Katholische Kirche und die Frauenfrage

"Keine Notlösung, sondern eine Frage der Gerechtigkeit"

Die Frauenfrage dominierte beim Symposium der Katholischen Akademie in Bayern alle anderen Themen. Die Zeit "fauler Kompromissse" sei vorbei, so der Theologe Richard Hartmann über die Dynamik in der Frauenfrage.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Ein Rosenkranz-Tattoo auf dem Nacken einer Frau als Zeichen ihrer Gläubigkeit. / © Harald Oppitz (KNA)
Ein Rosenkranz-Tattoo auf dem Nacken einer Frau als Zeichen ihrer Gläubigkeit. / © Harald Oppitz ( KNA )

Theologen und Theologinnen stellen diese Frage grundsätzlicher und entschiedener als es viele Jahre lang der Fall war. Das zeigte sich auch jetzt bei einem Symposium in München. Am Ende waren selbst die Veranstalter überrascht.

Nur ein Dutzend Frauen vertreten

Drei Tage anspruchsvolle theologische Referate und Diskussionen über die Sakramentalität der katholischen Kirche wurden vom 3. bis 5. April in der Katholischen Akademie in Bayern letztlich von der Frauenfrage dominiert. Dabei sei das gar nicht so geplant gewesen, versicherte der Fuldaer Pastoraltheologe Richard Hartmann. Auch waren unter den 140 Seelsorgern aus dem In- und Ausland höchstens ein Dutzend Frauen vertreten.

Wie der Fall des Eisernen Vorhangs

Dennoch hielt Hartmann die entstandene Dynamik für bezeichnend. Die Zeit "fauler Kompromisse" sei vorbei, deutete er die Stimmung unter den Teilnehmern des Symposiums, das vom Internationalen Diakonatszentrum Osnabrück und der Katholisch-Theologischen Fakultät Fulda in Kontakt mit den Ausbildern von Priestern, Pastoral- und Gemeindereferenten ausgerichtet worden war. Vielleicht "musste erst eine Generation kommen, die nicht wusste, dass es unmöglich ist", zitierte Hartmann ein Bonmot von Ralf Dahrendorf, das dieser zum Fall des Eisernen Vorhangs geprägt hat.

Diskussion befeuert durch "Machtwort"

Nun könnte man durchaus fragen, was es da noch zu diskutieren gibt. 1994 hat Papst Johannes Paul II. (1978-2005) die Priesterweihe von Frauen in einem lehramtlichen Schreiben definitiv ausgeschlossen. Diese Position wurde bis in die jüngste Gegenwart von allen seinen Nachfolgern bekräftigt. Der Würzburger Fundamentaltheologe Matthias Remenyi bescheinigte diesem "Versuch, die Diskussion mit einem Machtwort zu beenden", geradezu gegenteilige Wirkung. Dadurch sei die Debatte "erst recht befeuert" worden.

Internationalisierung der Debatte

Der Bochumer Bibelwissenschaftler Thomas Söding präsentierte aus dem Neuen Testament die Belege, wie erst zu Beginn des zweiten Jahrhunderts "konservative Reformer" Frauen aus Ämtern und Diensten der alten Kirche gedrängt hätten. Das relativiere das Argument der Tradition.

Söding plädierte für eine Internationalisierung der Debatte. Darin sollten vor allem Erfahrungen von Ordensfrauen in stark wachsenden Gemeinden in Afrika, Asien und Lateinamerika Eingang finden, "und zwar, was sie wirklich tun und nicht nur offiziell". Die Münsteraner Dogmatikerin Dorothea Sattler sagte, entscheidend sei, dass Menschen im Handeln von Männern und Frauen Jesus Christus wiedererkennen könnten. Dabei komme es weniger auf Kategorien wie Geschlecht oder "natürliche Ähnlichkeit" an als auf die "Bereitschaft zur Lebenspreisgabe".

