Katholische Journalistin sieht in Papstbrief große Bedeutung

"Es ist ein öffentliches Dokument"

Vier katholische Frauen in Deutschland sorgen sich um den Zustand ihrer Kirche, weswegen sie dem Papst einen Brief geschrieben haben. Der gibt den Frauen in seiner Antwort Recht. Eine der Adressatinnen ist Dorothea Schmidt.

Dorothea Schmidt (privat)
Dorothea Schmidt / ( privat )

DOMRADIO.DE: Warum haben Sie Ihren Brief direkt an den Heiligen Vater geschrieben?

Dorothea Schmidt (katholische Journalistin und Adressatin des Papstbriefes): Uns beunruhigt genau das, was der Papst auch geantwortet hat, nämlich die zahlreichen konkreten Schritte, mit denen sich große Teile dieser Ortskirche immer weiter vom gemeinsamen Weg der Weltkirche zu entfernen drohen. Das hat der Papst so geschrieben. Es ist die Sorge, dass die Kirche einen Weg geht, der sie letztlich in eine Isolation und einen Bruch treibt.

DOMRADIO.DE: Aber Sie wussten ja im Vorfeld auch schon, was der Papst davon denkt. Er hatte sich schon mehrfach skeptisch und kritisch zum Synodalen Weg geäußert. Warum haben Sie es ihm dennoch geschrieben? Was war die Motivation?

Dorothea Schmidt

"Noch einmal hat er das getan, weil alle seine Interventionen bislang weitgehend ignoriert oder immer wieder auch uminterpretiert worden sind."

Schmidt: Erstens – schreiben darf ihm jeder. Antworten muss der Papst nicht jedem, das kann man ja auch nicht erwarten. Insofern kann seine Antwort ziemlich überraschend, zumal sie auch sehr schnell mit der Eilpost kam. Dass sein Schreiben auf den 10. November datiert ist, also den Tag, an dem sich der Synodale Ausschuss konstituiert hat, war für uns kein Zufall. 

Er hat sich noch einmal sehr klar zum Synodalen Ausschuss, zur bedrohten Einheit innerhalb der katholischen Kirche geäußert. Noch einmal hat er das getan, weil alle seine Interventionen bislang weitgehend ignoriert oder immer wieder auch uminterpretiert worden sind. Inhaltlich gibt der Brief natürlich nichts Neues.

Und doch ist der Brief recht brisant insofern, dass er einfach noch einmal ganz, ganz deutlich sagt und zeigt: Das ist meine Position, davon bin ich jetzt nicht abgerückt. Der Brief zeigt doch eine ganz große Sorge. Insofern ist diese Nachricht nicht nur eine, die nur uns vier Frauen betrifft, sondern die ganze Kirche in Deutschland und auch in der ganzen Welt. Der Papst hat hier zum wiederholten Mal seine große Sorge geäußert, und das ist meines Erachtens sehr ernst zu nehmen.

DOMRADIO.DE: Die Deutsche Bischofskonferenz möchte sich zu diesem Brief nicht äußern, weil dieser Brief eben nicht an die Bischofskonferenz gerichtet ist, sondern an vier Privatpersonen. Was sagen Sie denn zu dieser Reaktion?

Dorothea Schmidt

"Was ZdK und auch DBK gesagt haben, offenbart eine Verweigerung der Wahrnehmung, dass der Papst sich große Sorgen macht."

Schmidt: Ich finde die Reaktion von DBK sowie dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZdK), die sich auch nur kurz geäußert hatten, äußerst bedenklich; und zwar deswegen, weil der DBK-Sprecher sagte, dass sich der Brief ja nur auf uns vier Frauen beziehe.

Dazu sage ich: Das Dokument ist jetzt offiziell mit Erlaubnis des Papstes veröffentlicht worden, beziehungsweise sind wir dazu ermächtigt worden, und damit ist es ein öffentliches Dokument.

Das ZdK wirft uns dagegen vor zu spalten. Tatsächlich spalten all diejenigen, die einen Weg gehen, der in Rom größtes Misstrauen schürt und nicht die, die aufs Barometer zeigen und sagen: Da kommt ein mächtiger Sturm auf.

Bei Thomas Söding (Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken; Anm. d. Red.) heißt "spalten" offenbar: Jeder, der irgendwie diesen Weg benennt, spaltet. Jeder, der ihn aufdeckt, spaltet. So eine Aussage ist für mich absolut unbegreiflich.

