Katholische Kirche in der Schweiz will Missbrauch bekämpfen

Pilotstudie erscheint

Am Dienstag erscheint eine historische Pilotstudie zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche der Schweiz. Das Projekt ist ein Meilenstein. Ein Rückblick zeigt wichtige Stationen beim Bemühen um Aufklärung.

Autor/in:
Barbara Ludwig
Symbolbild Missbrauch in der Kirche / © udra11 (shutterstock)
Symbolbild Missbrauch in der Kirche / © udra11 ( shutterstock )

Die Veröffentlichung einer Pilotstudie zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche der Schweiz am Dienstag (12. September) ist ein wichtiger Schritt in Sachen Aufarbeitung – flankiert freilich an diesem Wochenende von neuen Vorwürfen. Das Bemühen um einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Thema setzte aber bereits deutlich früher ein. 

Kein Platz für Heimlichtuerei? 

Im Dezember 2002 erließen die Schweizer Bischöfe erstmals landesweit gültige Richtlinien zu Prävention und zum Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs. Zugleich setzten sie ein entsprechendes Fachgremium ein, das die Bischöfe beraten und Kontrollfunktionen wahrnehmen sollte. Die Bischöfe bekundeten damals ihre Absicht, einem "Klima des Verheimlichens" entgegenzuwirken.

Die Richtlinien wurden in den folgenden Jahren mehrmals überarbeitet. 2014 wurden mit der dritten Auflage die Ordensgemeinschaften ins Boot geholt. Seither geben die Schweizer Bischofskonferenz und die Vereinigung der Höhern Ordensobern (VOS) die Richtlinien gemeinsam heraus. Die dritte Auflage betone das Anliegen Prävention stärker, sowohl in der Ausbildung als auch in den Fortbildungsprogrammen, so die Bischofskonferenz damals. Zurzeit ist die vierte Auflage von März 2019 in Kraft; der Titel: "Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld".

Prävention im Zentrum 

Darin nimmt die Prävention einen zentralen Platz ein. Jede Diözese und jede Ordensgemeinschaft muss über ein eigenes Präventionskonzept und eine Präventionsbeauftragte verfügen. Mehrere Maßnahmen betreffen das Aufnahmeverfahren ins Priesterseminar oder die Aus- und Weiterbildung. Wer bei Kirche arbeiten will, muss nebst einem Privatauszug aus dem Strafregister auch einen Sonderprivatauszug vorweisen, der beim Kontakt mit Minderjährigen von Bedeutung ist.

Ab 2011 setzten zudem alle Bistümer Fachgremien als Anlaufstellen ein, wo sich Betroffene an unabhängige Ansprechpersonen wenden können. Eine weitere Errungenschaft war der sogenannte Genugtuungsfonds für verjährte Missbrauchsfälle, den die Bischöfe 2016 einrichteten. Finanziert wird der Fonds von den Bistümern, den Ordensgemeinschaften und der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz (RKZ), dem Dachverband der kantonalkirchlichen Organisationen. 

Schmerzensgeld für Betroffene 

Opfer von sexuellen Übergriffen können so einen einmaligen Beitrag von höchstens 20.000 Franken erhalten. Seit Juli 2021 hängt die Höhe der Summe nicht mehr primär von der Schwere der erlittenen sexuellen Gewalt ab. Stattdessen sollen in erster Linie die gesundheitlichen, familiären, beruflichen und sozialen Folgen im Leben der Betroffenen berücksichtigt werden.

Für Aufsehen, aber auch Kritik sorgte 2022 ein neuer Verhaltenskodex des Bistums Chur, an den sich alle Mitarbeitenden im kirchlichen Dienst binden müssen. Er soll sämtliche Formen von Missbrauch in der Kirche verhindern. Das Dokument formuliert Qualitätsstandards und konkrete Verhaltensanweisungen. Auch das Bistum Lausanne, Genf und Freiburg hat in Anlehnung an das Churer Dokument einen Verhaltenskodex erarbeitet, der bislang im deutschsprachigen Teil der Diözese eingeführt wurde. Wann die französische Übersetzung kommt, ist noch nicht bekannt.

Fälle ab den 1950er Jahren 

Bislang gibt es keine schweizweite Untersuchung zu sexuellen Übergriffen in der Kirche. Das ändert sich mit der Pilotstudie, deren Ergebnisse am Dienstag vorgestellt werden. Das Projekt umfasst den Zeitraum ab Mitte des 20. Jahrhunderts. Einzelne Klöster und Ordensinstitute ließen schon ab 2011 Untersuchungen durch externe Experten vornehmen. Die Benediktinerabtei Einsiedeln war die erste Ordensgemeinschaft, die diesen Schritt machte.

Katholische Kirche in der Schweiz

Die katholische Kirche in der Schweiz hat laut einer aktuellen Statistik rund 2,9 Millionen Mitglieder. Aufgrund von Zuwanderung sei die Zahl trotz eines zuletzt leichten Rückgangs weiter "historisch hoch", teilte das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut (SPI) mit.

Schweizer Flagge
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Quelle:
KNA