Knapp ein Jahr ist es her, da war die Sensation perfekt: Die Erzfeinde Kuba und USA gingen aufeinander zu. Seitdem sprechen Kubas Staatschef Raul Castro und US-Präsident Barack Obama wieder miteinander und nicht nur übereinander. Stark begünstigt wurde die Entwicklung durch den Papst lateinamerikanischer Herkunft. Franziskus hatte die Initiative ergriffen und Briefe nach Havanna und Washington geschickt.
Politischer Einfluss des Christentums ist groß
Nicht immer ist das Engagement der katholischen Kirche für Frieden und Versöhnung so spektakulär wie in diesem Fall, doch zwischen Mexiko und Feuerland ist der politische Einfluss des Christentums groß. Auch wenn beispielsweise in Kuba oder Venezuela die politischen Verhältnisse für die katholische Kirche schwierig sind - selbst ein Hugo Chavez oder ein Fidel Castro wollten es sich nie so ganz mit der katholischen Kirche verscherzen.
Heute ist die religiöse Situation Lateinamerikas vor allem durch das Erstarken evangelikaler Freikirchen aus den USA deutlich vielschichtiger als noch vor 50 oder 100 Jahren, aber immer noch sind 80 Prozent der Menschen katholisch. Zunehmend an Bedeutung gewonnen haben in den vergangenen Jahrzehnten indigene Religionen - vor allem in den Andenstaaten.
Eröffnung der Adveniat-Weihnachtsaktion
Mit dem vielfältigen kirchlichen Engagement gegen Bürgerkriege und Drogenkonflikte und für Friedensarbeit einschließlich der Aufarbeitung der durch linke und rechte Diktaturen verübten Verbrechen der Vergangenheit befasst sich in diesem Jahr das Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat. Das Leitwort seiner Jahreskampagne heißt schlicht "Frieden jetzt!". Eröffnet wird die Aktion am Sonntag in Stuttgart mit einer Tagung und einem Gottesdienst im Dom Sankt Eberhard. Im Mittelpunkt stehen vor allem Kolumbien und Guatemala.
Kolumbien und Guatemala im Fokus
Seit rund 50 Jahren kämpfen in Kolumbien staatliche Truppen, rechtsgerichtete Paramilitärs und linke Guerilla-Gruppen wie die FARC um Geld und Einfluss. Verkompliziert wird die Situation durch die mächtige Drogenmafia, die mit allen Parteien ihr eigenes Süppchen kocht und von den USA seit Jahren in einem offiziell nie erklärten Krieg bekämpft wird. Die Zahl der Opfer wird auf mehr als 200.000 geschätzt, zudem gibt es Millionen Binnenflüchtlinge.
Seit 2012 laufen nun in Havanna Friedensverhandlungen. Der katholische Priester Darío Echeverri Gonzalez begleitet als Koordinator der Nationalen Friedenskommission die Gespräche zwischen Regierung und FARC, und die Chancen auf einen positiven Ausgang stehen gar nicht mal so schlecht. Auch bei den vor ein paar Monaten begonnenen Verhandlungen zwischen der Regierung und den ELN-Rebellen könnte der katholischen Kirche eine Vermittlerrolle zuwachsen.
Ähnlich und doch ganz anders die Situation im mittelamerikanischen Guatemala: Auch hier bekämpften sich Regierungstruppen, rechtsgerichtete Paramilitärs und linke Guerilleros, und auch hier wird die Zahl der Opfer auf 200.000 geschätzt. Doch der Konflikt ist mittlerweile fast zwei Jahrzehnte vorbei. Zur Aufarbeitung der Gräuel setzte die Uno eine Wahrheitskommission ein. Heute kämpft die katholische Kirche Guatemalas immer noch an der Seite der Armen, setzt sich für Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit ein, stützt die Ureinwohner im Kampf um eigene Rechte und den Schutz ihrer Kulturen.
Gäste zu Besuch in Deutschland
In den Wochen vor Weihnachten besuchen Gäste aus beiden lateinamerikanischen Ländern nun auf Einladung Adveniats die Bundesrepublik. Sie können über das Essener Hilfswerk "gebucht" werden und sprechen dann über ihre Arbeit vor Ort.
Am Samstag ist im Stuttgarter Haus der Katholischen Kirche eine Tagung zu dem Thema geplant. Kommen wollen unter anderen der kolumbianische Erzbischof und Bischofskonferenz-Vorsitzende Luiz Augusto Castro Quiroga, der guatemaltekische Bischof Julio Cabrera und Adveniat-Chef Bernd Klaschka. Zur Sprache kommen soll auch hier das zivilgesellschaftliche Engagement - auch wenn es mehr im Kleinen und Verborgenen geschieht, getragen allein von der moralischen Integrität, die Figuren wie der 1980 am Altar ermordete Erzbischof Oscar Romero der lateinamerikanischen Kirche verschafft haben.