DOMRADIO.DE: Fangen wir erst mal mit dem Inhalt des Pakets an. Da drin sind eine Kerze, Weihrauch, ein liturgisches Heft und optional noch ein Kreuz. Das ersetzt aber nicht automatisch den Gottesdienst, oder?
Bruder Wolfgang (Benediktinerabtei Münsterschwarzach): Die Liturgie der Kirche findet ja statt und wird öffentlich in den Medien übertragen. Auch wir streamen Teile unseres Stundengebets und unserer Messfeiern hier in Münsterschwarzach. Aber da ist eine Lücke, die Menschen sind nicht so aktiv beteiligt. Sonst haben wir etwas zum Anfassen, zum Riechen, Gemeinschaft, und das ist alles nicht mehr präsent. Darum geht es uns bei unserem Paket.
Wir brauchen etwas, um an das Erleben christlicher Gemeinschaft anzuknüpfen, so gut es unter den gegebenen Umständen geht. Sie haben dann konkret etwas in der Hand. Deswegen gibt es ein Paket und nicht nur das Heft. Wir versuchen, die Stimmen anderer Menschen über Clips zum Herunterladen und Anhören über die Homepage verfügbar zu machen. Und schließlich gibt es drei Rituale, die zumindest ein bisschen das Erleben beinhalten.
DOMRADIO.DE: Wie kann man sich das vorstellen? Da steht nicht wirklich: erstens Weihrauch, zweitens Beten, drittens Kerze anzüden, oder?
Bruder Wolfgang: Nein, wir geben viele Texte an die Hand, damit das gut daheim funktioniert. Es gibt fixe Elemente, die wir immer dabei haben. Eine Anleitung zum Stillwerden, um einen Rahmen zu schaffen und den Gottesdienst etwas vom Alltag im Wohnzimmer abzutrennen. Texte aus der Heiligen Schrift - das gehört immer dazu - bezogen auf unsere jetzige Situation durch Kommentare und Betrachtungen.
Und schließlich dann den erwähnten Ritualteil, der nochmals einen Aspekt herausgreift und spiegelt. Konkret werden das eine Fuß- oder Handwaschung sein, ein Ritus mit Weihrauch und einer mit Licht.
DOMRADIO.DE: Über die Fußwaschung müssen wir noch mal genauer sprechen. Da kann man sich schwer vorstellen, wie man das Ritual nach Hause holt. Was geben Sie da für eine Idee mit?
Bruder Wolfgang: Wir haben es als Handwaschung formuliert und das passt gut zum Kontext. Momentan waschen wir uns ja ständig die Hände. Genau betrachtet liegt darin ein guter Wunsch. Es soll dir gut gehen, deswegen wasche ich meine Hände. Du sollst gesund bleiben. Das lässt sich verallgemeinern zum Ritual. Da gehört ein bisschen Überwindung dazu. Aber das ist genau dieses Mehr, das über das bloße Zusehen hinausgeht.
Diese zusätzliche Ebene kann ich auch für mich allein einbeziehen: "Bitte Gott, mach, dass ich gesund bleibe." Es ist die Bitte an Gott, aber auch etwas Konkretes, das ich tue. Und damit sendet auch mein Körper eine Nachricht.
Und schließlich hat das auch etwas von Solidarität mit denen, die gerade am meisten Händewaschen, nämlich die, die in Krankenhäusern und Pflegeheimen arbeiten. Ihr Engagement und ihre Hingabe - nicht erst jetzt, aber jetzt besonders - kommen dem sehr nahe, was Jesus im Johannes-Evangelium tut.
DOMRADIO.DE: Es stehen auch Texte in dem Heft, die an die aktuelle Situation angepasst sind. Was war Ihnen bei diesen Texten besonders wichtig?
Bruder Wolfgang: Kein billiger Trost. Das ist, glaube ich, das Gebot für die Kirche in der aktuellen Situation. Auf Auferstehung muss man warten können. Leid zeigt sich momentan ganz schmerzhaft und konkret in den Leben von allen. Da ist dieses Eingesperrtsein mit all seinen Konsequenzen. Da ist Angst und Freunde. Vielleicht auch Trauer, wenn Menschen sterben, die mir nahe waren. Allgemein ein mulmiges Gefühl, dass alles in Grau erscheinen lässt. Theologisch spricht man dann vom Schatten des Todes.
Und es mag stimmen, aber es hilft mir nicht, wenn einer sagt: "Das wird schon wieder." Das ist gut gemeint, aber zu billig. Unter dem Kreuz herrscht Fassungslosigkeit. Die Jünger laufen weg. Man klagt um Jesus, weil er gestorben ist. Und da setzt Ostern ein und wir im Kloster wissen noch, dass das ein leises Einsetzen ist. Ich nenne das einen tapferes Trotzdem irgendwo ganz tief in uns.
Wir sprechen gerne vom Osterlicht. Aber das ist gerade kein Osterlicht. Das ist eine Osterdämmerung, die dauert, und die dauert viel zu lang, bis irgendwann doch die Sonne aufgeht. Christsein heißt dann, sich immer wieder zu entscheiden, dass die letzte Wahrheit nicht der Schatten des Todes ist, sondern das Osterlicht. Und unsere Gottesdienste für daheim sind so eine Art Trainingsanleitung dafür. Und ich glaube, das ist uns ganz gut gelungen.
Das Interview führte Michelle Olion.