Von "Kipp-Elementen" spricht Jessica Strefler. Die Forscherin vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung meint damit Teile des globalen Klimasystems, die sich dauerhaft verändern, wenn ein gewisser Punkt erreicht ist. Der Amazonas-Regenwald ist so ein Kipp-Element, mit fatalen Folgen für das Weltklima.
"Tudo esta interligado - alles ist miteinander verbunden" - dieses Lied eines brasilianischen Liedermachers singen die rund 120 Teilnehmer der dreitägigen Fachtagung zur Amazonas-Synode immer wieder. Es hätte das Motto in Würzburg sein können.
"Schutz des gemeinsames Hauses"
Der "Schutz des gemeinsames Hauses" war ein zentraler Punkt der Amazonas-Synode. Das hören die Teilnehmenden von den Augen- und Ohrenzeugen des Bischofstreffens. Und wie notwendig die Bewahrung der Schöpfung im Amazonas-Gebiet ist, zeigen die Fotos der Ordensfrau Fatima Sousa Paiva, die die Zerstörung der Region durch Bergbau dokumentieren.
Die Konsequenzen daraus für Kirche und Menschen jenseits des Gebiets sind für den Provinzial der Comboni-Missionare in Brasilien, Dario Bossi, klar: Wenn für die Gewinnung von einem Gramm Gold 20 Tonnen Erde verschmutzt werden, dann muss Schluss sein mit goldenen Eheringen oder neuem goldenen liturgischen Gerät. Und es sei Geld aus jenen Unternehmen zu ziehen, die ihre Gewinne mit zweifelhaften Methoden erreichten.
Bündnisse schmieden
Kirche muss Bündnisse schmieden, um den Raubbau am gemeinsamen Haus zu beenden - das ist stets zu hören auf der Tagung, die die kirchlichen Hilfswerke Adveniat und Misereor mit den Bistümern Hildesheim und Würzburg veranstalten. Bischof Bernardo Johannes Bahlmann ruft zur Allianz aus Wissenschaftlern, Religion und Jugend auf. Der deutsche Franziskaner ist seit 36 Jahren in Brasilien, mittlerweile Oberhirte der Würzburger Partnerdiözese Obidos.
Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel erzählt von der Klage Betroffener eines Staudammbruchs in Deutschland gegen die Verantwortlichen von TÜV Süd. Mitarbeiter hatten dem Bauwerk vier Monate vor dem Unglück die Sicherheit bestätigt. Als Hilfswerk unterstütze man nun die Angehörigen der mehr als 270 Toten im juristischen Vorgehen, das sie aber selbst führen. Es brauche den Protest mit "amazonischem Gesicht".
Die spezifische Situation in der Region spielt auch eine Rolle, wenn es um die Bewertung der Synodenbeschlüsse zu innerkirchlichen Veränderungen geht, etwa der Empfehlung, bewährte verheiratete Männer zu Priestern zu weihen. Der frühere Bischof von Xingu, Erwin Kräutler, berichtet von Gemeinden, in denen zwei-, dreimal im Jahr ein Priester vorbeikommt, der aber nicht da ist, wenn Geburten gefeiert oder Tote betrauert werden müssen.
Der gebürtige Österreicher lässt wie viele andere Teilnehmer durchblicken, dass er sich weitreichendere Beschlüsse gewünscht hätte, etwa ein Plädoyer für das Diakonat der Frau. In über 70 Prozent der Gemeinden im Bistum Obidos stünden Gemeindeleiterinnen an der Spitze, berichtet Bahlmann. "Wir müssen diesen Dienst, der oft auch ein diakonischer Dienst ist, wertschätzen und offiziell anerkennen."
Sind diese Beschlüsse für die Weltkirche auch Kipp-Elemente im positiven Sinne für jene Katholiken, die sich Reformen in Deutschland wünschen? Natürlich hätten sie Auswirkungen, sagt Kräutler. Bahlmann ist zurückhaltender. Es stehe ihm nicht zu, sich zu Problemen der Kirche in Europa zu äußern. Zugleich wirft er Kritikern der Synode vor, sich zu äußern, ohne die Umstände in Amazonien zu kennen. "Mein Eindruck ist, dass sie keine Ahnung haben."
Ermunterung zur Selbstverpflichtung
Konkret wird es noch einmal am Freitagmorgen. Nach dem Gottesdienst mit dem Würzburger Bischof Franz Jung, der sich einen ganzen Tag Zeit nahm, um bei der Tagung zuzuhören, unterzeichnen etwa die Hälfte der Teilnehmenden den bei der Amazonas-Synode geschlossenen Katakombenpakt. Darin geht es um einen ressourcenschonenden Lebensstil, den Schutz der Schöpfung sowie um ein synodales Miteinander in der Kirche. Man möge sich die Unterschrift reiflich überlegen, mahnte zuvor Adveniat-Hauptgeschäftsführer Michael Heinz:
Dies sei keine einfache Solidaritätserklärung, sondern eine Verpflichtung, auch entsprechend selbst so zu leben.