Journalist sieht in Papstbrief kein Veto gegen Synodalen Weg

"Verhältnis angespannt, nicht zerrüttet"

In einem Brief an vier katholische Frauen in Deutschland wiederholt Papst Franziskus seine Bedenken zum Synodalen Weg. Journalist Matthias Drobinski liest darin zwar wenig Neuigkeiten, sieht aber in der Wortwahl Alarmsignale.

Braut sich im Vatikan etwas zusammen? / © TTstudio (shutterstock)
Braut sich im Vatikan etwas zusammen? / © TTstudio ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Ist Franziskus' Brief an die vier Katholikinnen das definitive Stoppschild aus Rom zum Synodalen Weg in Deutschland. Wie beurteilen Sie das?

Matthias Drobinski  (KNA)
Matthias Drobinski / ( KNA )

Matthias Drobinski (Chefredakteur von "Publik-Forum"): Es ist eines von mehreren Stoppschildern, das der Papst hochgehalten hat. In dem Sinn hat er das noch nicht richtig gestoppt, denn er hat den Deutschen nicht verboten, diesen Weg weiterzugehen. Aber immer wieder drückt er seine Sorge aus, auch in diesem Brief, wo er sagt, er fürchte, dass die deutsche Kirche sich von der Weltkirche entferne.

Matthias Drobinski

"Dem Papst gefällt diese Richtung der deutschen Katholiken nicht."

Und er sagt, dieses Beratungs- und Entscheidungsgremium, das jetzt eingeführt werden soll, sei mit der Struktur der katholischen Kirche nicht in Einklang zu bringen. Das sind natürlich schon sehr heftige Worte. Und es zeigt: Dem Papst gefällt diese Richtung der deutschen Katholiken nicht.

DOMRADIO.DE: Vier katholische Frauen aus Deutschland schreiben einen Brief an Papst Franziskus, erhalten eine Antwort und bekommen gleichzeitig die Erlaubnis, diesen Antwortbrief auch zu veröffentlichen. Mancher Bischof wartet länger auf eine Antwort oder mancher bekommt nicht mal eine. Wie bewerten Sie denn dieses Verhalten von Papst Franziskus?

Drobinski: Das ist schon ungewöhnlich. Vielleicht ist es aber auch typisch für diesen Papst, der sehr spontan ist. Wenn ein Bischof schreibt, muss der sich manchmal hinten anstellen.

Die Frauen werden sicherlich nicht einfach den Brief in die Post geworfen haben. Natürlich haben diese Frauen da Fürsprecher. Da sieht man doch so eine Struktur, die es noch immer im Vatikan gibt, die das Ohr des Papstes hat; das ist doch irgendwie höfisch.

Die einen kommen durch, weil sie Fürsprecher haben, der andere, der nicht so beliebt ist, zum Beispiel Bischof Bätzing, muss warten.

DOMRADIO.DE: Die Frauen haben im Hinblick auf den Synodalen Weg eine eindeutig kritische Position vertreten. Denken Sie, dass Franziskus jetzt eher auf die Kritiker des Synodalen Weges hört? Oder worauf schaut er da, wer zu ihm durchkommt und wer nicht? Er hat ja mit Bischof Gänswein, eine wichtige Person, die früher entschieden hat, wer zu ihm durchkommt und wer nicht, abgesägt. Wer ist jetzt derjenige, der bestimmt, wer zum Papst durchkommt und wer nicht?

Matthias Drobinski

"Das Bild, das der Papst bekommt, ist aus meiner Sicht oft auch verzerrt."

Drobinski: Das ist nicht immer so ganz durchsichtig für mich, muss ich sagen. Die Leute an der Kurie, die Deutschland vertreten, sind überwiegend konservativ, überwiegend Leute, die den Synodalen Weg nicht schätzen. Das heißt, das Bild, das der Papst bekommt, ist aus meiner Sicht oft auch verzerrt.

Da sind diejenigen, die sagen: "Na ja, damit wollen sich die Deutschen von der Weltkirche entfernen". Da können die Bischöfe, die diesen Synodalen Weg unterstützen, tausendmal sagen: "Nein, wir wollen uns gar nicht entfernen. Und wir wollen natürlich Teil der Weltkirche sein. Wir wollen aber unseren Weg gehen, unsere Form der Beteiligung installieren".

Wenn er in Rom diejenigen hat, die sagen "passt bloß auf, das ist der falsche Weg", dann setzt sich das auch fest. Und die Deutschen sind doch auch relativ fern. Also die Deutsche Bischofskonferenz, das fällt mir immer wieder auf, ist von solchen "Flüsterwegen", Einflussgremien, im Vatikan weit entfernt.

