Auf diese Weise könnten soziale Konflikte entschärft und massive Folgekosten verhindert werden. Woelki, der derzeit Vorsitzender der Caritas-Kommission der Bischöfe ist, und der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, äußerten sich am Rande eines Studientags der Bischöfe zum Thema Armut bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda.
Außerdem warnten sie davor, Flüchtlinge und Arme gegeneinander auszuspielen. Einen Mangel an bezahlbarem Wohnraum habe es bereits vor dem Flüchtlingszustrom gegeben, sagte Neher. Der Kardinal beklagte zudem "immense gesetzliche Auflagen", die verhinderten, dass schnell Wohnraum für Flüchtlinge und sozial Schwache geschaffen werden könne. Er verwies auf Projekte kirchlicher Wohnungsbaugesellschaften, die integrative Wohnprojekte für Migranten und Einheimische schüfen.
Armut trotz Vollzeitarbeit
Der Kasseler Soziologe Heinz Bude erklärte, dass in Deutschland immer mehr Menschen trotz Vollzeitarbeit Armut drohe. Neher forderte eine Anhebung der Hartz-IV-Sätze für Erwachsene um 60 Euro pro Monat und stärkere Bemühungen, Langzeitarbeitslose wieder Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu geben. Projekte der Caritas zeigten zudem, dass Schulsozialarbeit und eine intensive Betreuung "schulmüder" Jugendlicher dazu beitragen könnten, die Schulabschluss-Rate weiter zu erhöhen. Caritas und katholische Krankenhäuser arbeiteten derzeit an einem Programm, um Schwangeren und jungen Familien in Not frühe Hilfen anbieten zu können.
Woelki erklärte, die katholische Kirche müsse neu darüber nachdenken, die Öffnungszeiten von Kitas auszudehnen, um insbesondere Mütter zu unterstützen, die sich mit mehreren Jobs über Wasser halten müssten. Auch fordert der Kölner Kardinal mehr kirchliche Schulen für Schüler aus sozial schwachen Familien. Die katholische Kirche habe bei ihren schulischen Aktivitäten in der Vergangenheit zu sehr auf die mittlere und gut situierte Klientel gezielt. Von ihrem christlichen Auftrag her müsse sie sich mehr für arme und bildungsferne Schichten engagieren, sagte er am Mittwoch in Fulda. Als Beispiel nannte er neue Schulprojekte seines Erzbistums, die gezielt in sozial schwächeren Gegenden gestartet werden.
Neue Verantwortung
Der Kardinal erinnerte auch daran, dass Papst Franziskus die Kirche aufgefordert habe, sich "an den Rändern der Gesellschaft" zu engagieren. Er appellierte an die Christen in Deutschland, sich auch stärker den Armen weltweit zuzuwenden. Die Verbraucher fragten oft nicht, woher die Kleider und die Rohstoffe für die Smartphones stammten. Hier müsse jeder Verantwortung übernehmen.
Die katholische Kirche ist in Deutschland vor der evangelischen Kirche der größte freie Schulträger. Sie betreibt rund 700 allgemeinbildende und 200 berufsbildende Schulen mit insgesamt etwa350.000 Schülern. Ihr Schwerpunkt liegt traditionell bei den Gymnasien und Realschulen. Der Anteil von Schülern aus sozial schwachen Haushalten oder aus Familien mit Migrationshintergrund ist an kirchlichen Schulen deutlich niedriger als an den staatlichen Schulen.