"Die Krisen der Welt bildeten sich immer in der Kirche ab, aber ihre Relevanz wurde nie angezweifelt", sagte Lexutt dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch in schwierigen Zeiten sei es kaum zu Austrittswellen gekommen, die meisten Menschen hätten im Gegenteil Halt in der Kirche gesucht. Im vergangenen Jahr mussten die Kirchen jedoch einen Rekord-Mitgliederverlust hinnehmen.
2022 sank die Zahl der Protestanten in Deutschland auf rund 19 Millionen Menschen. Historisch betrachtet sei dieser Mitgliederverlust einmalig, betonte Lexutt. "Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs war unbestritten, dass man die Kirche braucht, dass die Verkündigung dazugehört, dass man sonntags in die Kirche geht." Den Menschen sei klar gewesen: "Es gibt eine Seele, die versorgt werden muss, und dafür ist die Kirche zuständig."
Auf das "Zentrum des Glaubens" besinnen
Zeiten der Pest, der beginnende Machtverlust der Kirche am Ende des Mittelalters, die Umbrüche durch die Reformation, Hungersnöte, Kriege - das alles hätten die Kirchen gut überstanden. Bereits die christliche Urgemeinde habe mit dem Tod Jesu eine erste Krise zu verkraften gehabt: "Der Tod des Menschen, der die Identifikationsfigur war, hätte auch das Ende der Bewegung bedeuten können." Aber die kleine Gemeinschaft habe sich gefragt: "Was ist eigentlich das Besondere an uns?", und sich über Jesus Christus definiert, den "Sohn Gottes". Lexutt: "Man überstand die Krise, indem man sich auf das Zentrum des Glaubens besann."
Krisenzeiten führten immer wieder auch zu Erneuerungen, wie die Kirchenhistorikerin erläuterte. "Immer wenn die Kirche zu mächtig oder zu reich wurde und ihre eigentlichen Aufgaben zu vernachlässigen drohte, gab es Gegenbewegungen, vor allem durch das Mönchtum." An der Entwicklung des Mönchtums könne man ablesen, dass in Krisenzeiten Rückbesinnung nötig und möglich ist - "Rückbesinnung auf das, was die Kirche ausmacht".