domradio.de: Wie muss ich mir das vorstellen - wie läuft so eine Unterschriften-Übergabe ab?
Beate Bäumer (Leiterin des katholischen Büros in Kiel): Es sind ja insgesamt 42.021 Unterschriften, die haben wir zu Päckchen gepackt und jeweils ein Band in Schleswig-Holstein-Farben drumgewickelt und dann haben neun Personen aus dem Initiativkreis je ein Päckchen in der Hand gehabt und das dem Landtagspräsidenten übergeben. Man muss sich vorstellen, der Schleswig-Holsteinische Landtagspräsident ist nicht besonders groß, insofern hatte er schon ganz gut zu tragen. Es war eine sehr gute Stimmung und alle waren ganz beeindruckt von diesem Super-Ergebnis und auch erleichtert, dass das jetzt so schnell geklappt hat.
domradio.de: Vielleicht noch mal kurz zum Hintergrund: 2014 hatte die Aufnahme des Gottesbezuges in die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein keine Mehrheit im Landtag gefunden. Die Volksinitiative hat jetzt gezeigt, dass sich viele Menschen im Land damit nicht abfinden wollten - und zwar Menschen nicht nur unterschiedlicher Konfessionen, sondern auch unterschiedlicher Religionen. Was zeigt das in Ihren Augen?
Bäumer: Es zeigt zum einen, dass die Menschen sehr genau gucken, was da genau im Land beschlossen wird und zum anderen, dass sie sich nicht mit allem zufrieden geben. Diese Volksinitiative ist ja daraus entstanden, dass die Menschen eben unzufrieden waren und gesagt haben: Das kann so nicht sein. Daraufhin haben sich dann viele zusammengefunden und ich finde, es ist ein tolles Zeichen, dass es religionsübergreifend gelingen konnte, also mit Juden, mit Muslimen, Katholiken und Protestanten. Das hat uns auch noch mal sehr nah zusammengebracht. Wenn sie mit denen auf der Straße stehen, und das habe ich, und Unterschriften sammeln, das ist schon ein besonderes Erlebnis. Wir haben uns auch bei vielen Treffen über den Glauben erzählt und wir sind uns da sehr nahe gekommen. Der frühere Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, der auch in dem Kreis mit dabei ist, hat gesagt, es sind schon Freundschaften entstanden und ich glaube, dieses Verbindende ist ein großes Zeichen und natürlich die vielen Menschen aus Sport, Politik und Gesellschaft, die die Aktion auch aus ganz unterschiedlichen Motiven unterstützt haben, auch Atheisten waren dabei – es waren viele Bekenntnisse auf breiter Ebene. Das hat mich sehr beeindruckt. Und es gab eine sehr ernsthafte Diskussion seit letztem Herbst.
domradio.de: Wie geht es jetzt weiter - es sind viel mehr Unterschriften zusammen gekommen als nötig gewesen wären - jetzt sind wieder die Parlamentarier am Zuge...
Bäumer: Genau, die Unterschriften werden jetzt erst einmal geprüft und dann wird die Zulässigkeit der Volksinitiative festgestellt. Also wenn wirklich 20.000 gültige Unterschriften dabei sind, wobei ich bei 42.000 eingereichten Unterschriften ausgehe, dann wird sich der Landtag mit der Materie noch einmal beschäftigen müssen. Es findet auch schon etwas im Hintergrund statt. Ich denke, wir können uns im Herbst oder im frühen Winter auf eine lebhafte und ernsthafte Diskussion über den Gottesbezug im Landtag einstellen und es wird dort eine neue Entscheidung geben.
domradio.de: Wie zuversichtlich sind Sie, dass am Ende tatsächlich der Passus "Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen" in die Verfassung aufgenommen wird?
Bäumer: Ob es genau der Passus wird, das steht in Frage. Ehrlich gesagt, glaube ich mittlerweile nicht mehr, dass es genau dieser Passus sein wird. Die Diskussionen in der letzten Zeit haben schon gezeigt, dass Schleswig-Holstein etwas anderes braucht. Schon eine Formulierung, in der auch Gott vorkommt, aber da werden wir noch einige Diskussionen haben. Es sind schon viele Kompromissvorschläge gekommen und ich glaube, dass es auf so einen Kompromiss hinauslaufen könnte. Das macht mich ganz zuversichtlich, dass sich da Einige bewegen und sich auf einen Kompromiss einlassen könnten. Ich hoffe, dass sich dieser Trend noch verstärkt.
domradio.de: Unter Umständen noch ein längerer Weg - was hat die Volksinitiative schon jetzt gebracht?
Bäumer: Eine ganze Menge. Unseren katholischen Gemeinden hier oben in der Diaspora hat sie einen riesigen Schub gegeben. Die katholischen Gemeinden haben wirklich sehr viele Unterschriften gesammelt. Ich habe festgestellt, es hab ganz viele Glaubensbekenntnisse. Viele Menschen, die von sich selbst erzählt haben und sich mit ihrem Glauben auseinandergesetzt haben. Also wenn sie auf dem Marktplatz in Lübeck stehen und sie werden als Fundamentalist beschimpft oder kommen wirklich in eine ganz tiefreligiöse Diskussion – dann ist das schon wie ein Glaubensbekenntnis, das man ja als normaler Christ in der Öffentlichkeit in der Form gar nicht ablegen muss. Das fand ich interessant und das war auch eine Herausforderung. Das Thema hat auch oft die Medien beherrscht hier, das war beeindruckend. Das zeigt mir, dass Gott auch wirklich eine Bedeutung hat. Auch hier oben im Norden.
domradio.de: Hätte ein Gottesbezug in Ihren Augen vor allem einen ideellen Wert - oder hätte er auch konkrete Auswirkungen auf die Politik?
Bäumer: Ich finde, er hat ganz konkrete Auswirkungen auf die Politik, weil die Verfassung ja in Vertretung der Schleswig-Holsteinischen Bürgerinnen und Bürger erlassen wird. Und ich finde, wenn die Mehrheit sich das wünscht und so viele Menschen dafür eintreten, dann ist das auch ein Spiegel der Gesellschaft. Und viele Politiker sagen auch bei schwierigen Entscheidungen, also bei richtigen Gewissensentscheidungen, da ist es gut zu wissen, dass in dieser Präambel, in der ein Gottesbezug steht und eine Art Überschrift für die Verfassung ist, dass dies auch hilft. Zu wissen, dass es eine Instanz gibt über allem – das erleichtert in schwierigen Situationen die Entscheidungsfindung. Insofern glaube ich, es ist ein ganz wichtiges Signal.
Das Interview führte Hilde Regeniter.