Kirche in Portugal will Missbrauchsopfer nicht entschädigen

"Nur individuelle Straftaten"

Portugals Kirche will die Opfer von sexuellem Missbrauch durch Geistliche nicht finanziell entschädigen. Das gab am Freitagabend der Vorsitzende der Portugiesischen Bischofskonferenz, Bischof Jose Ornelas, in Lissabon bekannt.

Das Hoch-Kreuz in Fatima, Portugal (KNA)
Das Hoch-Kreuz in Fatima, Portugal / ( KNA )

Bei den Missbrauchsfällen handle es sich um individuelle Straftaten, begründete Ornelas die Entscheidung der Bischöfe.

Damit schlägt die Kirche in Portugal einen deutlich anderen Weg ein als etwa die Bischofskonferenzen in Frankreich und Deutschland. Diese bieten Missbrauchsopfern von Geistlichen und kirchlichen Mitarbeitern Geldzahlungen in Anerkennung des Leids an.

Zuhören und unterstützen

Ornelas kündigte die Gründung eines kirchlichen Komitees an, woran sich Opfer von Missbrauch wenden könnten. Das Komitee solle Überlebenden von Missbrauch zuhören und sie in ihren Anliegen unterstützen; dabei soll es einen "unabhängigen Charakter" haben, aber mit dem nationalen Koordinationsteam der Missbrauchs-Kommissionen in den einzelnen Bistümern verbunden sein. "Wir bekräftigen unsere feste Entschlossenheit, alles zu tun, damit sich Missbrauchsfälle nicht wiederholen", so der Bischof von Fatima.

Bitte um Verzeihung

Ornelas bat die Opfer im Namen der portugiesischen Bischöfe erneut um Verzeihung und kündigte an, Anfang August solle auf dem Weltjugendtag in Lissabon mit Papst Franziskus der Missbrauchsopfer bei einem Bußgottesdienst gedacht werden. Geplant sei während des Treffens vom 1. bis 6. August auch die Errichtung eines Mahn- und Erinnerungsdenkmals in der portugiesischen Hauptstadt.

Die Wunden, die den Opfern zugefügt wurden, seien jedoch irreparabel, betonte der Vorsitzende der Bischofskonferenz. Die Kirche, so Ornelas weiter, werde zudem die Ausbildungspläne in den Priesterseminaren überprüfen, in denen es in der Vergangenheit zu zahlreichen Missbrauchsfällen kam.

Täter immer noch in Amt und Würden

Am Freitag übergab eine unabhängige Untersuchungskommission dem Bischof einen Bericht über die noch aktiven Priester, die sich an Minderjährigen vergangen haben sollen. Man werde diese Fälle prüfen, versprach Ornelas.

Untersuchungsbericht

Bereits Mitte Februar veröffentlichte eine von der Bischofskonferenz ins Leben gerufene unabhängige Kommission einen Untersuchungsbericht, wonach zwischen 1950 und 2022 insgesamt 4.815 Personen innerhalb der Kirche sexuell missbraucht wurden. Die Übergriffe fanden demnach vor allem in katholischen Seminaren, Heimen, Schulen oder Sporteinrichtungen statt. Das Durchschnittsalter der Opfer lag bei knapp 11 Jahren. In 77 Prozent der Fälle waren Priester die Täter. Da die meisten Missbrauchsfälle strafrechtlich verjährt sind, wurde die Staatsanwaltschaft nur in 25 Fällen informiert.

Chronik des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche

Januar 2010: Der Leiter des Canisius-Kollegs der Jesuiten in Berlin, Pater Klaus Mertes, macht durch einen Brief an ehemalige Schüler den Missbrauchsskandal an seiner Schule bekannt. Jesuiten hätten in den 1970er und 80er Jahren Schüler sexuell missbraucht. Er löst damit eine Welle von Enthüllungen zu Missbrauchsfällen in der Kirche, aber auch in Schulen und anderen Institutionen aus.

Canisius-Kolleg in Berlin / © Christoph Scholz (KNA)
Canisius-Kolleg in Berlin / © Christoph Scholz ( KNA )
Quelle:
KNA