"Diskriminierung, die dem Willen Gottes widerspricht"

Den schärfsten Ton schlug der Luzerner Kirchenrechtler Adrian Loretan an. Den Ausschluss von Frauen aus allen höheren Ämtern in der katholischen Kirche bezeichnete er als "Diskriminierung, die dem Willen Gottes widerspricht". Sie zu beseitigen, sei nicht nur als "Notlösung" wegen des Priestermangels geboten, sondern eine Frage der Gerechtigkeit. Er erinnerte daran, dass Papst Paul VI. die Durchsetzung von Menschenrechten in der Kirche und damit auch die rechtliche Gleichstellung von Frauen als Auftrag des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) verstanden habe.

Eine Frage der Gerechtigkeit

Katholische Theologen und Kirchenjuristen seien es zudem gewesen, so Loretan, die erst die theoretischen Grundlagen für Völkerrecht, Rechtsstaatsdenken und Menschenrechte geschaffen hätten. Daran gelte es sich nun wieder zu erinnern. Als zukunftsweisend würdigte er den jüngsten Beschluss der Deutschen Bischofskonferenz, jede dritte Leitungsfunktion in den Bistümern künftig mit Frauen zu besetzen.

Dieser Schritt, den man den Deutschen gar nicht zugetraut habe, so Loretan, sei im Ausland sehr wahrgenommen worden und werde auch in der Debatte um Weiheämter noch seine Wirkung entfalten. Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode, der die ganze Tagung mit absolvierte, versprach, zumindest das Thema Frauendiakonat auf den von den deutschen Bischöfen beschlossenen "synodalen Weg" mitzunehmen. "Wir kommen an der Frauenfrage nicht vorbei", sagte er.

Frauenfrage lässt sich nicht aussitzen

Er habe den Eindruck, dass Kardinal Reinhard Marx als Vorsitzender der Bischofskonferenz "und der größere Teil der Bischöfe" das wirklich wollten. Bode räumte die Gefahr einer Spaltung ein. Dies gelte jedoch nicht nur für die Bischöfe, was an sich schon schlimm sei, sondern auch für das "Volk Gottes, wenn nichts geschieht". Mit Blick auf seine voraussichtlich noch sieben Jahre währende Amtszeit als Bischof habe er eine Weile geglaubt, um das Thema herumzukommen.

Nach dem Missbrauchsskandal gehe das aber nicht mehr. Durch diesen sei jegliche "Männerklüngelei" in der Kirche so sehr desavouiert worden, dass die Menschen spürten, Frauen und Männer müssten in der Kirche enger zusammenwirken. Welche Beobachtungen drängten sich von den drei Tagen sonst noch auf?

Die Zeit der Status- und Positionskämpfe zwischen den seelsorglichen Berufsgruppen scheint vorbei zu sein. Der Wunsch nach säuberlicher Profilabgrenzung zwischen Geweihten und Ungeweihten, Verheirateten und Zölibatären, notfalls auch im Gegeneinander, lässt sich nicht mehr ausmachen. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass diese Debatte im Außenbereich kaum noch interessiert.

Wahrnehmung der Kirche von außen

Am prägnantesten formulierte diesen Umstand der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher: "Es kommt nicht aufs Selbstverständnis an, sondern, wie man wahrgenommen wird." Das "alte Spiel" der Kirche und ihrer Ämter sei vorbei. "Wir sind nicht mehr Herren unserer selbst."

Was das praktisch heißt, illustrierte der Pastoralreferent Michael Göcking (Osnabrück) mit seinen Erfahrungen im neuen "Amt" als Pfarrbeauftragter für zwei Kirchengemeinden: Die taz etikettierte ihn in einem Bericht als "ersten Laienpriester Deutschlands", eine andere Tageszeitung nannte ihn "Laienpfarrer". Göcking ließ Sympathien für letzteren Begriff erkennen und empfahl seinem Bischof, doch darüber "einmal nachzudenken".

Alle Vorträge der Münchner Tagung sollen bis Herbst in einem Band der renommierten Reihe "Quaestiones disputatae" im Herder Verlag publiziert werden. Für die lehramtliche Position fand sich indes kein öffentlicher Fürsprecher. Kritische Anmerkungen aus dieser Perspektive wurden dem Vernehmen nach nur vereinzelt am Rande der Tagung in persönlichen Gesprächen laut.


Frauen halten einen Schal mit dem kfd-Logo / © Julia Steinbrecht (KNA)
Frauen halten einen Schal mit dem kfd-Logo / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA
Mehr zum Thema