Kippa, Krönchen, Krätzchen: Der nach eigenen Angaben bundesweit einzige jüdische Karnevalsverein "Kölsche Kippa Köpp" hat am Sonntag seine erste öffentliche Sitzung gefeiert. In Köln kein Grund zum Staunen, denn die Karnevalssession beginnt bekanntlich am 11.11. Wer gedanklich noch ein bisschen beim Chanukkaleuchter oder Christbaum weilt, ist hier schnell auf dem Boden karnevalistischer Tatsachen: Die Garde der Blauen Funken marschiert mit Trommeln, Becken und Flöten quer durch die Synagoge, das Funkenmariechen schwingt die Beine, und überall schunkeln Clowns, Engel und Bienen.
Im vergangenen Jahr hatte sich der neue Verein nur geladenen Gästen vorgestellt - jetzt ist die mehrstündige Sitzung unter dem Motto "Falafel und Kölsch" zum ersten Mal offen für alle Jecken, egal ob jüdisch oder nicht. Rund 200 Gäste sind da - auch von weiter her, wie der Präsident der "Kölsche Kippa Köpp", Aaron Knappstein, ergänzt.
"Wir sind mittendrin"
"Wir wollen explizit sagen, dass wir nicht anders sind", betonte er 2019. Und: "Wir sind mittendrin." Nicht zuletzt deshalb, weil einige Mitglieder schon lange in etablierten Vereinen im Kölner Karneval aktiv sind. Und: Die "Kölsche Kippa Köpp" wachsen. Waren es vor etwa einem Jahr 14 Mitglieder, sind es Knappstein zufolge aktuell 39, inklusive der Fördermitglieder. Mitmachen können auch Nichtjuden.
Auch wenn die traditionellen Karnevalslieder rauf und runter gespielt und gesungen werden, in der Bütt Autoritäten ihr Fett abkriegen und zum Frühschoppen Kölsch ausgeschenkt wird, ist hier, in einem Saal der Kölner Synagogen-Gemeinde, nicht alles so wie auf anderen Sitzungen.
Zuerst müssen die Besucher durch die Sicherheitskontrolle am Eingang des Gotteshauses, die die jüdischen Gläubigen schon lange kennen. Die Sitzung beginnt zwar um 11.11 Uhr, aber zuvor wird zur Führung durch die Synagoge eingeladen, in der es auch einen Gedenkort für die Opfer der Schoah gibt. Zwischen dem Gardeauftritt und dem Falafel-Büfett ruft Präsident Knappstein ein dreifaches "Alaaf" auf die Sicherheitsleute aus und singt später solo ein feines Lied einer früheren jüdischen Karnevalsgröße. Und neben den weiß-blauen, Krätzchen genannten Mützen und goldenen Krönchen ist auch die traditionelle jüdische Kopfbedeckung Kippa zu sehen.
Liebe und Humor
Knappstein beobachtet, dass der neue Verein bisher eher außerhalb der jüdischen Gemeinschaft wahrgenommen wird: "Aber wir wollen den Karneval auch in die jüdische Gemeinschaft hineinbringen." Der Verein versteht sich in der Tradition des "Kleinen Kölner Klubs", der in den 1920er Jahren gegründet und von jüdischen Mitgliedern geprägt wurde. Die neuen "Kölsche Kippa Köpp" sind zwar mit einem eigenen Auftritt im Kölner Rosenmontagszug auch in diesem Jahr nicht dabei. "Aber vielleicht wird es ja etwas 2021", meint Knappstein schmunzelnd. Denn 2021 ist das große Festjahr zu 1.700 Jahren jüdischen Lebens in Deutschland.
Apropos: Gefeiert wird in der nach eigenen Angaben ältesten jüdischen Gemeinde nördlich der Alpen. Neu gegründet nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, ist die Kölner Gemeinde eine orthodox geführte Einheitsgemeinde und derzeit eine der größeren bundesweit. Hier steht am Sonntag Willibert Pauels, Kölner Diakon und Karnevalsredner, auf der Bühne, preist die Liebe und den Humor, der die Angst besiegt, piekst mit kleinen Spitzen gegen christliche Würdenträger und Symbole und gibt Witze mit interkulturellen Anspielungen zum Besten.
Die fünfte Jahreszeit ist in den Karnevalshochburgen eine verrückte Zeit. Felix Schotland vom Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln sieht aber auch andere verrückte Zeiten und meint aktuelle Erscheinungen, zu denen der Antisemitismus gehört - gegen den die "Kölsche Kippa Köpp" zum Sessionsauftakt am 11.11. eine "Applausminute" anberaumten. "Wir sind nicht erst seit gestern hier. Wir gehören zur Kölner Gesellschaft seit 1.700 Jahren", ruft Schotland mit einem bunten Schal um den Hals ins Publikum. Er wirbt für gemeinsame Bemühungen um Demokratie und Toleranz. Und: "Denkt dran, wir alle sind Kölle." Und Knappstein schließt die Sitzung mit "Kölle Alaaf" und "Schalom".