In Nicaragua sind bei den seit Monaten anhaltenden Protesten gegen die Regierung des sandinistischen Präsidenten Daniel Ortega erneut zwei Menschen getötet worden. Wie die regierungskritische Tageszeitung "La Prensa" berichtet, eröffneten paramilitärische Kräfte der Regierung am Wochenende das Feuer auf die Nationale Autonome Universität (UNAN) in Managua. Dort hatten sich oppositionelle Studenten verschanzt. Später wurde auch eine Kirche in der Nähe unter Beschuss genommen, in die sich Dutzende Studenten geflüchtet hatten. Nach Lesart der Regierung handelt es sich bei den Opfern um "Terroristen", die den Versuch eines Staatsstreichs unterstützten.
Suche nach Zuflucht in der Kirche
"Ich habe nur noch gedacht, dass wir sterben", sagte Valeska Sandoval (20) der Tageszeitung "El Nuevo Diario". Sandoval gehörte zu der Studentengruppe, die gemeinsam mit einigen Journalisten und Priestern in der Kirche Divina Misericordia am Rande des Campus Zuflucht gesucht hatte. "Wir hätten uns die Wucht dieses Angriffes niemals vorstellen können", berichtete ein Kommilitone.
In den Wochen zuvor hielten Studenten der UNAN einen Teil des Universitätsgeländes besetzt, um eine Restrukturierung der Studentenorganisation UNEN zu fordern - ein politischer Arm der sandinistischen Regierungspartei FSLN. Nun griffen die Milizen mit aller Härte durch. Der Beschuss der Regierungstruppen dauerte nach Angaben von "La Prensa" insgesamt 18 Stunden. Auch die Kirche neben der Uni verschonten die Milizen nicht.
"Grenze zu Inhumanität und Unmoral überschritten"
Am Samstag machte sich eine hochrangige Kirchendelegation mit Kardinal Leopoldo Brenes und Nuntius Waldemar Sommertag auf den Weg zu dem Gotteshaus, um freies Geleit für die eingeschlossenen Personen zu erreichen. Mit Erfolg: Managuas Weihbischof Silvio Baez teilte via Twitter mit, dass die Studenten aus der Gefahrenzone in die Kathedrale von Managua gebracht worden seien. Zudem setzte die Delegation durch, dass Rettungswagen Verletzte in Krankenhäuser bringen durften. Wenig später kamen auch Mitglieder der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) und UN-Vertreter in das Kampfgebiet. Die Bilanz am Ende der Belagerung: zwei Tote und viele Verletzte.
In einer Reaktion auf die neuerliche Gewalt übten Nicaraguas Bischöfe scharfe Kritik an der Regierung Ortega und riefen für nächsten Freitag zu einem gemeinsamen Fasten auf. Dieser Tag solle auch ein Aufruf zum Umdenken an jene Kräfte in Polizei, Militär und Verwaltung sein, deren Gewissen sie leite, das Vorgehen der Regierung nicht mehr mitzutragen.
Die Proteste in Nicaragua entzündeten sich Mitte April an einer inzwischen zurückgenommenen Rentenreform. Anschließend richteten sich die Demonstrationen gegen die Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit sowie gegen die staatlich ausgeübte Gewalt. Inzwischen fordern Vertreter der Zivilgesellschaft den sofortigen Rücktritt von Präsident Ortega. Der wirft den Regierungsgegnern vor, einen Putsch vorzubereiten und nennt die Demonstranten "Terroristen". Seit Ausbruch der Proteste kamen rund 350 Menschen ums Leben, 2.100 wurden verletzt. Ein "nationaler Dialog" unter Federführung der katholischen Kirche strebt eine Lösung der Krise an, wird aber durch die Gewalt immer wieder unterbrochen.