Katholisches Büro ordnet Neuansetzung von Berlin-Wahl ein

"Weiterwurschteln beschädigt Demokratie"

Die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus muss wegen gravierender Mängel wiederholt werden. Das dortige katholische Büro glaubt, dass es nun besser läuft. Ein "Weiter so" wäre laut des Leiters eine Gefahr für die Demokratie gewesen.

Franziska Giffey (r, SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, kommt aus dem Rathaus, um sich zu der Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtes zu äußern, wonach die Wahlen zum Abgeordnetenhaus wiederholt werden müssen / © Paul Zinken (dpa)
Franziska Giffey (r, SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, kommt aus dem Rathaus, um sich zu der Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtes zu äußern, wonach die Wahlen zum Abgeordnetenhaus wiederholt werden müssen / © Paul Zinken ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus muss komplett wiederholt werden. Die Abstimmung 2021 sei wegen der Wahlfehler ungültig, erklärte der Berliner Verfassungsgerichtshof. Die Wiederholung muss nun binnen 90 Tagen erfolgen. Kommt diese Entscheidung überraschend oder haben Sie damit schon gerechnet?

Gregor Engelbreth (Leiter des katholischen Büros Berlin-Brandenburg): Es gab schon eine Anhörung des Landesverfassungsgerichts, bei der sich diese Entscheidung abgezeichnet hat. Das Gericht hat gesagt, dass neben den vielen Mängeln, die dokumentiert sind – also fehlende Wahlzettel, unzureichende Zugangsvoraussetzungen – man auch davon ausgehen muss, dass es noch eine Vielzahl weiterer Pannen gegeben habe. Diese Vielzahl der Pannen und der Umfang der Pannen führt dazu, dass man die Wahlen komplett wiederholt.

Berliner Abgeordnetenhauswahl muss wiederholt werden

Klatsche für die Politik, Auftakt für den Wahlkampf und Zittern für Berlins Regierungschefin Franziska Giffey (SPD): Die von zahlreichen Pannen geprägte Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus muss komplett wiederholt werden. Die Abstimmung am 26. September 2021 sei wegen "schwerer systemischer Mängel" ungültig, urteilte der Berliner Verfassungsgerichtshof.

Symbolbild Stimmabgabe an einer Wahlurne / © roibu (shutterstock)
Symbolbild Stimmabgabe an einer Wahlurne / © roibu ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie kann so etwas passieren?

Engelbreth: Es waren letztlich ungünstige Umstände, die dazu geführt haben. Gleichzeitig zur Wahl in Berlin fand der Berlin-Marathon statt. Das führt dazu, dass die Innenstadt blockiert ist, sodass es offenbar Schwierigkeiten gab, Wahlzettel in ausreichender Zahl an die Wahllokale zu verteilen. Es fanden dann gleichzeitig noch die Bundestagswahl und eine Volksabstimmung statt. Die Fülle der Aufgaben hat dann offenbar die Wahlhelfer überfordert.

Dazu haben offenbar viele Wahlhelfer gefehlt. Es gab die Idee, dass man die Tatsache, dass man Wahlhelfer ist, mit einer zusätzlichen Corona-Impfung belohnt bekommt. Einige haben offenbar die Impfung in Anspruch genommen, aber anschließend ihr Amt als Wahlhelfer nicht angetreten.

DOMRADIO.DE: Jetzt hat der Generalsekretär der Hauptstadt-CDU, Stefan Evers, gesagt, das sei auch eine Niederlage für die Regierende Bürgermeisterin Giffey. Sehen Sie das auch so?

Engelbreth: Man muss natürlich sagen, dass die Regierende Bürgermeisterin nicht die Wahl organisiert. Die Wahl wird von einem Wahlamt organisiert. Da hat man sicherlich im Nachhinein festgestellt, dass die nebenamtliche Beauftragung mit der Ausrichtung einer Wahl nicht ausreichend ist und hat da für die neue Wahl Vorsorge getroffen.

Es gibt jetzt einen hauptamtlichen Leiter der Wahlbehörde und es gibt das kommende Mal wesentlich mehr Helfer. Ich denke, die Voraussetzungen dafür, dass es bei der Wiederholung der Wahl besser klappt, sind gegeben. Zumal die Dopplung von verschiedenen Veranstaltungen sich dann bei dem voraussichtlich neuen Wahltermin am 12. Februar 2023 nicht ergeben wird.

DOMRADIO.DE: Sind solche Pannen Ihrer Meinung nach dafür mitverantwortlich, dass die Menschen politikverdrossen werden und auch die Demokratie leidet? Oder nehmen die Berliner das locker?

Engelbreth: Berliner haben einen Hang, vieles locker zu nehmen. Aber es ist natürlich schon ein peinlicher Vorgang, dass das zentrale Recht in der Demokratie, nämlich das Abgeordnetenhaus, also das hiesige Landesparlament, wählen zu können, nun mit so vielen Fehlern behaftet war, dass das nach Meinung des Gerichts komplett wiederholt werden muss.

Ein Demokratiedefizit sehe ich nicht. Ich würde eher denken, dass ein Weiterwurschteln mit einer unsicheren Legitimation des Parlaments die Demokratie mehr beschädigt hätte als diese ohne Zweifel peinliche Wiederholung der Wahl. Aber damit sind die neue Wahl und das neue Ergebnis dann hoffentlich über jeden Verdacht erhaben.

Gregor Engelbreth, Leiter des katholischen Büros Berlin-Brandenburg

"Ich würde denken, dass ein Weiterwurschteln mit einer unsicheren Legitimation des Parlaments die Demokratie mehr beschädigt hätte als diese peinliche Wiederholung der Wahl"

DOMRADIO.DE: Werden Sie vom katholischen Büro aus dazu aufrufen, zur Wahl zu gehen?

Engelbreth: Selbstverständlich. Wie bei jeder Wahl gehen wir davon aus, dass es auch für den mündigen Christen dazugehört, sein Wahlrecht wahrzunehmen. Gerade in einer Situation, wo unsere Demokratie unter Druck steht, ist es wichtig, ein Zeichen zu setzen und ganz bewusst zur Wahl zu gehen.

DOMRADIO.DE: Die Wahl im letzten Jahr ist denkbar knapp ausgefallen. Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Franziska Giffey von der SPD und Bettina Jarasch von den Grünen. Treten die beiden jetzt wieder an?

Engelbreth: Das Paradoxon ist ja, dass es keine Neuwahl im klassischen Sinne ist, sondern dass es praktisch eine Wiederholung der alten Wahl ist. Das heißt, es werden auch keine neuen Listen für die Parteien aufgestellt. Dafür würde auch die Zeit gar nicht reichen und das ist auch rechtlich nicht vorgesehen. Das heißt, es stehen genau die gleichen Kandidaten mit den gleichen Listen wieder zur Wahl. Das ist praktisch eine Wiederholung der Wahl vom September 2021.

DOMRADIO.DE: Wie optimistisch sind Sie, dass es jetzt besser klappt beim nächsten Mal?

Engelbreth: Als Wahltermin kristallisiert sich der 12. Februar 2023 heraus. Das wäre praktisch unmittelbar vor Ablauf der Frist von 90 Tagen am 14. Februar, weil in der Woche zuvor in Berlin auch noch Winterferien wären. Das wäre also auch denkbar ungünstig, dort zu wählen.

Es gibt jetzt mehrere Wochen und Monate Zeit, um das vorzubereiten. Ich bin optimistisch, dass das dieses Mal deutlich besser klappen wird.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Quelle:
DR