und Teilnahme ermöglicht wird, so beschreiben sie ihre Aufgabe selbst.

Screenshot: KAB vor Continental-Werk in Aachen / © KAB (KAB)
Screenshot: KAB vor Continental-Werk in Aachen / © KAB ( KAB )

Eirich. Wir fordern über die Frage der Anerkennung anderer sexueller Orientierungen hinaus grundlegende Reformen des kirchlichen Arbeitsrechts. An erster Stelle, dass die Arbeitnehmerinnenseite die nötigen Instrumente an die Hand bekommt, um ihre Forderungen auch durchsetzen zu können. Es muss kirchlichen Arbeitnehmerinnen auch möglich sein, zu streiken. Ein zweiter wichtiger Punkt ist für uns eine Angleichung der unterschiedlichen Regelungen in den diversen Diözesen, so dass deutschlandweit eine Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen und Voraussetzungen gewährleistet ist. Ein dritter wichtiger Punkt: Es braucht mehr Transparenz. Denn bisher haben Sie in kirchlicher Arbeit stets den Bischof als den ganz starken Mann an der Spitze. Das ist ja fast monarchisch, und es ist wenig Gegenkontrolle da. Auch das muss verhindert werden.

DOMRADIO.DE: Das kirchliche Arbeitsrecht müsse Vorbild für die Gestaltung einer menschenwürdigen, fairen und gerechten Arbeitswelt sein, heißt es weiter in diesem offenen Brief. Ansonsten habe es keine Berechtigung. Das sind ganz schön harte Worte, oder?

Eirich: Ja, aber Kirche tritt ja insgesamt mit einem sehr hohen Anspruch an sich an, der sich aus der frohen Botschaft ableitet, aus dem Menschenbild, das die Evangelien transportieren. Und es ist ja nur konsequent, dass sich das dann auch in der Rolle der Kirche als Arbeitgeberin bewährt. Und wenn sie da markant hinter zurückbleibt, gerät das Ganze zur Farce. Von daher ist diese Forderung selbstverständlich.

Das Interview führte Moritz Dege.

 

 

Quelle:
DR