DOMRADIO.DE: Wie sieht es bei Ihnen an der Ursulinenschule in Hersel aus? Müssen Sie mit zu wenigen Kollegen und Kolleginnen planen?
Dr. Karl Kühling (Direktor der erzbischöflichen Ursulinenschule in Hersel): Eigentlich nicht. Denn wir planen sehr weit voraus. Überraschungen kommen immer, auch während der Sommerferien ergeben sich manchmal Änderungen, mit denen man da umplanen muss. Das sind wir aber gewohnt und deshalb gibt es eine langfristige Vorbereitung.
Wir müssen viele Fächer zusammen bündeln. Jedes Fach braucht seine Fachkräfte. Diese müssen langfristig gewonnen werden. Das ist ein ganz langer Prozess.
Wir beteiligen uns an der Ausbildung der Lehrer, wir haben Kontakte zu den Ausbildungsstätten und zu den Seminaren. Wenn wir dann irgendwo fachliche Lücken haben, dann bemühen wir uns wirklich manchmal auch jahrelang diese Lücken zu schließen.
Da gibt es Ausnahme-Fächer, für die es sehr, sehr wenige Ausgebildete gibt. Informatik ist so eins. Da habe ich es in zwölf Jahren ein einziges Mal geschafft, eine Quereinsteigerin ins Boot zu holen. Die Gesellschaft wünscht sich eine stärkere Belegung des Fachs Informatik, aber es gibt keine Referendarinnen und Referendare in diesem Feld.
Das bleibt ein Problem. Neben dem Unterricht werden Fachfremde zusätzlich in diesem Feld ausgebildet, um diese Lücken zu füllen. Das ist kein spezielles Problem meiner Schule, sondern das gibt es vielleicht auch woanders in dem einen oder anderen Fach.
DOMRADIO.DE: Sie planen langfristig und gucken zum Teil jahrelang, wo Sie die Leute her bekommen. Warum klappt das bei Ihnen besser als an anderen Schulen?
Kühling: Wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit mit unserem Schulträger. Wir haben eine Schulrätin in der Schulabteilung, die mit uns halbjährlich ein fortlaufendes Stellen-Planungsverfahren in Gang hält.
In diesen Stellenplanungs-Gesprächen müssen wir als kirchliche Schule unter einem freien Träger berücksichtigen, dass bestimmte Stellen vom Staat refinanziert werden.
Da müssen wir den Rahmen sehr genau einhalten. Wir wissen auch immer, was ungefähr im nächsten Halbjahr auf uns zukommt. Wir planen Pensionierungen der Kollegen nicht ad hoc, sondern schon zwei, drei Jahre im Voraus. Ich glaube, das machen alle Schuldirektionskollegen ähnlich.
DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt die Refinanzierung und Bezahlung? Zahlen Sie besser als staatliche Schulen?
Kühling: Nein, auf keinen Fall. Wir sind mit staatlichen Lehrern gleichgestellt. Es ist natürlich wichtig für unseren Träger, dass wir vom Staat genau refinanziert werden, weil wir ja als Ersatzschule das Privileg der freien Schulwahl in unserem Land aufrechterhalten. Das ist eigentlich der Grund, warum das genau wie bei den staatlichen Schulen gehändelt wird.
DOMRADIO.DE: Sie haben eben den Fachkräftemangel erwähnt. Warum wollen die jungen Leute nicht mehr Referendarin oder Referendar werden? Was glauben Sie?
Kühling: Der Lehrerberuf ist der schönste, den man sich vorstellen kann, weil man mit jungen Menschen zu tun hat, die man auf entscheidenden Pfaden ihres Lebens begleiten darf. Jetzt kommt aber dazu, dass die Studiengänge in bestimmten Fächern zu unterschiedlichen Zielen führen können. Und nehmen Sie mal so ein Fach wie Mathematik.
Da ist es natürlich so, dass die Wirtschaft sich um Mathematiker reißt. Wenn Mathematiker die Chance sehen, in der Wirtschaft eine Position ergreifen zu können, in der sie ein Vielfaches von dem verdienen, was Lehrer bekommen.
Der Beruf ist nach wie vor ein sehr attraktiver, weil es einfach eine wunderschöne Aufgabe ist. Das Land kann aber nicht mit dem mithalten, was Informatikern oder Mathematikern in der freien Wirtschaft geboten wird.
DOMRADIO.DE: Hapert es nicht manchmal auch mit der gesellschaftlichen Anerkennung?
Kühling: Das haben wir zum Glück auch überwunden, glaube ich. Der böseste Spruch in dem Zusammenhang von vor 25 Jahren ist: "Lehrer sind faule Säcke". Die Corona-Zeit hat gezeigt, dass es alles andere als berechtigt ist, so über Lehrer zu reden.
Es ist natürlich schwierig, den Leuten diese alte Sichtweise wieder aus den Köpfen zu treiben. Jeder hat die Schule erlebt und kann ein bisschen mitreden. Aber wie komplex die Systeme der Schule sind und um wie viel vielfältiger die Aufgaben geworden sind, das wissen die Kollegen.
Das wissen mittlerweile auch die Eltern und die Gesellschaft ganz besonders zu schätzen, weil sie gesehen haben, wie sehr sich die Kollegen zerrissen haben, um den Kindern während der Corona-Pandemie Bildung zugänglich zu machen.
DOMRADIO.DE: Laut Einschätzung des deutschen Lehrerverbandes fehlen an deutschen Schulen bis zu 40.000 Lehrerinnen und Lehrer. Haben Sie eine Idee, wie wir das Problem in absehbarer Zeit in den Griff bekommen könnten?
Kühling: Wir müssen für diesen Beruf begeistern. Wir müssen sagen, dass es ein wunderbarer Beruf ist und wir müssen vielleicht auch die Bedingungen in dem Beruf konzentrieren, also die einen oder anderen angehäuften Nebenaufgaben reduzieren. Wenn ich jetzt ganz klar arbeiten wollte, müsste ich ja eigentlich eine Stelle in Reserve haben. Früher gab es die mal vier oder fünf Prozent Reserve-Stellen.
So kann eine Schwangerschaft, eine Erkrankung oder eine Langzeiterkrankung aufgefangen werden. Wenn man das alles an Vertretung aufbauen muss und nicht sofort jemand in der Schule einsatzbereit ist, dann bedeutet das Unterrichtsausfälle.
Dann muss der Stellenwert der Bildung nicht immer nur in berühmten Reden hoch gehalten werden, sondern in der Praxis sagen muss umgesetzt werden, dass die Schulen nicht mit fachfremden Dingen überfrachtet werden.
Man sieht Schule nicht immer nur unter finanziellen oder nur unter juristisch spitzfindigen Ängsten, sondern man will Schule ermöglichen und das in vielfältiger Form. Wir haben hier im Erzbistum eine hervorragende Palette von ganz, ganz vielen Schulformen.
Denken Sie an die tolle Dom-Musikschule und an die Berufsfachschulen. Wir haben Gesamtschulen und hier sind viele Gymnasien mit Tradition. Diese Vielfalt ist eigentlich ein unglaublicher Baustein.
Das Interview führte Heike Sicconi.