Katholische Journalistenschule sorgt sich um Pressefreiheit

"Härter und aggressiver"

Deutschland rutscht im Ranking der Pressefreiheit weiter nach unten. Bernhard Remmers sieht darin gesellschaftliche Probleme gespiegelt. Die katholische Kirche lobt er für ihre Offenheit auch gegenüber kritischer Berichterstattung.

Zerstörte Kameraausrüstung in Berlin / © Christoph Soeder (dpa)
Zerstörte Kameraausrüstung in Berlin / © Christoph Soeder ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die verschlechterte Platzierung der Pressefreiheit ist auf vermehrt körperliche Angriffe auf Medienschaffende zurückzuführen. Ist das aus Ihrer Perspektive dramatischer geworden? 

Ifp-Direktor Bernhard Remmers / © Matthias Balk (dpa)
Ifp-Direktor Bernhard Remmers / © Matthias Balk ( dpa )

Bernhard Remmers (Direktor des Instituts zur Förderung publizistischen Nachwuchses, ifp): Über die vergangenen Jahre ist es auf jeden Fall dramatischer geworden. Wenn wir uns den aktuellen Bericht der "Reporter ohne Grenzen" anschauen, den Sie ja gerade zitieren, dann sehen wir, dass für das vorvergangene Jahr 103 Überfälle oder Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten oder deren Kollegen gezählt worden sind. 2020 waren es nur 65, das ist schon ein rasante Anstieg, wobei wir diese Entwicklung schon seit einigen Jahren beobachten.

Das hat mit gesellschaftlichen Entwicklungen zu tun, die sich darin spiegeln, dass die meisten dieser Überfälle, ich glaube über 80, auf Veranstaltungen zurückgehen, wo Verschwörungstheoretiker, antisemitische oder rechtsextreme Gruppierungen auftreten. Da bekommen die Journalistinnen und Journalisten es ab, dass unsere Gesellschaft in bestimmten Bereichen härter und aggressiver miteinander umgeht. Das ist etwas, was uns allen zusammen Sorge machen muss. 

DOMRADIO.DE: Nicht allen passt, was in den Medien zu lesen ist. Manche fühlen sich beleidigt oder öffentlich vorgeführt. Wo ist denn die Grenze des Journalismus? Wie weit darf Pressefreiheit gehen? 

Bernhard Remmers (Direktor des Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses, ifp​​​​​​​)

"Und wenn ich mir klarmache, dass mir ein Mensch gegenübersteht, dann ergeben sich eigentlich schon die wichtigsten Grenzen."

Remmers: Das Allerwichtigste ist: Pressefreiheit ist ähnlich wie Kunstfreiheit sehr weit zu sehen und jeder Eingriff, jede Begrenzung hat sich zu rechtfertigen, gegebenenfalls vor Gerichten. Wir haben in Deutschland zum Glück einen funktionierenden Rechtsstaat, der uns auch immer wieder bei solchen Sachen unterstützen kann und dort ist es dann letztlich zu überprüfen. Für mich persönlich ist die rechtliche Grundlage, insbesondere das Grundgesetz ein ganz wichtiger Rahmen und darin gibt es die Formulierung von der Würde des Menschen, etwas, was uns als Christen ja auch sehr wichtig ist.

Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses (ifp)

Das Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses e.V. (ifp) bildet seit über 50 Jahren Journalisten aus und bietet Weiterbildungsseminare an - für Radio, Fernsehen, Print und Online. Die Journalistenschule liegt im ehemaligen Kapuzinerkloster mitten in München. Getragen wird das ifp von der Deutschen Bischofskonferenz. (Quelle: www.journalistenschule-ifp.de)

Vorlesung in der Katholischen Journalistenschule ifp / © Matthias Balk (dpa)
Vorlesung in der Katholischen Journalistenschule ifp / © Matthias Balk ( dpa )

