Kirchenwaldförster erklärt Notwendigkeit lebendiger Wälder

"Keine eierlegende Wollmilchsau"

Unter dem Motto "Waldsterben 2.0" treffen sich Experten noch bis diesen Freitag, um das vorgenannte Problem in den Fokus zu rücken. Matthias Drexler ist Kirchenwaldförster und erklärt, wie sich das Waldsterben noch aufhalten lässt.

Baumstümpfe von abgestorbenen Fichten / © Christopher Beschnitt (KNA)
Baumstümpfe von abgestorbenen Fichten / © Christopher Beschnitt ( KNA )

DOMRADIO.DE: "Waldsterben 2.0" ist das Thema dieses Gipfels. Vor kurzem gab es schon den offiziellen Waldgipfel, den Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner veranstaltet hat. Was unterscheidet diese beiden Gipfel und warum brauchen wir ein "2.0"?

Matthias Drexler (Kirchenwaldförster der Diözese Passau): Der Wald, da besteht Einigkeit, hat im momentanen Klimawandel große Probleme. Vor allem das Artensterben und das Massensterben sind da zu nenenn. Die Fragen spalten: Will man mit der klassischen Forstwirtschaft weitermachen, worin das oberste ökonomische Betriebsziel besteht? Die Nachhaltigkeit der Holzerträge ist stark nachgefragt.

Oder will man, wie wir in der Kirche in Passau auch als oberstes Ziel festgesetzt haben, den lebendigen Wald, das Ökosystem Wald fördern, den Erhalt und den Ausbau der Biodiversität fördern? Das sind, glaube ich, auch die großen Unterschiede in der Diskussion.

DOMRADIO.DE: Deshalb sind Sie jetzt bei dem "Waldgipfel 2.0." dabei?

Drexler: Ja, ich höre mir das gerne an. Wir sind eher auf Peter Wohllebens (Förster und Autor, Anm. d. Red.) Seite und auf der Seite der Spezialisten, die das Ökosystem Wald fördern wollen, weil wir gerade als Kirche natürlich die Schöpfungsverantwortung haben. Wir haben diese Ziele 2014 neu festgesetzt und werden auch von unserem Finanzökonom, dem Finanzdirektor der Diözese Passau, bestärkt. Er sagt, wenn wir das System, den lebendigen Wald fördern und stabilisieren, dann haben wir Betriebssicherheit und können mittel- bis langfristig das hochwertige Holz nutzen.

Aber uns ist wichtig, das Ökosystem Wald an sich zu stützen und zu stärken. Und da haben wir Defizite, auch bei uns in Passau. Wir haben einen Mangel an alten Bäumen, wir haben einen Mangel an Totholz. Wir haben ein Magel an Biotopbäumen, sturkturreichen, vielseitigen Wäldern. Die Lebensgemeinschaft ist teilweise stark bedroht in der heutigen Situation.

DOMRADIO.DE: Für viele Förster ist ja der Borkenkäfer das eigentliche Problem. Und Waldökologen machen die Forstwirtschaft selbst für die Schäden verantwortlich. Wo stehen Sie da?

Drexler: Wir arbeiten eng mit dem Nationalpark Bayerischer Wald zusammen. Dort sind große Katastrophengebiete mit dem Borkenkäfer. Der Leiter der Forschung, Herr Professor Müller, hat da eine ganz einfache Formel aufgestellt: "Borkenkäfer" ist gleich "große Hitze und fichtendominierte Bestände". Das ist ganz einfach. Wir haben zuviel Fichte.

Deutschland ist im Norden durch Kiefernreinbestände dominiert und im Süden durch fichtendominierte Bestände. Wir müssen versuchen, unseren Wald an die natürliche Waldgesellschaft anzupassen. Und die ist bei uns nun mal Laubwald. Wir müssen die Laubanteile von Buche, Eiche und sonstigen heimischen Baumarten deutlich erhöhen. Dann haben wir auch kein Problem mehr mit dem Borkenkäfer.

DOMRADIO.DE: Was haben Sie denn bei dem Gipfel besprochen? Welche Aspekte wurden in den Vordergrund gerückt?

Drexler: Wir fühlen uns in unserer Zielsetzung, in unserem Weg zu lebendigen Wäldern bestätigt, dass wir das Ökosystem Wald fördern müssen. Und vor allem, auch das ist ein ganz wichtiger Aspekt für die Kirche und das bestätigt auch die Umweltenzyklika "Laudato Si" von Papst Franziskus: Verzicht ist ganz wichtig.

Wir müssen sparen. Wir müssen Energie sparen und wir müssen Holz sparen, weil der Wald keine eierlegende Wollmilchsau ist. Das ist ein Ökosystem und man kann es, darf es nutzen. Aber man darf es nicht übernutzen. Man muss Raum für viel Leben, für Vielfalt im Wald geben. Das war der Grundtenor der Spezialisten und Wissenschaftler.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR
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