Katholischer Priester arbeitet an CDU-Grundsatzprogramm mit

Was heißt "Wohlstand"?

Friedrich Merz hat mehrere Fachkommissionen einberufen, die ein neues Grundsatzprogramm für die CDU vorbereiten sollen. Elmar Nass hat in einer davon mitgearbeitet und versucht, immer wieder das christliche Menschenbild hochzuhalten.

Logo der CDU / © Electric Egg (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Wie lautete denn Ihr Arbeitsauftrag?

Prof. Dr. Elmar Nass (Priester sowie Professor für Christliche Sozialwissenschaften und gesellschaftlichen Dialog an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie und Mitglied einer der CDU-Fachkommissionen): Unsere "Fachkommission Wohlstand" hat den Auftrag gehabt, unter dieser Überschrift ein Thesenpapier zu erstellen, welches dann am Ende in das Grundsatzprogramm einfließen soll.

Wir haben uns, um dieses Thesenpapier erstellen zu können, eine ganze Reihe von Experten dazugeholt, die für uns Vorträge gehalten haben und mit denen wir diskutiert haben. Das waren Vertreter aus Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, Wissenschaftler, die uns in bestimmten Fachbereichen wie etwa Steuer, Industriestandort, Verteilung von Einkommen in unserer Gesellschaft oder neue Technologien auf den neuesten Stand gebracht haben.

Darüber haben wir diskutiert. Wir haben den Wohlstandsbegriff definiert und diskutiert. Die Ergebnisse von all den spannenden Vorträgen und Diskussionen haben wir dann erstmal in ein gemeinsames Papier gegossen.

DOMRADIO.DE: Wohlstand klingt nach florierender Wirtschaft, niedriger Arbeitslosenquote, Mindestlohn. Was ist mit Wohlstand gemeint?

Prof. Dr. Dr. Elmar Nass (privat)
Prof. Dr. Dr. Elmar Nass / ( privat )

Nass: Das hatte ich tatsächlich auch ziemlich am Anfang der Kommission schon angemerkt: Bevor wir über einzelne Sachthemen sprechen, die ganz sicher dazugehören, müssen wir erstmal für uns klären, was Wohlstand eigentlich genau heißt. Das, was Sie aufgezählt haben, gehört alles auch dazu. Aber man muss ein bisschen genauer hingucken.

Deswegen haben wir auch extra zwei Klausurtage in Berlin gemacht, bei denen ich verschiedene Wohlstandskonzepte und verschiedene Begrifflichkeiten vorgestellt habe. Darüber haben wir sehr intensiv diskutiert.

Wohlstand für alle war ja ein großes Ziel von Ludwig Erhard. Da heißt es: Wohlstand ist ein Zustand der Unabhängigkeit. Das hat Ludwig Erhard sehr stark in den Mittelpunkt gestellt. Darauf beruft sich die CDU auch heute noch.

Wohlstand für alle meinte nicht, dass alle mit Wohltaten des Staates bedacht werden. Sondern er sagte, das Ziel müsse es sein, dass die Menschen in der Gesellschaft möglichst unabhängig von Sozialtransfers seien. Damit meinte er diejenigen, die es natürlich können.

Also ist Wohlstand eigentlich auch ein Begriff der Freiheit. Er ist aber auch ein Begriff der Gerechtigkeit und nicht nur materiell zu fassen wenn man etwa die Gerechtigkeitstheorie des modernen Sozialphilosophen Amartya Sen nimmt, der sagt, dass das Materielle allein nicht ausreicht: Was nutzt mir viel Geld, wenn ich mit dem Geld nichts machen kann und nicht weiß, wie ich es einsetzen kann?

Deswegen ist Wohlstand immer auch an eine bestimmte Kulturbildung gebunden, dass die Menschen auch befähigt sind, mit dem, was sie haben, etwas zu machen und es für die Gesellschaft wieder fruchtbringend einzusetzen.

DOMRADIO.DE: Sie haben eben auch das Thema Steuern erwähnt. Deutschland gilt als Hochsteuer-Standort. Ihre Kommission schlägt vor, die Spitzensteuersätze zu erhöhen. Geht dieser Schuss nicht nach hinten los, gerade im Sinne von angestrebten Wohlstand?

Nass: Man muss die Steuerideen, die wir in unser Thesenpapier geschrieben haben, mal genauer anschauen. Ich gebe Ihnen völlig recht: Wir sind Hochsteuerland und die Grundkonzeption, die wir vorschlagen, ist keine Steuererhöhung. Das ist etwas verkürzt in der öffentlichen Wahrnehmung dargestellt worden. Vielmehr wird eine Vermögenssteuer abgelehnt, die Erbschaftssteuer wollen wir dagegen stark vereinfachen und senken. Das ist auch eine wichtige Idee.

