domradio.de: Es wird ja berichtet, dass die Katholiken den Papst mit Tränen in den Augen in Myanmar begrüßt haben. Sind das Tränen der reinen Freude oder vielleicht auch noch mehr?
Berthold Pelster (Hilfswerk Kirche in Not): Ganz sicher sind das Tränen der Freude, Tränen der Rührung. Ich denke, dass diese Menschen, die zum Papst kommen um ihn zu sehen, dass sie sehr bewegt sind. Sie schauen zurück auf eine schwierige Vergangenheit. Man muss wissen, dass Myanmar über viele Jahrzehnte hinweg eine Militärdiktatur gewesen ist, da sind religiöse und ethnische Minderheiten unterdrückt worden - darunter auch viele Christen.
Im Norden von Myanmar gibt es separatistische Bewegungen, die eine Abspaltung oder zumindest mehr Autonomie wollen. Die Regierung und das Militär reagieren mit brutaler Gewalt. Es herrscht eine Bürgerkriegssituation und die Christen sind von dieser Gewalt natürlich hautnah betroffen. Sie erhoffen sich vom Papst, dass er etwas tun kann, damit die internen Spannungen in Myanmar abgebaut werden können.
domradio.de: Der Papst hat sich erst mit dem Chef des Militärs getroffen, noch vor der Regierung Myanmars. Welche Bedeutung hat das?
Pelster: Das Militär hat nach wie vor eine große Bedeutung und viel Macht in Myanmar. Seit 2011 ungefähr hat das Militär eine politische Öffnung eingeleitet, das Land wird gesellschaftlich umgewandelt. Das Fernziel ist sicherlich eine demokratische Gesellschaft, aber es gibt auch den Begriff der disziplinierten Demokratie. Das heißt, die Demokratie wird noch sehr stark vom Militär gesteuert.
Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass ein Viertel der Parlamentssitze noch von Militärangehörigen eingenommen wird, auch wichtige einflussreiche Posten in der Regierung sind mit Militär besetzt. Wenn man politisch etwas bewegen will in diesem Land, dann muss man mit dem Militär sprechen, so wie es jetzt der Papst getan hat.
domradio.de: Die ganze Welt schaut gebannt nach Myanmar. Wie thematisiert der Papst die Vertreibung der religiösen Minderheit der Rohingya?
Pelster: Das ist ein ganz heikles Thema. Das ist jetzt zufällig, dass das jetzt in diese Zeit fällt. Die Papstreise war ja noch viel früher geplant. Der Papst ist dafür bekannt, dass er sich für unterdrückte Minderheiten und die Belange von Flüchtlingen weltweit einsetzt, es immer wieder anspricht, zum Beispiel beim Angelus-Gebet. Er hat in der Vergangenheit schon mehrfach auf das Schicksal der Rohingya hingewiesen und gesagt, dass man etwas tun muss. Er sprach davon, dass die Situation menschenunwürdig sei. Und er wird das sicherlich auch jetzt in diesen Tagen ansprechen.
Die Frage ist, wie ausdrücklich er das Problem anspricht. Die Bischöfe in Myanmar haben ihn davor gewarnt, das Wort "Rohingya" überhaupt in den Mund zu nehmen, weil es so ein brisantes Thema ist. In Myanmar werden die Rohingya immer nur als "Bengalis" bezeichnet, sozusagen als illegale Einwanderer aus Bangladesch. Der Papst wird es sicherlich ansprechen, aber er muss seine Worte sehr sorgfältig wählen.
domradio.de: Am Dienstag trifft er die mittlerweile umstrittene Außenministerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Was versprechen Sie sich von dem Treffen?
Pelster: Wir alle hatten große Hoffnung, dass die Friedensnobelpreisträgerin viel bewegen könnte in dem Land. Aber zu dem Problem der Rohingya hat sie lange lange Zeit geschwiegen und nichts gesagt. Das hat uns alle irritiert. Sie hat natürlich einen schweren Stand, gegenüber den Militärs und gegenüber den Nationalisten im Land. Darunter sind auch radikale buddhistische Mönche, die Ängste gegen die muslimische Minderheit der Rohingya schüren.
Ich denke, dass der Papst im Gespräch mit ihr nochmal auf den Ernst der Lage hinweisen und noch mal die Würde dieser Menschen ansprechen kann. Dass er sie noch mal sensibilisieren kann, dass auch diese Menschen ein Recht haben auf Heimat, auf ein Zuhause, ein Recht auf Integration. All das haben sie bislang in Myanmar nicht. Sie haben keine Bürgerrechte und werden nicht anerkannt. Sie sind dort unerwünscht, aber genauso sind sie in Bangladesch unerwünscht. Das sind wirklich Menschen ohne Heimat. Da muss etwas getan werden, damit sich etwas ändert.
Das Interview führte Silvia Ochlast