Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): Herr Weber, der KAAD unterstützt ausländische Studierende und Wissenschaftler unter anderem mit Stipendien in Deutschland. Ist das schwieriger geworden angesichts der Integrations- und Asyldebatten?
Hermann Weber (Generalsekretär beim Katholischen Akademischen Ausländer-Dienst): Wir hatten im vergangenen Jahr mehr als 8.500 Anfragen nach einem Stipendium, davon mehr als 5.300 aus Afrika. Die Nachfrage nach unseren Angeboten ist weiterhin sehr hoch. Umgekehrt gilt: Unsere ganze Arbeit ist darauf ausgerichtet, dass die Stipendiaten in ihre Heimatländer zurückkehren und dort als Multiplikatoren und Verantwortungseliten wirken. Wir wollen, dass die geförderten Wissenschaftler Netzwerke in ihren heimatlichen Regionen bilden und ihre Gesellschaften verantwortlich mitgestalten. Selbst bei den syrischen Studenten, die wir 2017 gefördert haben, liegt die Perspektive darauf, dass sie einmal zum Wiederaufbau in ihrer Heimat beitragen können.
KNA: Wie genau funktioniert das?
Weber: Von den 43 von uns geförderten Syrern studiert fast die Hälfte im Libanon und Jordanien, die andere Hälfte in Deutschland. Bei der Auswahl der Stipendiaten haben wir darauf geachtet, dass alle eine Rückkehrperspektive haben, also an Projekten arbeiten und forschen, die ihren Gesellschaften nützen können - etwa als Architekt oder Bauingenieur, bei der Wasserversorgung, im islamisch-christlichen Dialog oder im Konfliktmanagement.
KNA: Muss man Christ oder Katholik sein, um vom KAAD gefördert zu werden?
Weber: Nein. Etwa zehn Prozent unserer Stipendiaten sind sogar Nicht-Christen. Dabei muss man wissen, dass Christen in vielen unserer Partnerländer eine kleine Minderheit darstellen. Wichtiges Auswahlkriterium ist aber, dass die Stipendiaten sich neben ihrem wissenschaftlichen Können auch für den Dialog der Religionen eingesetzt haben. Auf diese Weise stärken wir auch die dortigen Christen. Die Auswahl der Stipendiaten übernehmen Gremien in den jeweiligen Ländern, die sich aus Kirchenleuten und Wissenschaftlern, oft ehemaligen Stipendiaten, zusammensetzen.
KNA: Wo liegen die regionalen Schwerpunkte ihrer Förderung?
Weber: Von 491 Stipendiaten im Jahr 2017 kamen 148 aus Afrika und 104 aus dem Nahen und Mittleren Osten. Das hat allerdings damit zu tun, dass wir von unseren Geldmitteln her zunehmend auf Drittmittel sowie Zuwendungen vom Entwicklungsministerium oder vom Auswärtigen Amt angewiesen sind. Und diese Mittel gibt es vor allem für Krisen- und Konfliktgebiete. Dadurch entsteht ein gewisses Ungleichgewicht. Wir versuchen aber, eine Balance der Kontinentalprogramme zu halten. Lateinamerika beispielsweise darf bei einem katholischen Hilfswerk einfach nicht herunterfallen.
KNA: Stichwort Drittmittel: Sie deuten an, dass die kirchlichen Mittel zurückgehen...
Weber: Das ist leider so. Wir gehören zu den katholischen Organisationen, für die die Sparbeschlüsse des Verbandes der Diözesen gelten. Das bedeutet, dass die Kirchensteuermittel bei uns von 2,8 Millionen Euro im Jahr 2014 auf 2,3 Millionen im Jahr 2020 zusammenschmelzen. Angesichts steigender Kosten bedeutet das, dass wir unsere Förderung umstellen müssen. Anders als eigentlich beabsichtigt, werden mittlerweile mehr als 20 Prozent unserer Stipendiaten nicht in Deutschland, sondern in ihrer Heimat gefördert. Das bedeutet aber, dass ein wichtiges Element, nämlich der internationale Austausch, an Bedeutung verliert. Das weltweite Engagement der katholischen Kirche in Deutschland wird also zurückgefahren.
KNA: Sie investieren in Köpfe statt in Entwicklungsprojekte. Hat sich das eigentlich bewährt?
Weber: Ohne Investitionen in die Köpfe geht es nicht. Entwicklung kann nur funktionieren, wenn es Menschen gibt, die sie verantwortlich voranbringen. Wir setzen deshalb auf Bildung, Persönlichkeitsformung und auch spirituelle Begleitung. Die von uns geförderten Menschen können zu Multiplikatoren und Change-Agents in ihren Ländern werden.
Ein großes Thema bei unserem Jubiläumskongress am Wochenende sind die sogenannten Verantwortungseliten. Wichtig ist uns zudem, dass diese Persönlichkeiten nicht allein wirken, sondern in ihren Herkunftsländern strategische Netzwerke bilden und so Gesellschaften verändern können. Wir haben solche Netzwerke ehemaliger Stipendiaten in mehr als 50 Ländern.
KNA: Können Sie dafür Beispiele nennen?
Weber: Es gibt Stipendiaten, die in hohe politische Ämter gekommen sind und in ihre Arbeit viel Verständnis für Deutschland und die Christen einfließen lassen können. Zu unseren Ehemaligen gehören etwa Bamir Topi, früherer albanischer Staatspräsident, die frühere palästinensische Tourismusministerin und heutige Botschafterin in Deutschland, Khouloud Daibes, oder der Stadtpräsident, also Oberbürgermeister von Breslau, Rafal Dutkiewicz. Er erhält am Wochenende in Bonn wegen seines Engagements für Europa und ein weltoffenes Breslau den mit 3.000 Euro dotierten Preis der "KAAD-Stiftung Peter Hünermann".
Das Interview führte Christoph Arens.