DOMRADIO.DE: Wie wichtig ist diese Landtagswahl aus kirchlicher Perspektive?
Antonius Hamers (Leiter des Katholischen Büros NRW in Düsseldorf): Aus kirchlicher Perspektive ist jede Landtagswahl eine wichtige Wahl, weil sie die Möglichkeit gibt, sich an der Demokratie zu beteiligen.
Eine Demokratie lebt davon, dass Menschen zur Wahl gehen und dass sich Menschen zur Wahl stellen. Das ist aus kirchlicher Sicht immer ein wichtiger Akt und dementsprechend haben wir den dringenden Wunsch und den dringenden Appell, dass möglichst viele Menschen zur Wahl gehen.
DOMRADIO.DE: Viele Entscheidungen werden gar nicht auf Landesebene getroffen, sondern auf Bundesebene. Wie wirkt sich die Stimme bei der Landtagswahl überhaupt aus?
Hamers: Es gibt eine ganze Menge Politikfelder, die für uns als Kirche ganz wichtig sind, die auf der Landesebene eine große Rolle spielen. Dazu gehört zum Beispiel der gesamte Bereich der Kinderbetreuung, also sprich die Kindergärten bzw. Kindertageseinrichtungen, der gesamte Bereich der Bildungspolitik, sprich Schulen. Wir haben ja eine ganze Reihe kirchlicher Schulen, nicht nur kirchliche Kindergärten.
Dann sind es Fragen von Religionsunterricht, Fragen von Denkmalschutz. Viele soziale Dinge werden auf Landesebene mitbestimmt, sei es in der Altenhilfe oder bei Krankenhäusern.
Insofern spielen für uns als Kirche in der Landespolitik viele Themen eine wichtige Rolle.
DOMRADIO.DE: Wo gibt es denn große Unterschiede zwischen den Parteien bei diesen kirchlichen Themen?
Hamers: Zunächst mal ist es so, dass alle Parteiprogramme der Parteien, die im Moment im Landtag sind, das Thema Religion aufgreifen. Allerdings kapriziert sich die AfD interessanterweise in erster Linie auf den Islam, während alle anderen Parteien auch darauf hinweisen, welchen wichtigen Beitrag Kirchen und Religionsgemeinschaft zum gesellschaftlichen Zusammenleben in unserem Land beitragen. Insofern ist es ein durchaus positiver Blick auf das Thema Religion oder auch Kirche.
Wichtige Unterschiede sind, dass zum Beispiel bei der FDP und bei den Grünen auch Themen aufgegriffen werden, die durch die Bundesebene vorgegeben sind, nämlich zum Beispiel das Thema der Ablösung von Staatsleistungen.
DOMRADIO.DE: Die Zahl der Kirchenmitglieder nimmt im Moment ab. Viele ethische Fragen bleiben aber, wie die Debatte um Schwangerschaftsabbrüche oder auch Sterbehilfe. Wird der Einfluss der Kirchen dabei kleiner?
Hamers: Sicherlich wird der Einfluss der Kirchen kleiner, umso weniger Menschen sich zu den Kirchen zugehörig fühlen. Das steht außer Frage. Und bei vielen Themen - gerade in diesen Lebensschutz-Themen - wird es sicherlich schwieriger, für unsere Themen zu werben.
Nichtsdestotrotz ist es ganz wichtig, dass wir als Kirche unsere Stimme in der gesellschaftlichen Diskussion erheben und dadurch immer wieder deutlich machen, dass wir etwas zum gesellschaftlichen Diskurs beizutragen haben und gleichzeitig eben auch Impulse aus der Gesellschaft aufnehmen - gerade in dem Bereich des Lebensschutzes.
Auch das spielt durchaus auf Landesebene eine Rolle, weil zum Beispiel die Frage der Schwangerschaftsberatung durchaus auch auf Landesebene geregelt und finanziert wird. Da sind wir präsent, da setzen wir unsere Akzente und machen deutlich, dass der Lebensschutz von Beginn bis zum Ende des Lebens für uns ein ganz, ganz wichtiges Thema ist. Wir zeigen, dass wir da nicht nur theoretisch beteiligt sind, sondern auch durch unsere Dienste, durch unsere Einrichtungen einen wichtigen Beitrag leisten.
DOMRADIO.DE: Wobei immer wieder Stimmen laut werden, die sagen, dass sich die Kirchen aus der Politik heraushalten sollten. Können Sie das nachvollziehen?
Hamers: Nein, das kann ich nicht nachvollziehen. Denn eine offene Gesellschaft, wie die unsere, lebt davon, dass sich die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen am gesellschaftlichen Diskurs und damit an der Politik beteiligen. Und eine wichtige große Gruppe sind wir nach wie vor als Kirche.
Insofern haben wir selbstverständlich zu allen gesellschaftlichen Themen auch etwas zu sagen. Unsere Meinung müssen nicht alle teilen. Aber selbstverständlich dürfen wir, wie alle anderen auch, unsere Positionen, unsere Meinung mit einbringen und können dafür in der Gesellschaft und auch in der Politik werben.
Dafür ist diese Stelle, für die ich hier stehe, ja auch da, dass wir unsere Positionen in die Politik hineinbringen, dafür werben, mitdiskutieren und auf diese Weise unseren Beitrag zu einer pluralen Gesellschaft leisten.
Das Interview führte Hannah Krewer.