Im Bürgerkriegsland Jemen verschärft sich wegen der Sommerhitze die Lage noch weiter. "Die Cholera-Gefahr steigt wieder", sagte die Geschäftsführerin und Vorstandsvorsitzende der Organisation Save the Children Deutschland, Susanna Krüger, dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Fast drei Viertel der Menschen im Land seien abhängig von humanitären Hilfsgütern.
Kinder sind anfälliger
"Für das ohnehin schon ausgemergelte System und die ausgemergelten Menschen, die weniger Widerstandskräfte haben, wird die Situation noch mal schwieriger", erklärte Krüger. Kinder seien besonders anfällig für die Durchfallerkrankung, die unbehandelt tödlich sein kann. "Unsere Mitarbeiter sehen täglich völlig mangelernährte Kinder und Säuglinge, die kurz vor dem Tod stehen."
Die von Saudi-Arabien geführte Militärallianz habe bei ihren seit mehr als drei Jahren andauernden Luftangriffen alle wichtigen Strukturen im Land systematisch kaputt gebombt, sagte Krüger, die im Mai den Jemen besuchte. Dazu gehörten auch Krankenhäuser und Schulen sowie Elektrizität und Wasserversorgung.
Dicht besiedelte Städte
Auf den Straßen im Jemen sehe man Zeltstädte, in denen die Binnenflüchtlinge lebten, sehr viele Bettler und "unglaublich viele Kinder". Kindern begegne man auch oft, wenn man aus der Stadt heraus fahre: "als Kindersoldaten an den Checkpoints". Für die Menschen im Jemen gebe es keinen Fluchtweg. "Oben ist der Feind und unten das Meer", sagte Krüger.
Eine weitere Eskalation befürchtet die Geschäftsführerin der Kinderhilfsorganisation insbesondere auch in der Hafenstadt Hodeidah am Roten Meer. Dort drohe eine Offensive gegen die Huthi-Rebellen, die jüngst durch internationalen politischen Druck aufgehalten worden sei. "Hodeidah ist sehr dicht besiedelt mit einer verschlungenen Innenstadt. Die meisten Häuser haben keine Keller", sagte Krüger.
Häuserkampf und schlechte Entlohnung
"Wenn es da eine Offensive gibt, dann herrscht Häuserkampf." Die rund 400.000 Menschen hätten keine Möglichkeit, sich zu verstecken.
Krüger zeigte sich indes beeindruckt, dass viele Jemeniten auch ohne Bezahlung weiterarbeiteten. Es gebe beispielsweise viele Lehrer, die staatlich beschäftigt seien, seit zwei Jahren aber kein Gehalt mehr bekämen und dennoch Unterricht anböten. Auch viele Ärzte behandelten ihre Patienten inzwischen kostenfrei. "Diese Leute arbeiten tagsüber ohne Bezahlung in ihrem alten Job und machen nachts etwas, um Geld zu verdienen."
Dennoch hätten inzwischen 70 Prozent der Kinder, etwa vier Millionen Jungen und Mädchen, die auf staatliche Schulen gegangen seien, keinen Unterricht mehr. Save the Children habe daher Lernzentren eingerichtet, in denen auch für die vielen binnenvertriebenen Kinder zumindest für einige Stunden Unterricht angeboten werde. Die Hilfsorganisation ist mit fast 2.000 Mitarbeitern im Jemen aktiv.