Kirchenrechtler ist gegen rasche Kanonisation von Benedikt

"Gründlichkeit vor Schnelligkeit"

In der Debatte um eine schnelle Heiligsprechung von Papst Benedikt XVI. rät der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke der katholischen Kirche zu Vorsicht und Zurückhaltung. Ähnlich äußerten sich bereits andere Wissenschaftler.

Ein Mann hält ein Bild, auf dem Papst Benedikt XVI. zu sehen ist, darüber die Aufschrift in spanischer Sprache Te esperabamos (dt. Wir haben dich erwartet) / © Paul Haring/CNS photo (KNA)
Ein Mann hält ein Bild, auf dem Papst Benedikt XVI. zu sehen ist, darüber die Aufschrift in spanischer Sprache Te esperabamos (dt. Wir haben dich erwartet) / © Paul Haring/CNS photo ( KNA )

Zwar könnte Papst Franziskus völlig souverän und ohne Beachtung von Fristen über eine Selig- und Heiligsprechung entscheiden, sagte der emeritierte Theologieprofessor am Sonntag im WDR. Dennoch wäre es im Interesse der Kirche, mit Blick auf Joseph Ratzinger noch zu warten.

Norbert Lüdecke / © Harald Oppitz (KNA)
Norbert Lüdecke / © Harald Oppitz ( KNA )

Heiligsprechungen als Politikum

Zudem könnte sich eine häufige Heiligsprechung von Päpsten "abnutzen". "Heilige sind Papstprodukte", sagte Lüdecke. Sie würden politisch nach ihrem Nutzen für die Kirche ausgesucht.

Durch "Heiligkeitsmodelle" würden Leitbilder für die Kirche gesteuert – etwa Tugenden wie Demut und Gehorsam, oder Lehren wie Sexualmoral und kirchenpolitische Fragen.

Heiligsprechung

Die Heiligsprechung in der katholischen Kirche ist eine feierliche Erklärung des Papstes über das vorbildlich christliche Leben eines Menschen und über dessen endgültige Aufnahme bei Gott. Nach dieser Kanonisation, die im Rahmen eines Festgottesdienstes vollzogen wird, darf die betreffende Person weltweit verehrt werden.

Heiligsprechung (dpa)
Heiligsprechung / ( dpa )

Umgang mit Missbrauchstätern

Lüdecke verwies in diesem Zusammenhang auf umstrittene Entscheidungen von Kardinal Joseph Ratzinger und Papst Benedikt. Er habe als Chef der Glaubenskongregation und damit als "Lehrpolizist" über Jahre Karrieren von Theologen zerstört, die eine andere Auffassung über Glaubensfragen vertreten hätten.

Auch blieben " wie bei Papst Johannes Paul II. – viele Fragen mit Blick auf den Umgang mit Missbrauchstätern offen. "Ich würde die Kirche im Dorf lassen", sagte der Theologe. "Gründlichkeit geht hier vor Schnelligkeit."

Dogmatiker denkt in gleiche Richtung

Zuvor hatte sich der in Mainz lehrende katholische Theologe Oliver Wintzek Warnungen angeschlossen, den früheren Papst Benedikt XVI. schnell zum Kirchenlehrer zu erheben oder selig zu sprechen.

"Man würde ihn damit eigentlich der Kritik entheben wollen", sagte der Dogmatiker am Freitagabend im Interview gegenüber DOMRADIO.DE. Die Erhebung zum Kirchenlehrer sei eine "Art theologische Heiligsprechung". Das von ihm Gelehrte erhielte dadurch ein "Gütesiegel normativer Art".

Prof. Dr. Oliver Wintzek (privat)
Prof. Dr. Oliver Wintzek / ( privat )

Alternativen zu Heiligen Päpsten

In seiner Amtszeit habe Benedikt viele Theologinnen und Theologen gemaßregelt. "Dass er gegen die Moderne opponierte, mit ihr immer fremdelte, dass er eine Entweltlichung von dieser Gegenwart verfocht, stimmt", sagte Wintzek, der an der Katholischen Hochschule in Mainz lehrt: "Somit hat seine ganze Theologie irgendwie die Aura, dass sie aus der Zeit und damit auch aus der Welt gefallen ist."

Der Theologe kritisierte zudem "inflationäre Selig- und Heiligsprechungen von Päpsten" in der jüngeren Vergangenheit: "Damit soll sozusagen diese Amtsstruktur in die Aura des Sakrosankten erhoben werden." Er regte stattdessen Diskussion darüber an, ob nicht Theologen wie Karl Rahner, Hans Küng, Johann Baptist Metz und Leonardo Boff zu Kirchenlehrern erhoben werden sollten.

Kirchenlehrer

Kirchenlehrer sind seit einer Festlegung von Papst Benedikt XIV. von der Kirche offiziell ernannte Personen, die sich durch die Heiligkeit ihres Lebens, einen richtigen Glauben und eine herausregende Lehre auszeichnen. In der Liturgie sind sie herausgehoben, in theologischen Beweisgängen werden sie oft herausgestellt.

Zu ihnen zählen Augustinus, Ambrosius, Gregor der Große und Hieronymus, aber auch Thomas von Aquin und viele Päpste, insgesamt über 30 Personen.

Statue der Heiligen Katharina von Siena  (shutterstock)
Statue der Heiligen Katharina von Siena / ( shutterstock )
Quelle:
KNA