Eine Woche vor dem politischen Machtwechsel in Kolumbien kommt Bewegung in eine mögliche Fortsetzung des Friedensprozesses zwischen der marxistischen ELN-Guerilla und der künftigen Regierung des sozialistischen Präsidenten Gustavo Petro. Die katholische Kirche regt ein humanitäres Abkommen als ersten Schritt für eine Wiederaufnahme der auf Eis gelegten Friedensgespräche an. Die Bischofskonferenz bekräftige ihre Bereitschaft, zum Aufbau von Frieden beizutragen und Verhandlungslösungen für die Konflikte im Land zu finden.
Der in der Bischofskonferenz für die Beziehungen zwischen Staat und Kirche zuständige Geistliche Hector Fabio sagte der Zeitung "El Tiempo" (Wochenende), die ELN habe immer betont, dass ihr eine Beteiligung der Regionen und der Bürger wichtig sei. Die Regierung von Präsident Petro habe erklärt, "dass sie plant, die Verhandlungen mit der ELN fortzusetzen und keine komplett neuen Verhandlungen zu beginnen". Es gelte, die Agenda wieder aufzunehmen, den Verhandlungen Kontinuität zu verleihen und Unterstützung der Kirche für diese Friedensbemühungen zu suchen.
Regierung erklärt Verhandlungsbereitschaft
Außenminister Alvaro Leyva habe der Kirche unterdessen mitgeteilt, dass der Prozess mit einem humanitären Abkommen in der nordwestlichen Konfliktregion Choco beginnen solle. Die sozialen Organisationen dort hätten bereits früher Vorschläge zur Verbesserung der Lage gemacht. Ziel sei, Vertreibungen, Zwangsrekrutierung und den Einsatz von Antipersonenminen durch die bewaffneten Akteure künftig zu unterbinden. "Wir sind bereit, mit der ELN über die humanitäre Frage zu sprechen", sagte Henao. Die Lage im Choco erfordere sofortiges Handeln.
Die künftige Vizepräsidentin Francia Marquez sagte bei einer Veranstaltung in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires, die Arbeit für den Frieden im Land sei erklärter Fokus der neuen Regierung. Die Petro-Regierung tritt am Sonntag an. Der künftige Präsident hat die Vertiefung des Friedensprozesses mit der ehemaligen FARC-Guerilla sowie eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit der ELN und anderen bewaffneten Gruppen zu einer Hauptaufgabe seiner Amtszeit erklärt.
Gespräche 2019 nach Attentat abgebrochen
Die marxistische ELN hatte nach Petros Sieg in der Stichwahl ihre Bereitschaft zur Wiederaufnahme der vom scheidenden konservativen Amtsinhaber Ivan Duque auf Eis gelegten Friedensgespräche bekundet. Die Rebellen teilten mit, ihren politischen und militärischen Widerstand aufrechtzuerhalten. Sie stünden aber für einen Friedensprozess bereit, der in Kontinuität der in Quito begonnenen Gespräche stehe. Zugleich fordert die ELN die künftige Regierung zu Agrarreformen und zur Bekämpfung des Drogenhandels auf.
Amtsinhaber Duque hatte Anfang 2019 nach einem Bombenattentat auf eine Polizeikaserne im kubanischen Havanna, bei dem 23 Menschen starben und rund 100 Personen verletzt wurden, die dort stattfindenen Gespräche abgebrochen und von Kuba eine Auslieferung der Verantwortlichen gefordert. Kuba hat dies stets abgelehnt.
Laut der Wahrheitskommission zur Aufarbeitung des bewaffneten Konflikts war die ELN im Zeitraum von 1986 bis 2016 für vier Prozent der Toten des Konflikts verantwortlich, also für rund 18.600 von 465.000. Sie ist die größte noch aktive Guerillaorganisation Kolumbiens.