Also was ZdK und auch DBK gesagt haben, offenbart eine Verweigerung der Wahrnehmung, dass der Papst sich große Sorgen macht.

DOMRADIO.DE: Besteht nicht jetzt durch dieses Antwortschreiben des Papstes auch die Gefahr, dass die Gegensätze der Gruppierungen hier in Deutschland innerhalb von Bischöfen und Laien noch verstärkt werden? Es gibt ja durchaus in den sozialen Netzwerken auch einige heftige Reaktionen auf diesen Brief.

Dorothea Schmidt

"Statt mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, wäre Besinnung angesagt."

Schmidt: Der Brief zeigt zunächst einmal, dass Papst Franziskus seine Position zu all den Geschehnissen in der katholischen Kirche in Deutschland nicht geändert hat. Seine Ermahnungen sind zahlreich. Und der Brief zeigt, dass es den Bischöfen seit 2019 nicht gelungen ist, die Bedenken des Papstes auch nur im Ansatz zu zerstreuen. Ganz im Gegenteil.

Meines Erachtens gibt es jetzt zwei Möglichkeiten darauf zu reagieren. Entweder wir sehen das nicht ein, was der Papst sagt, wir schimpfen über Rom und alle Bischöfe, Kardinäle, Laien in der Welt, die ihm folgen. Oder wir lassen die Frage zu: Wenn wir immer wieder zu hören bekommen, auch von wichtigen Autoritäten der Kirche, sogar vom Papst selbst, dass wir falschliegen, sollten wir uns dann nicht einmal besinnen? Das fehlt noch, finde ich. Statt mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, wäre Besinnung angesagt.

Brief aus dem Vatikan an die deutsche Bischofskonferenz

Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hat auf ihrer Internetseite den Brief aus dem vatikanischen Staatssekretariat an den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, veröffentlicht. In dem Brief mit Datum vom 16. Januar 2023 erteilen Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und die Kurienkardinäle Luis Ladaria und Marc Ouellet dem "Synodalen Rat" eine Absage. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert den Wortlaut des Briefes in Auszügen:

 

Staatssekretariat

Aus dem Vatikan, am 16. Januar 2023

N. 2825/SdS/2023

 

Briefe schreiben (Symbolbild) / © Nikateos (shutterstock)
Briefe schreiben (Symbolbild) / © Nikateos ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Der Papst erinnert an das Gebet, die Buße und die Anbetung. Zugleich ruft er auch dazu auf, hinauszugehen. Wie könnte denn aus Ihrer Sicht eine Erneuerung und Stärkung der Kirche jetzt aussehen und vor allem gelingen?

Schmidt: Es gibt ja bereits ganz viele grüne Glaubensoasen, wo der Glaube blüht, wo er lebendig ist, wo Menschen tatsächlich hinausgehen: in Gefängnisse, zu Einsamen, zu Alten. Und da können wir hinschauen und evaluieren, warum dort so viele Berufungen hervorgehen. Warum strahlen die Leute so eine Freude aus? Wir sehen, dass alle diese Gemeinschaften "back to the roots" gehen. Sie sind auch gewinnend, weil sie zum Kern des katholischen Glaubens zurückführen.

Menschen versuchen dort die Nachfolge zu leben. Sie leben Sakramente, gehen mit Freude in die Kirche, statt sich eine Kuschelkirche zu basteln, in der es keine Sünde gibt. Und wir sehen, dass viele junge Menschen sich von anderen jungen Menschen, die von Christus begeistert sind, anstecken lassen. Das sind die missionarischen Jünger, die die Welt heute braucht.

Dort herrscht kein klerikaler Geist, sondern ein tiefes Zusammen von Laien und Klerikern. Also Amtsträger sind dort nicht klerikalistisch und Laien nicht klerikal. Jeder steht an seinem Platz, ergänzt einander. Dort sehen wir, wie tatsächlich Erneuerung oder Stärkung der Kirche – wie Sie sagten – wirklich funktionieren können.

Nicht die Anpassung an aktuelle Geschmäcker wird die Kirche neu erblühen lassen, das sehen wir daran schon. Sondern wenn wir unsere Herzen von Christus entflammen lassen, dann werden wir das Feuer des Glaubens in der Kirche entzünden und auch am Brennen halten können.

Das Interview führte Jan Hendrik Stens.

Quelle:
DR