domradio.de: Sind Sie betroffen?
Ulrich Beckwermert (Regens des Priesterseminares im Bistum Osnabrück): Schon. Die Zahl der Priesteramtskandidaten ist zwar nicht nur bei uns im Bistum Osnabrück zurückgegangen, sondern insgesamt, aber unser Bistum ist kleiner, und da merkt man den Ausfall natürlich viel deutlicher. Zurzeit haben wir vier Priesteramtskandidaten. Das sind viel zu wenige, aber wir müssen mit der Situation leben. Es wäre sicher ein Fehler, wenn wir unsere Standards verändern würden und sagen, wir haben wenige Priesteramtskandidaten, dann nehmen wir einfach jeden, der sich bewirbt, egal wie er ist. Das dürfen wir nicht machen. Wir müssen die Situation jetzt gestalten. Dadurch, dass es jetzt keine Priesterweihe gibt, wird es auch im Bistum deutlicher wahrgenommen, dass wir in der Tat Priestermangel haben.
domradio.de: Haben Sie eine Erklärung dafür, dass niemand mehr Priester werden will?
Beckwermert: Es stimmt ja nicht, dass niemand mehr Priester werden will. Es gibt ja immer noch Einzelne, die Priester werden wollen. Das sind sehr unterschiedliche Männer mit unterschiedlichen Biografien. Die Selbstverständlichkeit, dass es Jahrgänge mit zehn, 20 oder 30 Anwärtern gibt, die haben wir nicht mehr. Es hängt sicher damit zusammen, dass wir insgesamt in der Gesellschaft einen Bedeutungsverlust der Kirche zu verzeichnen haben. Was Kirche einmal früher in der Wahrnehmung darstellte, das ist sie heute nicht mehr.
Man darf nicht vergessen, dass wir auch Skandale in der katholischen Kirche gehabt haben, teils heftig befeuert von den Medien. Die sind nicht spurlos an uns vorübergegangen. Von daher entsteht ein Gesamtbild, das es immer schwieriger macht zu sagen: "Ich stelle mich jetzt als Priester zur Verfügung." Es ist ja nicht nur einfach ein Beruf, den man über ein paar Jahre macht, sondern es ist eine Berufung, eine Lebensentscheidung. Und es hängt mit der zölibatären Lebensform zusammen, die in unserer Gesellschaft - ich sage es mal ganz positiv - auf wirklich wenig Verständnis stößt.
domradio.de: Wer fühlt sich denn berufen? Was für Menschen kommen ins Priesterseminar?
Beckwermert: Das sind Männer, die gläubig sind. Menschen, die sich mit dem Glauben auseinandergesetzt haben, und die das immer intensiver getan haben, die in der Kirche leben und zu der Entscheidung kamen: Ich beginne zunächst einen Ausbildungsweg. Das ist entscheidend. Es geht nicht darum, dass alle sofort zu Priestern geweiht werden, sondern dass sie zunächst einen Ausbildungsweg gehen, der gleichzeitig ein Prüfungsweg ist.
Heute kommen sehr unterschiedliche Männer. In der Regel kommen sie nicht gleich vom Abitur ins Priesterseminar, sondern haben bereits Auslands- und Berufserfahrung oder erweiterte Schul- oder Studienerfahrung gemacht. In der Regel sind sie viel älter als 25 oder 30 Jahre, manche sind älter als 40 oder sogar 50. Das ist insofern auch ganz gut, denn das sind Männer, die sich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt haben. Es sind eben nicht 20-jährige, die das einmal probieren und vielleicht schnell wieder abbrechen können.
Früher waren die Jahrgänge zwar viel größer, aber auch die Zahl derer, die das Studium dann nicht beendet haben, war höher. Wenn jemand im Priesterseminar feststellt, dass er keine Berufung zum Priester hat, sondern zur Ehe, dann hat die Priesterausbildung an dieser Stelle richtig und gut funktioniert, weil es zu einem guten Klärungsprozess gekommen ist.
domradio.de: Wäre eine Art Werbekampagne für den Priesterberuf denkbar?
Beckwermert: Das ist alles schon versucht worden. Aber das bewegt sich meiner Meinung nach immer am Rande der Lächerlichkeit. Ich glaube, wir können Berufungen nicht erzwingen. Man muss die Situation so nehmen, wie sie ist, und wir müssen auch - so beten wir ja auch in einem Hochgebet - die Zeichen der Zeit erkennen. Damit ist der Priestermangel nicht gutgeredet. Es bleibt ja ein Mangel, und wir wollen diesen Mangel nicht. Aber wir müssen auch sehen, was in der Kirche geschehen ist, dadurch dass wir weniger Priester haben und was der Geist uns dadurch sagen will.
Vielleicht müssen wir noch viel intensiver darüber nachdenken, warum wir diese Entwicklungen haben. Man erlebt in den Gemeinden ja auch, wenn sie dann weniger Priester haben, wenn Gemeinden zusammengelegt werden, dass es auch Entwicklungen gibt, in denen Laien sich nochmal ganz anders angesprochen fühlen. Das muss man alles miteinander sehen und anschauen. Ich denke, wenn wir nicht nur Trübsal blasen und sagen: "Es geht alles zurück, es kommen immer weniger Leute", sondern auch das Positive in dieser Zeit entdecken, dann werden wir erleben, dass Leute wieder Freude an der Kirche haben.
Die Leute, die heute Priester werden und die Leute, die heute in den Gemeinden arbeiten, sind keine frustrieren Menschen. Meine Erfahrung ist, dass es Menschen sind, die oft ganz viel arbeiten müssen und manchmal ganz erschöpft sind, aber auch sehr viel Freude an ihrem Dienst haben. Der Priesterberuf ist ein unglaublich sinnvoller, schöner Beruf, weil man da immer mit Menschen zu tun hat. Man hat immer mit ganz wichtigen, existenziellen Erfahrungen zu tun, weil es ganz oft um das Thema Dankbarkeit geht. Man spürt, dass man mit dem Evangelium, mit der frohen Botschaft Menschen auch trösten kann, weil es um diese wichtige Frage nach der Begegnung mit Gott geht. Ich erlebe bei den Priestern hier im Bistum Osnabrück ganz wenig Frustration. Ich erlebe viel Arbeit und Erschöpfung, aber ich erlebe auch viel Begeisterung und Freude.
Doch noch einmal zurück zu den Werbekampagnen: Die beste Werbung Priester zu werden, sind fröhliche Christinnen und Christen, die einfach in den Gemeinden und der Kirche mitmachen und so zeigen, dass wir in einer lebendigen Kirche leben.
domradio.de: Glauben Sie, im Jahr 2018 wird es im Bistum Osnabrück wieder Priesterweihen geben?
Beckwermert: Ich hänge mich mal ganz weit aus dem Fenster: Wir haben 2018 eine Priesterweihe.
Das Gespräch führte Heike Sicconi.