DOMRADIO.DE: Ein katholischer Verein ohne männliche Führung war 1903 im Gegensatz zu heute ziemlich bemerkenswert, oder?
Dr. Ute Zeilmann (Vizepräsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes / KDFB): Das ist nicht nur bemerkenswert, sondern damals sogar revolutionär gewesen, bewusst zu entscheiden, als Katholikinnen aus der bürgerlichen Frauenbewegung heraus einen Verein, einen Verband ohne klerikale Leitung zu gründen. Das geschah aus eigener Motivation, um die Situation von Frauen zu verbessern und um damals auch schon einen eigenen Vorstand aus diesen Frauen zu wählen.
DOMRADIO.DE: Der Verein sollte dazu da sein, die Situation von Frauen zu verbessern. Was bedeutete das damals und was ist es heute?
Zeilmann: Damals war ein wichtiger Punkt vor allem, die soziale Absicherung und die Mitbestimmung von Frauen zu stärken. Es war ein gleich am Anfang ein großer Kampf und ein großer Erfolg, sich fürs Frauenwahlrecht einzusetzen. Das ist in kürzester Zeit gelungen.
Das Engagement für die Selbstbestimmung von Frauen und für Frauenrechte ist, damals wie heute, gleich geblieben, wenn auch Erfolge zu vermelden sind, an denen wir dranbleiben und die uns motivieren.
DOMRADIO.DE: Was ist so ein Erfolg für Sie?
Zeilmann: Ein wichtiger Erfolg ist die Frage von gleicher Bezahlung von Frauen. Wir haben uns als KDFB sehr stark für die Rentengerechtigkeit eingesetzt. Unter unserem Engagement und unserem Einsatz ist es gelungen, dass wir nicht nur 2, sondern 2,5 Entgeltpunkte angerechnet bekommen, also dass Frauen das in der Rente für die Kindererziehungszeiten angerechnet bekommen.
Unser Ziel ist aber, dass auch ein dritter Rentenpunkt noch für die Frauen Wirklichkeit wird. Das hat auch mit unserem Einsatz von Equal Pay und Equal Care zu tun. Da haben wir Erfolge erzielt, sind aber noch auf dem Weg. Ich finde, es motiviert aber auch, so ein Etappenziel erreicht zu haben und zu sagen, da bleiben wir dran, weil noch viel möglich und auch nötig ist.
DOMRADIO.DE: Es gibt neben Ihnen ja auch die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands, die kfd. Es gibt Maria 2.0, beide sehr engagiert zum Beispiel beim Thema Frauenweihe. Wie positionieren Sie sich bei der Ämterfrage?
Zeilmann: Wir haben die Ziele, die kfd und Maria 2.0 in Bezug auf Zugang von Frauen zu allen Diensten und Ämtern in der römisch-katholischen Kirche haben, auch schon lange im Programm. Aber aufgrund unserer Gründungsgeschichte haben wir natürlich eher einen gesellschaftspolitischen Schwerpunkt. Wir sind aber mit der kfd total eng vernetzt, arbeiten auch sehr vertrauensvoll zusammen, bereichern uns wechselseitig.
Und für unser kirchenpolitisches Engagement war Maria 2.0 sehr wichtig. Da wurden frischer Wind und neue Energien in diese lang diskutierten Fragen der Frauenweihe und der Zulassung der Frauen in Ämter hereingebracht.
Wir zeigen durch 120 Jahre Erfahrung als Frauenbund, dass wir in der katholischen Kirche einfach oft einen langen Atem brauchen, dass wir Strukturen brauchen, eine Beharrlichkeit, um an solchen Themen dran zu bleiben. Ich denke, damit stützen wir auch die Bewegung Maria 2.0 in ihren Anliegen ganz gut.
DOMRADIO.DE: Wie wollen Sie dafür sorgen, dass Ihr Verein auch weiter Bedeutung hat?
Zeilmann: Wir haben natürlich auch mit einem Mitgliederrückgang zu tun. Das hat mit den Veränderungen, die jüngst auch noch mal die Studie (Mitgliederstudie der katholischen und evangelischen Kirche, Anm. der Red.) gezeigt hat, in Kirche und auch Gesellschaft zu tun. Aber Geschlechtergerechtigkeit, Gleichstellung in Politik, Gesellschaft und Kirche sind nach wie vor große Themen.
Wir übernehmen hier gern Verantwortung, indem wir Frauen unterstützen, die demokratisch gebildet sind, die sich aber auch in Parlamenten engagieren, indem wir sie durch aktive Frauensolidarität unterstützen, damit sie sich für Frauenrechte weltweit einsetzen.
Das hat sich im Vergleich zu damals schon geändert, dass wir globaler und internationaler denken müssen. In Deutschland, glaube ich, können wir sehr stolz sein und dankbar darauf zurückblicken, was die Frauen, die unseren Verband gegründet haben und auch 120 Jahre lang durchgehalten haben, erreicht haben. Nun ist es möglich, dass Frauen in Deutschland weitgehend ein selbstbestimmtes Leben führen können, freie Berufswahl und gute Bildungschancen haben.
Aber es ist noch viel Luft nach oben. Frauenrechte dürfen in Veränderungsprozessen unserer Gesellschaft niemals auf der Strecke bleiben. Deshalb gilt für uns weiterzumachen, uns Gehör für alle Frauen weltweit zu verschaffen und ihre Rechte und ihre Selbstbestimmung zu stärken.
Das Interview führte Tobias Fricke.