Deshalb erwarte ich, dass Journalistinnen und Journalisten immer bedenken, dass sie es mit Menschen zu tun haben, für die sie etwas berichten, aber auch über die sie berichten. Und wenn ich mir klarmache, dass mir ein Mensch gegenübersteht, dann ergeben sich eigentlich schon die wichtigsten Grenzen. Natürlich kann ich Ihnen jetzt noch andere Sachen aufzählen wie: Es sollte nicht beleidigend sein. Es sollte nicht zu Gewalt aufrufen. Es sollte nicht diskriminierend sein, bestimmten Gruppen gegenüber, ob sie nun ethnischer Herkunft sind, ob sie religiöser Herkunft sind, ob sie bestimmte sexuelle Vorlieben haben. Überall dort haben auch Journalistinnen und Journalisten darauf zu achten, dass wir hier nicht diskriminieren, ausgrenzen oder im schlimmsten Fall sogar zu Übergriffen aufrufen. Das sollte sich für uns von selbst verbieten. 

DOMRADIO.DE: Sie sind der journalistische Direktor der Katholischen Journalistenschule ifp. Lassen Sie uns doch gemeinsam auf die kirchlichen Medien gucken. Die stehen ja manchmal in der Kritik, nicht neutral und unabhängig zu berichten. Wie schätzen Sie das ein? 

Remmers: Da gibt es keine einfache Antwort. Die katholischen oder christlichen Medien sind so bunt wie die Kirche. Sie finden ja ein weites Spektrum. In den katholischen Printmedien gibt es zum Beispiel einerseits die "Tagespost" aus Würzburg, die als Zielgruppe ein eher konservatives, an den Traditionen ausgerichtetes Milieu in der katholischen Kirche hat, die sich als sehr Papsttreue empfinden. Es gibt andererseits auch ein mittlerweile sehr traditionsreiches Printmedium aus dem Frankfurter Raum, "Publik Forum", die sich eher der Reformbewegung in der katholischen Kirche verbunden fühlen. Und jetzt könnten wir beide noch zusammen eine lange Liste dazu aufmachen.

Das hängt sehr stark von der jeweiligen Struktur der Zeitungen, von den Eigentümerverhältnissen, von der publizistischen Grundlinie des Mediums ab. In der Tat gibt es da auch manchmal den Konflikt, dass der Eigentümer oder der, der das Geld für ein Medium gibt, auch ein gewisses Mitspracherecht einfordert, was die Inhalte angeht. Das müssen dann die Akteure des jeweiligen Mediums miteinander aushandeln, und das können manchmal auch unangenehme Gespräche werden. 

DOMRADIO.DE: Kann man denn als kirchliches Medium über kirchliche Themen berichten, ohne bei kirchenfernen Menschen Skepsis zu provozieren?

Bernhard Remmers (Direktor des Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses, ifp​​​​​​​)

"Aber ich glaube, es gibt keine gesellschaftliche Organisation in dieser Republik, die selbst Medien oder publizistische Plattformen finanziert, die so offen und kritisch über sich selbst berichten kann wie die Kirche."

Remmers: Das würden Sie ja einen Sportreporter auch nicht fragen: Du bist großer Fußballfan. Warum kannst du dann über Fußball berichten? 

DOMRADIO.DE: Weil er keine Lobby bedienen muss. 

Remmers: Na ja, ob er das nie muss, ist eine andere Frage. Aber ich glaube auch nicht, dass jeder Mensch, der selber katholisch engagiert ist und in einem kirchlichen Medium arbeitet, unbedingt eine Lobby bedienen muss, sondern er muss seine Leserinnen und Leser bedienen. Und wenn er das Geld von Abonnentinnen und Abonnenten oder von Nutzerinnen und Nutzern bekommt, dann ist sie oder er eben diesen zuerst verpflichtet.

Das lässt sich auch gegenüber Herausgebern oder auch anderen kirchlichen Strukturen durchaus kommunizieren. Es gibt Einzelfälle, wo wir uns Sorgen machen müssen. Das muss auch mal im guten Streite diskutiert werden. Aber ich glaube, es gibt keine gesellschaftliche Organisation in dieser Republik, die selbst Medien oder publizistische Plattformen finanziert, die so offen und kritisch über sich selbst berichten kann wie die Kirche.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Quelle:
DR