Die 40 geretteten Flüchtlinge der "Sea-Watch 3" sind endlich an Land - das Tauziehen um eine menschengerechte Migrantenpolitik in Europa geht aber weiter. Kapitänin Carola Rackete und ihre Organisation wehren sich gegen die Kriminalisierung durch den rechtspopulistischen italienischen Innenminister Matteo Salvini. Unter diesem Spannungsbogen steht der vierte Katholische Flüchtlingsgipfel, zu dem die Deutsche Bischofskonferenz am Donnerstag rund 100 Experten und Praktiker auf der Zeche Carl in Essen versammelt.
Wie der Fremdenfeindlichkeit widerstehen?
Sie beraten mit dem katholischen Flüchtlingsbischof Stefan Heße über eines der grundlegenden und am "Sea-Watch 3"-Fall deutlich sichtbar gewordenen Problem der Flüchtlingskrise: Wie dem Populismus und der damit verbundenen Fremdenfeindlichkeit widerstehen? Wie gegen Ausländer gerichtete Parolen überzeugend kontern? Dazu will sich der Leiter des "VielRespektZentrums" in Essen und Initiator der "Hotline für besorgte Bürger", Ali Can, äußern. Der deutsch-türkische "Migrant des Vertrauens", der auch den Hashtag #MeTwo gegründet hat, engagiert sich dafür, Deutschen die Angst vor Flüchtlingen zu nehmen.
Zu den Referenten gehört auch der Berliner Theologe und Sozialethiker Andreas Lob-Hüdepohl, unter dessen Leitung die kürzlich veröffentlichte "Arbeitshilfe zum kirchlichen Umgang mit rechtspopulistischen Tendenzen" der Bischofskonferenz entstand. In dem 74-seitigen Text erteilen die Bischöfe populistischen Denk- und Vorgehensweisen, die sich "bis weit in bürgerliche und kirchliche Milieus hinein" fänden, eine unmissverständliche Absage. Sie wenden sich - ohne eine Partei oder Gruppierung zu benennen - gegen eine Instrumentalisierung des Christentums, etwa "wenn solche Bewegungen sich als Verteidiger des Abendlandes inszenieren und wesentliche Aspekte des christlichen Menschenbildes ausblenden".
Zugleich signalisiert die Kirche aber auch Gesprächsbereitschaft und bekundet Verständnis für Verunsicherungen oder Verlustängste. Gerade auch gegenüber Menschen, "die rechtspopulistischen Einstellungen zuneigen", sei Offenheit gefragt, betont das Dokument. Aber: Offenheit bedeute nicht, "alles anzuerkennen und gutzuheißen". Bei "Hass und Abwertung" sei die Gesprächsgrundlage entzogen.
Wie geht Flüchtlingshilfe praktisch?
Seit 2015 veranstaltet die Bischofskonferenz jedes Jahr einen Flüchtlingsgipfel. Ziel ist es, das Miteinander der verschiedenen Religionen und Kulturen zu fördern. Aber es geht auch um Empfehlungen zu konkreten Themen wie Wohnraum, Gesundheit oder Bildung und Tipps für den Alltag.
Wie Flüchtlingshilfe ganz praktisch ablaufen kann, zeigen die vier Initiativen, die am Donnerstagabend im Anschluss an den Gipfel mit dem Katholischen Preis gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ausgezeichnet werden. Der mit 4.000 Euro dotierte erste Preis geht an das Projekt "Global Village: Weltort Lennep". Dabei organisiert die Katholische Pfarrgemeinde Sankt Bonaventura und Heilig Kreuz in Remscheid-Lennep im Bergischen Land für Menschen unterschiedlicher Herkunft Stadtteilführungen. Bei den theatral inszenierten Spaziergängen erzählen Projektmitwirkende an "originalen und imaginären Orten" Geschichten und bieten dazu passende kleine Speisen und Getränke an.
Die beiden zweiten Preise zu jeweils 3.000 Euro erhalten die Katholische Landjugendbewegung Deutschlands (KLJB) und der Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland (BDAJ) für ihre gemeinsame Initiative "Tacheles! Klare Kante gegen Extremismus" sowie die Caritas Schweinfurt für das Projekt "Lesekoffer Flucht und Vertreibung" und weitere Aktivitäten in der Flüchtlingshilfe. Einen Sonderpreis für eine innovative Projektidee (1.500 Euro) erhält das Projekt "Cafe Hoffnung" der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen. So unterschiedlich die einzelnen Aktionen sind, sie haben alle das gleiche Ziel: eine Annäherung über kulturelle Grenzen hinweg.
Von Andreas Otto