Bei der Einkommensteuer, die jetzt so heiß diskutiert wurde, ist der wesentliche Punkt, der in der öffentlichen Diskussion zu kurz kommt, dass wir insgesamt den Mittelstand, die mittleren Schichten entlasten wollen. Wir wollen dass insgesamt die Steuern gesenkt werden und dass sich die Gruppe derjenigen, die den Spitzensteuersatz zahlen sollen, auf die Leute beschränkt, die ein Super-Einkommen bekommen.

Das heißt, wir wollen also die Anzahl derer, die den Spitzensteuersatz zahlen, deutlich verringern und nur auf eine ganz kleine Gruppe der Gesellschaft beschränken. Da halten wir es für richtig, dass es bei diesen Superreichen durchaus akzeptabel ist, einen höheren Steuersatz einzufordern. Aber der Mittelstand soll deutlich entlastet werden.

Prof. Dr. Elmar Nass

"Da halten wir es für richtig, dass es bei diesen Superreichen durchaus akzeptabel ist, einen höheren Steuersatz einzufordern."

DOMRADIO.DE: Sie sind Theologieprofessor und Priester. Wo fließenden ausdrücklich christlich-soziale Positionen in die Thesen der Fachkommission ein?

Nass: Das eine finde ich in der Steuerdiskussion durchaus wieder, dass man im Rahmen der Gerechtigkeit auch sagen kann, dass man von den extrem Reichen durchaus auch im Sinne der Gerechtigkeit und gerechter Verteilung noch einen stärkeren Beitrag einfordern kann.

Zum zweiten war es mir ganz wichtig, den Wohlstandsbegriff nicht nur materiell zu füllen, sondern ihn auch qualitativ mit den Begriffen von Verantwortung und Bildung zu füllen.

Zum dritten war es mir auch im Blick auf den Industriestandort Deutschland, den wir auch in Zukunft stärken wollen, ganz wichtig in die Kommission mit einzubringen, dass wir beim Einsatz neuer Technologien wie etwa künstlicher Intelligenz nicht nur euphorisch sind, sondern sie zwar nutzen, aber hier auch Grenzen sehen und achtgeben und da Einhalt gebieten, wo etwa das Menschenbild in Frage gestellt wird.

Weiterhin wichtig finde ich aus einer christlichen Sicht, dass wir auch weiter eine Erwerbs-Arbeitsgesellschaft fordern und fördern. Aber wir sagen auch, dass eine ehrenamtliche Arbeit in unserer Gesellschaft mehr geschätzt und gewürdigt werden muss. Auch das ist ein starker christlicher Aspekt.

Wir sehen den einzelnen Menschen nicht nur als eine Ressource, sondern als eine Person. Auch darüber haben wir begrifflich diskutiert. Ich konnte auch mit einbringen, dass wir nicht auf diese Begrifflichkeit, die aus dem sehr liberalen Bereich kommt, hereinfallen.

Und dann gibt es natürlich die klassischen Sozialprinzipien der Solidarität und Subsidiarität, auf die wir uns ausdrücklich berufen. Es geht also um einen Ausgleich. Wir wollen keinen Wohlfahrtsstaat, aber wir wollen, dass den Schwachen geholfen wird. Die Arbeitenden sollen am Ende aber mehr bekommen als die, die nicht arbeiten.

Das geschieht aus christlicher Motivation heraus, weil wir Talente haben. Die sollen wir zur Entfaltung bringen. Das soll belohnt werden. Das können wir aus dem christlichen Menschenbild ganz eindeutig begründen.

Prof. Dr. Elmar Nass

"Wir sehen den einzelnen Menschen nicht nur als eine Ressource, sondern als eine Person"

DOMRADIO.DE: Wie geht es jetzt konkret weiter?

Nass: Das Grundsatzprogramm steht jetzt noch nicht fest. Das ist ein demokratischer Prozess in einer demokratischen Partei.

Wir haben jetzt in unserer Fachkommission unter der Leitung von Jens Spahn erstmal unsere Arbeit geleistet, nämlich fristgerecht unser Thesenpapier erstellt. Das geht jetzt in den parteiinternen Prozessen weiter. Da wird dann versucht, die Inhalte, die Thesenpapiere der Kommission miteinander abzugleichen und dann die Schwerpunkte noch mal neu zu justieren.

Dann wird daraus ein Papier entstehen, das einen roten Faden hat. Das wird dann letztlich auf dem Bundesparteitag noch mal diskutiert und verabschiedet.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Programmkommission: Christliches Menschenbild Kern der CDU

Das christliche Menschenbild soll nach dem Willen der CDU-Programm- und Grundsatzkommission auch weiter Grundlage der Partei bleiben. Das geht aus einer in Berlin von der Kommission beschlossenen "Grundwertecharta" zum vierten Grundsatzprogramm hervor. Sie soll das Fundament für die Arbeit von zehn Fachkommissionen bilden, die in den kommenden eineinhalb Jahren das Programm ausarbeiten. Es soll Anfang 2024 verabschiedet werden.

CDU-Logo / © Hendrik Schmidt (dpa)
CDU-Logo / © Hendrik Schmidt ( dpa )
Quelle:
DR