Wieder ein Gipfel zum Thema Flüchtlinge, aber diesmal nicht mit Regierungschefs oder Jamaika-Sondierern. 130 Praktiker und Professoren, Experten und Ehrenamtliche treffen sich am Montag in Köln zum dritten Flüchtlingsgipfel der katholischen Kirche.
Angesichts des raueren Klimas in der Gesellschaft wollen sie dort Flagge zeigen, auf Einladung des Sonderbeauftragten Erzbischof Stefan Heße. Laut Ankündigung soll das Treffen deutlich machen: Wo immer Menschen an ihre entscheidenden Grenzen stoßen, können sie auf kirchliche Begleitung zählen.
"Gemeinsam Vielfalt lernen"
Der Tagungsort hat Symbolcharakter. Er liegt im Schatten des weltberühmten Doms - und nur ein paar Schritte entfernt vom Bahnhofsplatz, der wegen der "Kölner Silvesternacht" traurige Bekanntheit erlangt hat. Der Kongress tanzt nicht um fromme Wünsche. Die Beratungen finden zum Teil hinter verschlossenen Türen statt und sollen möglichst konkret verlaufen, das pralle Leben fest vor Augen.
So geht es etwa um Probleme und Hilfen bei Rückführung, Ängste und Vorbehalte in Gemeinden sowie die Betreuung von traumatisierten Menschen. Weitere Themen: die seelsorgliche Begleitung von Jugendlichen und "Katholiken aus dem Orient - gemeinsam Vielfalt lernen".
"Ängste dürfen sich nicht ausbreiten"
Mit den jährlichen Treffen will die Kirche ihr Know-how in der Flüchtlingshilfe bündeln und Perspektiven erarbeiten. Sie unterstreicht damit auch, wie wichtig sie das Thema weiterhin nimmt. Vor gut zwei Jahren hatten die deutschen Bischöfe die Position des Sonderbeauftragten für Flüchtlingsfragen neu geschaffen und ihren Hamburger Mitbruder Heße dazu ernannt.
Seitdem hat er zum Beispiel im Libanon und auf Sizilien Lager besucht und beim Thema Migration Position bezogen. In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) im Sommer sprach er von "realen Problemen" und fügte hinzu: "Dafür müssen wir Lösungen finden - auch damit sich Ängste vor Zuwanderung nicht ausbreiten." Dass die Sorge nicht unbegründet ist, zeigen Wahlergebnisse nicht nur in der Bundesrepublik.
Für Familiennachzug
Nach der "Willkommen"-Euphorie weht nämlich auch im Alltag ein neuer Wind. Vorbehalte finden mittlerweile mehr Gehör. Die Integrationskraft vor Ort dürfe nicht überfordert werden, mahnte dieser Tage der Städte- und Gemeindebund. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg wörtlich: "Wir fordern die Bundespolitik auf, sich auch in der Flüchtlingspolitik nur realistische Ziele zu setzen."
Auch die katholische Kirche setzt auf Realismus und pocht keineswegs auf eine unbegrenzte Aufnahme. Diese könne es schon aus praktischen Gründen nicht geben, betont Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Zugleich versteht sich die Kirche "als Anwältin der Flüchtlinge und Schutzbedürftigen". So legt sie Wert darauf, dass Familien von Flüchtlingen einreisen dürfen: "Wer auf Dauer hier ist, muss seine Kinder oder Ehegatten nachholen können", hebt Marx hervor.
Rechtsbeistand bei drohender Abschiebung
Seit Anfang der Krise sind die christlichen Gemeinden vor Ort in der Flüchtlingsfrage zu starken Pfeilern herangewachsen, ohne die vieles zusammenbrechen würde. Sie stellen Wohnungen bereit, helfen beim Papierkram mit Ämtern, schaffen Treffpunkte. Und: Sie kümmern sich um Rechtsbeistand für Menschen, die abgeschoben werden sollen.
Nach offiziellen Zahlen hat die katholische Kirche in Deutschland im vergangenen Jahr fast 130 Millionen Euro in die Flüchtlingsarbeit gesteckt. Die evangelische Kirche spricht ebenfalls von einem dreistelligen Millionenbetrag.
Vatikan schickt Jesuit Czerny
Nun also das Treffen in Köln, wo der Schwerpunkt auf der Seelsorge liegt. Die Wiener Theologin Regina Polak wird an Beispielen schildern, wo und wie Menschen aus verschiedenen Ländern gut zusammenleben. Auch der Vatikan schickt einen Experten. Der Jesuit Michael Czerny arbeitet in der dortigen Migrationsbehörde als "dritter Mann".
Bei früheren Tagungen bemängelte er, dass Migranten oft in die Arme von Schleppern getrieben würden. "Menschen mit irregulärem Status oder ohne Papiere laufen am meisten Gefahr, ausgebeutet und versklavt zu werden." Sein Appell an die Weltgemeinschaft: sichere und legale Wege für Flüchtlinge schaffen.
Dabei weiß er nicht zuletzt Papst Franziskus hinter sich, dem die Probleme von Migranten besonders am Herzen liegen. Auch der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat das Thema zu einem seiner Schwerpunkte gemacht. Am Sonntag feierte er einen Gottesdienst zum Abschluss der Flüchtlingsboot-Aktion, die weit über das Erzbistum hinaus Wellen schlug. Tags drauf dann der bundesweite Gipfel - die Kirche befeuert die Debatte auf vielen Ebenen.