Katholisches Büro NRW begrüßt staatliche Aufarbeitung

Kritische und konstruktive Begleitung

Die SPD in Nordrhein-Westfalen fordert mehr Engagement des Staates bei der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in den Kirchen. Der Leiter des Katholischen Büros NRW begrüßt den Schritt und erlebt einen konstruktiven Dialog.

Symbolbild Missbrauch in der Kirche / © Good Pic (shutterstock)
Symbolbild Missbrauch in der Kirche / © Good Pic ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Heute fand dazu eine Anhörung im Landtag statt. Sie waren bei der Anhörung dabei. Wie war das? Wie haben Sie die Anhörung erlebt?

Antonius Hamers / © Nicole Cronauge (Katholisches Büro NRW)

Dr. Antonius Hamers (Leiter des Katholischen Büros Nordrhein-Westfalen): Das war schon sehr, sehr intensiv. Ich bin froh, dass ich wie bei sonst bei solchen Anhörungen auch Fachleute aus den Bistümern mitnehmen konnte. Mich begleitet haben die Präventionsbeauftragte aus dem Erzbistum Köln, Katja Birkner, und von der Intervention im Bistum Münster Stephan Baumers. Das sind beides ausgewiesene Fachleute, die mich begleitet und unterstützt haben, sodass wir auf die Fragen differenziert antworten konnten – vor allem die Fragen nach der Intervention und der Prävention.

Dabei konnten wir Hinweise auf die Praxis in den fünf Bistümern geben. Gerade was die Prävention angeht, sind wir inzwischen wirklich gut aufgestellt. Da können auch andere Institutionen von uns lernen. Bei der Intervention und insbesondere bei der Aufarbeitung, da wissen wir, da lernen wir noch. Wir wissen aus der öffentlichen Diskussion, dass es da viel Kritik an uns gegeben hat. Das war letztlich auch der Hintergrund dieser Anhörung. Da haben wir versucht, Licht ins Dunkel zu bringen und uns Anregungen zu holen von den Experten, die mit eingeladen waren.

Dr. Antonius Hamers (Leiter des Katholischen Büros Nordrhein-Westfalen)

"Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, deshalb sehen wir auch da den Staat und die gesamte Gesellschaft in der Verantwortung. Insofern begrüßen wir es, wenn der Staat sich da weiter engagiert und weiter in die Verantwortung geht."

DOMRADIO.DE: Unterstützt die katholische Kirche den Antrag der SPD, eine staatliche Aufarbeitungskommission zu fordern und einzurichten?

Hamers: Wir haben hier in Nordrhein-Westfalen immer gesagt und auch auf der Ebene der Bischofskonferenz wird das ja inzwischen auch gefordert, dass wir für eine staatliche Beteiligung im gesamten Bereich sexualisierter Gewalt gegen Kinder, gegen Minderjährige und gegen Schutzbefohlene offen sind.

Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, deshalb sehen wir auch da den Staat und die gesamte Gesellschaft in der Verantwortung. Insofern begrüßen wir es, wenn der Staat sich da weiter engagiert und weiter in die Verantwortung geht.

Da war das natürlich auch ein starkes Zeichen, dass diese Anhörung heute im Plenarsaal des Landtags in Nordrhein-Westfalen stattgefunden hat. Damit wird deutlich, dass die Politik den Blick darauf lenkt und dass eine solche staatliche Aufarbeitungskommission dort diskutiert wird.

Dem werden wir uns selbstverständlich nicht widersetzen, sondern wir werden kooperieren und alles das, was wir in den letzten Jahren durch unsere Gutachten bereits herausgefunden haben, zur Verfügung stellen und konstruktiv mitarbeiten.

DOMRADIO.DE: Erfüllt dieser Antrag nicht auch eine Forderung, die der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz jetzt in Dresden formuliert hat? Bischof Bätzing hat sich dort gewünscht, dass der Staat bei der Aufklärung sexualisierter Gewalt mehr helfen soll.

Hamers: Da befinden wir uns selbstverständlich auch mit der Bischofskonferenz im Gleichklang. Sowohl Bischof Georg Bätzing hat das eingefordert und auch Bischof Helmut Dieser als der zuständige Bischof in der Bischofskonferenz für den Bereich Aufarbeitung.

Auch er hat klar gesagt, dass wir es begrüßen, wenn der Staat sich dort in Form einer solchen Kommission stärker involviert. Wir begrüßen es auf jeden Fall, wenn der Staat stärker dort mit in die Verantwortung und Aufarbeitung geht.

Dr. Antonius Hamers (Leiter des Katholischen Büros Nordrhein-Westfalen)

"Es waren aber immer externe Institutionen, die diese Aufarbeitungen vorgenommen haben."

DOMRADIO.DE: Nun hat der Sprecher der Betroffenengruppe "Eckiger Tisch" bei der Anhörung noch einmal betont, die Kirche könne sich ja nicht selbst aufarbeiten. Das hört sich nach den Erfahrungen des vergangenen Jahrzehnts und den Pannen und Fehlern, die sich da auch die Kirche geleistet hat, plausibel an, oder?

