Katholische Vordenker gegen Rücktritte wie Benedikts XVI.

"Ein ungeregeltes Nebeneinander"

Wenige Tage nach dem Tod des emeritierten Papstes Benedikt XVI. haben sich drei wichtige Stimmen in der katholischen Kirche gegen weitere Papst-Rücktritte nach dessen Vorbild ausgesprochen, um ein weiteres Nebeneinander zu verhindern.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. besucht Papst Franziskus im Jahr 2015 / © Osservatore Romano/Romano Siciliani (KNA)
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. besucht Papst Franziskus im Jahr 2015 / © Osservatore Romano/Romano Siciliani ( KNA )

Bei einer Debatte in Rom wandten sich am Dienstagabend der ehemalige Glaubenspräfekt und Dogmatikprofessor Gerhard Ludwig Müller, der Kirchenjurist Kardinal Gianfranco Ghirlanda SJ und der Historiker Andrea Riccardi mit unterschiedlichen Akzenten und Begründungen klar gegen eine Wiederholung des Experiments eines ungeregelten Nebeneinanders von ehemaligem und amtierenden Papst.

Strenge Regeln für Rücktritte

Müller gilt als konservativ, Ghirlanda als Mann der Mitte und Riccardi als eher liberal. Ghirlanda, der sich in den vergangenen Jahren als engster kirchenrechtlicher Ratgeber von Papst Franziskus profiliert hat und von ihm dafür den Kardinalstitel erhielt, beklagte, die Kohabitation von Benedikt und Franziskus sei von Gruppen instrumentalisiert worden, die den amtierenden Papst nie akzeptierten. Deshalb müsse ein Rücktritt eine Ausnahme sein, und im Falle eines weiteren Rücktritts müsse es strenge Regeln geben.

Riccardi, Gründer der Gemeinschaft Sant'Egidio, sagte, die Entscheidung für den Rücktritt sei typisch Ratzinger gewesen, die Ausführung hingegen nicht. Die Zweideutigkeiten, die etwa das Tragen eines weißen Gewandes mit sich brachten, hätten dazu geführt, dass er wie ein Monarch im Exil wahrgenommen worden sei.

Trend zu Subjektivismus

Riccardi beklagte einen Trend zu immer mehr Subjektivismus in der Kirche. Konflikte habe es immer gegeben, aber früher seien sie abseits der Öffentlichkeit ausgetragen worden. In diesem Zusammenhang erwähnte Riccardi auch die Indiskretionen des langjährigen Papst-Sekretärs Georg Gänswein.

Am ausführlichsten und grundsätzlichsten sprach Müller, der 2017 ein theologisches Grundlagenwerk über das Papstamt veröffentlicht hatte. Er äußerte die Vermutung, dass Benedikt XVI. seine Rücktrittsentscheidung vor zehn Jahren dogmatisch und kirchenrechtlich nicht bis zu Ende gedacht habe. Der Titel eines "emeritierten Papstes" sei "theologisch falsch", erklärte Müller.

Müller kritisierte auch die bislang vorliegenden Entwürfe für eine kirchenrechtliche Regelung des Amtes eines "Papa emeritus". Die Entwürfe, an denen auch Ghirlanda mitgearbeitet hat, läsen sich wie ein Katalog von Haftbedingungen für einen Ex-Papst, der dann faktisch ein Gefangener im Vatikan wäre.

Amtierender Papst repräsentiere die Kirche

Doch diese Vorschläge, so Müller, seien zum Scheitern verurteilt - nicht wegen der Unfähigkeit der Autoren, sondern deshalb, weil das Nebeneinander von ehemaligem und amtierendem Papst dem Wesen des Papstseins widerspreche. Dieses bestehe darin, in seiner Person Garant der Einheit für alle Bischöfe und alle Gläubigen zu sein. Nur der amtierende Papst repräsentiere die gesamte Kirche als deren sichtbares Oberhaupt. Dies sei, so Müller, weder vergleichbar mit dem Amt eines Königs oder Staatsoberhauptes noch mit der Rolle der Oberhäupter anderer Glaubensgemeinschaften.

Schritt sei zu respektieren

Mit Blick auf den Rücktritt von Benedikt XVI. im Jahr 2013 erklärte Müller, dass dieser Schritt zu respektieren sei. Doch könne daraus "keine Rechtfertigung für die Einrichtung eines regelmäßigen Papstrücktritts aus subjektiven Gründen" abgeleitet werden. Auch wenn Benedikt XVI. ein ausgezeichneter Theologe gewesen sei, dürfe sein Schritt nicht dazu führen, das Wesen des Papsttums durch den Rücktritt zu revolutionieren.

Müller weiter: "Es kann immer nur einen einzigen Papst geben, der in seiner Person das sichtbare Prinzip sowie das Fundament der Einheit und der sakramentalen Gemeinschaft aller Ortskirchen ist." Das wahre Erbe Joseph Ratzingers sei nicht die Einführung der neuen Figur des emeritierten Papstes, sondern sein mehr als 20.000 Seiten umfassendes theologisches Gesamtwerk, das ähnlich wie das des Kirchenlehrers Augustinus im Gedächtnis der Kirche bleiben werde.

Quelle:
KNA