Am Ende eines turbulenten Tages sitzt Boliviens bisheriger Armeechef General Juan Jose Zuniga in Untersuchungshaft.
Der Vorwurf lautet: Terrorismus sowie Angriff auf die Souveränität des Staates. Zuvor war er mit einigen Soldaten zum Regierungssitz Plaza Murillo in La Paz gezogen. Auf den Treppenstufen des Palastes kam es laut Videoaufnahmen, die bolivianische Medien veröffentlichten, zu einer direkten Konfrontation zwischen Zuniga und Präsident Luis Arce. Der sozialistische Staatschef forderte den Armeeführer auf, die Soldaten wieder abzuziehen.
Angeblicher Putschversuch eine abgesprochene Inszenierung?
Wenig später erhob der General nach Angaben der Tageszeitung "El Deber" schwere Vorwürfe gegen Arce. Demnach war der angebliche Putschversuch eine abgesprochene Inszenierung: Der Präsident habe ihn am Wochenende zuvor ermuntert, etwas zu unternehmen, um die Popularität der Regierung zu steigern, behauptete Zuniga. Denn die Stimmung im Land sei miserabel. Ob der General Beweise vorlegen kann, blieb zunächst unklar.
Inmitten der Staatskrise trafen im Minutentakt Solidaritätsadressen aus der ganzen Welt ein. Die argentinische Regierung von Präsident Javier Milei, Kolumbiens Präsident Gustavo Petro und Mexikos künftige Präsidentin Claudia Sheinbaum stellten klar, dass sie alle auf der Seite des demokratisch gewählten Präsidenten stehen. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte "jeden Versuch, die verfassungsmäßige Ordnung in Bolivien zu untergraben und demokratisch gewählte Regierungen zu stürzen".
Katholische Kirche hat sich ebenfalls eingeschaltet
Die katholische Kirche hat sich ebenfalls eingeschaltet. Die Bischofskonferenz des südamerikanischen Landes erklärte, dass sie "jede Handlung, die der demokratischen Stabilität unseres Landes zuwiderläuft", ablehne. "Die friedliche Koexistenz muss von allen öffentlichen Institutionen garantiert werden." Zugleich riefen die Bischöfe dazu auf, die verfassungsmäßige Ordnung zu respektieren und Räume für den Dialog zur Lösung von Konflikten zu suchen.
Bolivien wird seit Jahren von einer innenpolitischen Krise und einem parteiinternen Machtkampf erschüttert. Sowohl Amtsinhaber Luis Arce, einst Wirtschaftsminister unter Ex-Präsident Evo Morales (2006 bis 2019), als auch Morales selbst beanspruchen die Führungsrolle in der linksgerichteten Regierungspartei MAS samt nächster Präsidentschaftskandidatur. Die Lager der beiden Politiker stehen sich verfeindet gegenüber, es gab zuletzt gegenseitige Korruptionsvorwürfe. Selbst von Umsturzplänen war die Rede.
Seit Monaten kritisiert Morales Arce öffentlich immer schärfer und wirft ihm vor, Partei und Land "nach rechts" gerückt zu haben. Die Regierung verheimliche schlechte Wirtschaftsdaten, das Land stecke in einer tiefen Krise. "Ich habe beschlossen, die Bitten so vieler Brüder und Schwestern anzunehmen, die an Kundgebungen im ganzen Land teilnehmen, um für die Präsidentschaft unseres geliebten Boliviens zu kandidieren", sagte Morales schließlich vor wenigen Monaten. Die nächste Wahl findet voraussichtlich 2025 statt.
Wurzeln in einem Konflikt aus dem Jahr 2016
Die aktuelle Krise hat ihre Wurzeln in einem Konflikt aus dem Jahr 2016. Die bolivianische Verfassung verbot nach der Regierungszeit von 2006 bis 2019 eine weitere Kandidatur von Morales. Ein von ihm angestoßenes Referendum sollte grünes Licht für eine Verfassungsänderung und damit für eine Aufhebung der Amtszeitbegrenzung geben. Doch Morales verlor die Abstimmung und brach sein Versprechen, das Ergebnis zu akzeptieren. Seitdem ist das politische Klima im Land vergiftet.
Es folgten die Wahlen von 2019. Internationale Beobachter sprachen bei der Auszählung von Hinweisen auf möglichen Wahlbetrug. Auf Druck von Gewerkschaften, der Armee und auch aus dem eigenen Lager trat Morales zurück, nachdem Hunderttausende auf die Straßen gegangen waren. Inzwischen beruft sich Morales auf eine Untersuchung aus den USA und spricht von einem Putsch gegen sich. Die Neuwahlen gewannen die Sozialisten klar mit Arce als ihrem neuen Spitzenkandidaten.
Morales kehrte aus dem Exil zurück und begann nach kurzer Zeit, offen in Opposition zu seinem ehemaligen Mitstreiter Arce zu treten. Der wiederum dürfte nun aus der Konfrontation mit dem Militär gestärkt hervorgehen, sofern sich der Zwischenfall nicht als inszeniert herausstellen sollte.