"Man rennt und rennt und kommt doch nicht an" - dieses Gefühl steht nach Worten von Tina Sunita Huber für mentale Überbelastung. Für die Katholische Erwachsenenbildung Taunus bietet die Heilpraktikerin und Yogalehrerin Workshops zum Thema an.
Als Heilpraktikerin für Psychotherapie behandelt sie psychische, psychosomatische und emotionale Erkrankungen. Schwere Störungen wie starke Depressionen, Schizophrenie, Süchte und Persönlichkeitsstörungen hingegen übergibt sie in die Hände von Psychologen, Psychiatern und psychologischen Psychotherapeuten.

Die Pandemie hat die Nachfrage nach ihren Workshops zur "Mentalen Gesundheit" verstärkt. "Seit Corona sind viele Menschen in einem hoch über-erregten Zustand auf autonomer Ebene unterwegs. Auch die Kriegsmeldungen in den Nachrichten tragen ihren Teil dazu bei", erklärt sie während eines Online-Workshops den Teilnehmerinnen.
Besonders Frauen sind betroffen, denn sie stehen vielfach unter dem Eindruck, mehr leisten zu müssen als die meisten Männer: eine perfekte Mutter zu sein, den Haushalt managen, aufregenden Hobbys nachzugehen und nebenbei makellos gestylt zu sein. Huber sieht auch die Sozialen Medien in der Verantwortung. "Viele Influencer vermitteln Bilder, die nicht real sind. Es mangelt an alltagstauglichen und realen Vorbildern."
Teuflischer Kreislauf
Stress entsteht, wenn Menschen sich gehetzt fühlen von dem, was alles noch erledigt werden muss - oder durch den Ärger über Dinge, die nicht funktioniert haben. "Bei mir ist es auch die permanente Erreichbarkeit, die mich unter Druck setzt", berichtet eine Teilnehmerin des Workshops. "Sowohl im Job als auch in meiner Freizeit gibt es überall Informationen, die ich lesen und kennen muss. Mein Handy vibriert permanent."

Neben dem Gefühl, im Hamsterrad ohne Ziel zu rennen, zählen Ein- und Durchschlafstörungen sowie Glieder- und Rückenschmerzen zu den Symptomen eines über-erregten Nervensystems. "Anspannung und sogenannter korrodierender Stress, also andauernder Stress über einen langen Zeitraum hinweg, führen zu einem Zusammenziehen der Faszien", erklärt Huber. "Es wird eine innere Panzerung aufgebaut. Das kann die Ursache für Schmerzen sein." Das Ganze sei ein Kreislauf, denn mehr körperliche Anspannung führe zu mehr Stress.
Doch viele Menschen bringen diese Symptome nicht mit Überbelastung in Verbindung. Bereits vor der Pandemie haben Experten auch auf eine Zunahme von Autoimmunerkrankung durch Überbelastung hingewiesen. Wer laut Deutschem Ärzteblatt an einer Stresserkrankung leidet, hat ein 1,36-fach höheres Risiko, daran zu erkranken.
Nicht immer braucht es eine Therapie
"Es braucht nicht immer sofort eine Therapie, wenn man überlastet ist. Beginnender Überlastung kann häufig gezielt mit Selbstregulationsübungen begegnet werden", sagt Huber. Sie rät, den Alltag mehrmals am Tag bewusst zu unterbrechen und sich zu fragen: "Wie geht es mir eigentlich? Wo stehe ich gerade? Was macht mein Herzschlag? Was macht mein Atem? Bin ich entspannt oder gerade erregt?" Dies helfe, das Hamsterrad, in dem man unterwegs ist, zu erkennen und den eigenen Körper wahrzunehmen.

Ein weiterer Ratschlag der Expertin ist, Multitasking einzustellen und den Alltag bewusst zu erleben. "Multitasking ist Gift für den Menschen, weil man dabei meist keine Sache richtig machen kann." Auch könne man ausprobieren, alles einmal halb so langsam zu machen wie gewohnt. Ein Beispiel ist das bewusste und langsame Eincremen des Gesichts am Abend.
Regulation vor der Entspannung
Wer einen Schritt weiter gehen möchte, kann eine Meditationsübung machen oder sich am Abend ein Bad in der heißen Wanne gönnen. Das allein helfe jedoch nicht, wenn zuvor keine sogenannte Regulationsübung vorgenommen werde, erklärt Huber. "Ist das autonome Nervensystem in einem Alarmzustand, durch Überlastung und korrodierenden Stress, und man versucht zu meditieren, ist das, als ob man probieren würde, in einem Raum voller Vogelspinnen zu meditieren. Es ist nicht möglich."
Wenn das Nervensystem angespannt ist, hilft Entspannung demnach nicht. Eine typische Übung vorab sei, zu überlegen, welche Farbe die Socken haben, die man gerade trägt, und wo im Umfeld drei Dinge in der Farbe der Socken zu finden sind. "Übungen wie diese helfen, das rotierende Gehirn einmal mit anderen Dingen zu beschäftigen und aus der Gedankenspirale auszubrechen", so Huber.
Tagebuchschreiben wirkt gegen Stress
Auch das Führen eines Tagebuchs kann Stress vorbeugen. Beim sogenannten Journaling werden jeden Tag ein paar Gedanken notiert - zum Beispiel am Abend: Was hat mir heute Freude bereitet? Was habe ich dazu beigetragen, dass ich mich gefreut habe? Besonders die zweite Frage sei wichtig, sagt Huber.
"Wenn ich mich zum Beispiel über ein Schneeglöckchen am Wegesrand gefreut habe, muss ich anerkennen, dass ich diese Freude selbst verantwortet habe, etwa, indem ich mich zu einem Spaziergang nach Feierabend motiviert habe. Das stärkt die Selbstwirksamkeit. Ich lerne, dass ich allein für mein Glück verantwortlich bin."