DOMRADIO.DE: Die Reaktionen hier in Deutschland sind, was diesen Papstbrief angeht, relativ überschaubar. Die Deutsche Bischofskonferenz sagt zum Beispiel nur, der Brief sei an die Frauen gerichtet und werde nicht kommentiert. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken erklärte hingegen erneut, der Synodale Ausschuss stehe auf der Grundlage des geltenden Kirchenrechts und verweist auf die Weltsynode, bei der Papst Franziskus eine offizielle Beteiligung und Mitentscheidung von Laien eingeleitet hat.

Matthias Drobinski

"Die Kritik aus Rom und die Argumente der Bischofkonferenz wie des Zentralkomitees wiederholen sich."

Drobinski: Bischofskonferenz und ZdK sagen damit: In dem Brief steht doch gar nichts Neues. Daran stimmt: Die Kritik aus Rom und die Argumente der Bischofkonferenz wie des Zentralkomitees wiederholen sich.

Papst Franziskus verweist ja auch in dem Schreiben an die Frauen auf den "Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland", den er schon 2019 verfasst hat. Auch dort hat er schon gesagt: Mir gefällt die ganze Richtung nicht, und ich habe die Sorge, dass die Kirche in Deutschland Dinge beschließt, die Sache der ganzen Weltkirche sind.

Auch damals haben die Deutschen betont: Das tun wir doch gar nicht, wir stehen auf dem Boden des Kirchenrechts. So, wie jetzt auch. Insofern dreht die Debatte gerade Schleifen.

DOMRADIO.DE: Wie geht es denn weiter? Wird dieser Brief für die künftige Arbeit des Synodalen Ausschusses und auch das Verhältnis der katholischen Kirche in Deutschland mit dem Vatikan Folgen haben?

Synodaler Ausschuss

Der Synodale Ausschuss ist ein Ergebnis des Reformprojekts Synodaler Weg zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland. Er soll unter anderem die Einrichtung eines Synodalen Rates vorbereiten. In diesem neuen Gremium wollen Bischöfe und Laien ihre Beratungen über mögliche Reformen in der Kirche fortsetzen, die sie bei dem 2019 gestarteten Synodalen Weg begonnen haben.

Symbolbild Synodaler Weg / © Maximilian von Lachner (SW)
Symbolbild Synodaler Weg / © Maximilian von Lachner ( SW )

Drobinski: Man sieht auf alle Fälle, das Verhältnis ist angespannt, "zerrüttet" würde ich nicht sagen. Es gibt schon noch die Drähte, aber man merkt das schon, auch wenn Bischof Bätzing in den Vatikan kommt, dann sagen alle: "Ja ja, die Deutschen kommen".

Auf dem synodalen Beratungsprozess in Rom, wo ich letzte Woche war, war es schon so, dass die Deutschen von den anderen Bischöfen keinen Shitstorm kriegten. Darüber waren sie schon froh. Es ist jetzt nicht so, dass die gesamte Weltkirche gegen sie steht. Aber man sieht schon, da gibt es durchaus in der Kirchenzentrale Bedenken, wenn auch kein bindendes, endgültiges Verbot.

Es kann sein, dass die Deutschen dieses Verbot riskieren. Wobei, wenn ein Bischof deswegen abgesägt würde, dann gäbe es in Deutschland einen Riesenkonflikt. Nehmen wir an, jetzt würde der Papst sagen: "Lieber Bischof Bätzing, mir missfällt das, was du tust, so sehr, dass du ab morgen nicht mehr Bischof von Limburg bist", würde in Deutschland die katholische Kirche Kopf stehen. Es gäbe sehr viele Austritte. Das kann ich mir kaum vorstellen, dass Papst Franziskus das riskiert.

Das zeigt halt, dass es da um eine Mischung aus Kommunikationsstörungen, aber auch echten inhaltlichen Fragen geht, um die Frage, was Synodalität ist. Für die Deutschen ist es sehr stark auch eine institutionalisierte Teilhabe. Und für den Papst ist es sehr stark "Umkehr der Herzen", "weg vom Klerikalismus", also eher eine weiche Struktur.

Es soll irgendwie mental, menschlich, geistlich anders werden, als würde das eine das andere ausschließen. Die Deutschen sagen: "Natürlich sind wir auch für Umkehr, aber es muss sich irgendwo auch materialisieren."

Das Interview führte Jan Hendrik Stens.

Quelle:
DR