Hamers: Das ist natürlich wahr. Natürlich kann man das nicht selber aufarbeiten. Aber man muss dazu sagen, dass die Aufarbeitungsaufträge, die in den Bistümern erteilt worden sind, immer an Externe gegangen sind. Es ist ja nicht so gewesen, dass wir mit eigenen Kräften Aufarbeitung betrieben hätten, sprich die Gutachten erstellt hätten.

In allen fünf Bistümern, von denen vier bereits vorgelegt haben und das fünfte Bistum dabei ist, eine solche Aufarbeitungsuntersuchung vorzunehmen, waren es immer Externe, die diese Gutachten erstellt haben. Dabei gab es unterschiedliche Schwerpunkte. In Köln und in Aachen waren sie mehr juristisch, in Münster mehr historisch und in Paderborn wird es auch in erster Linie historisch sein. In Essen war es ein sozialwissenschaftlicher Schwerpunkt.

Das kann man kritisieren, dass es unterschiedliche Ansätze gegeben hat. Es waren aber immer externe Institutionen, die diese Aufarbeitungen vorgenommen haben.

DOMRADIO.DE: Wie geht es denn jetzt weiter? Hat der Antrag der SPD reale Chancen, auch umgesetzt zu werden?

Hamers: Dieser Antrag wird jetzt in den zuständigen Ausschüssen weiter diskutiert. Heute war der Hauptausschuss dran, aber der Rechtsausschuss und der Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie waren auch beteiligt. Es gibt zusätzlich im nordrhein-westfälischen Landtag eine sogenannte Kinderschutz-Kommission, die sich sowieso schon dieses Themas des Schutzes von Kindern, Minderjährigen und Schutzbefohlenen vor sexualisierter Gewalt zur Aufgabe gemacht hat.

Diese Kinderschutz-Kommission arbeitet sowieso schon. Insofern gehe ich davon aus, dass auch auf der politischen Ebene in Nordrhein-Westfalen weitere Schritte eingeleitet werden. Inwieweit sich die anderen Fraktionen mit der SPD gemeinsam auf diesen Antrag dann verständigen können, das weiß ich jetzt im Moment nicht. Was ich aber sicher weiß, ist, dass es in Nordrhein-Westfalen auch getragen von den unterschiedlichen Fraktionen weitere Schritte in diese Richtung geben wird.

Dr. Antonius Hamers (Leiter des Katholischen Büros Nordrhein-Westfalen)

"Das, was geschehen ist, in der Öffentlichkeit deutlich zu machen, ist von Vorteil. Gleichzeitig ist es natürlich auch hilfreich, von Externen noch mal gesagt zu bekommen, wo wir noch Handlungsbedarf haben."

DOMRADIO.DE: Haben Sie diese Anhörung heute also als konstruktiv und positiv erlebt?

Hamers: Das war schon eine Herausforderung, wenn man als katholischer Vertreter dabei ist. Man muss sich natürlich auch vielerlei Kritik und vielen Anfragen stellen. Ich bin froh, dass ich da Fachleute aus den Bistümern an meiner Seite hatte und dass wir die Möglichkeit hatten, deutlich zu machen, in welchen Bereichen wir was in den fünf Bistümern schon erreicht haben; immer im Wissen darum, dass noch Luft nach oben ist und dass wir mehr noch unternehmen müssen.

Das, was geschehen ist, in der Öffentlichkeit deutlich zu machen, ist von Vorteil. Gleichzeitig ist es natürlich auch hilfreich, von Externen noch einmal gesagt zu bekommen, wo wir noch Handlungsbedarf haben. Darauf hingewiesen zu werden ist durchaus hilfreich, damit wir in diesem Bereich noch besser werden als wir es an manchen Stellen schon sind.

DOMRADIO.DE: Sind Sie bei den Politikern auch auf offene Ohren gestoßen? Gab es auch eine Bereitschaft zu konstruktivem Dialog?

Hamers: Es ist durchaus die Bereitschaft zu einem konstruktiven Dialog da. Zugleich werden wir natürlich auch sehr kritisch gesehen. Es wird auch kritisch gefragt: Was macht ihr? Erklärt es uns. Und da können wir auch erklären, da können wir auch darstellen. Also es ist durchaus eine kritische Begleitung und zugleich eine konstruktive Begleitung.

Das Interview führte Johannes Schröer.

Katholisches Büro NRW bekräftigt Willen zur Aufklärung

Das Katholische Büro NRW hat in Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen in der Kirche den Willen zu Transparenz und Aufklärung bekräftigt. "Zentral ist, dass Betroffene gehört und ihnen Glaube geschenkt wird. Es braucht eine transparente, konsequente und schonungslose Aufklärung der Tatkomplexe und einen konsequenten Umgang mit den Beschuldigten", hieß es in der Stellungnahme des Katholischen Büros, die am Donnerstag bei einer Anhörung der Kinderschutz-Kommission im Düsseldorfer Landtag vorgelegt wurde.

Landtag in NRW / © Friso Gentsch (dpa)
Landtag in NRW / © Friso Gentsch ( dpa )
Quelle:
DR