Ein Bündnis aus Verbänden, Flüchtlings- und Juristenorganisationen plädierte für die freie Wahl des Zufluchtslandes für Asylsuchende. Sie sollten selbst entscheiden können, wo in der EU sie ihr Asylverfahren durchlaufen, erklärte das Bündnis am Freitag in Berlin.
Den bereits als schutzbedürftig anerkannten Flüchtlingen solle das Recht auf Freizügigkeit in der EU gewährt werden. Ergänzend solle ein Europäischer Ausgleichsfonds diejenigen Mitgliedsstaaten finanziell unterstützen, in die hauptsächlich Zuwanderung stattfinde. Zu dem Bündnis gehören Pro Asyl, Diakonie Deutschland, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Arbeiterwohlfahrt, Jesuiten-Flüchtlingsdienst, Deutscher Anwaltsverein, Republikanische Anwaltsverein, Neue Richtervereinigung und die Rechtsberaterkonferenz.
Zweifel an sicheren Herkunftsländern
Der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle warnte vor einer Zweiklassen-Flüchtlingspolitik. "Wenn davon ausgegangen werden kann, dass jemand längere Zeit in Deutschland bleibt, ist es sicher sinnvoll, seine gesellschaftliche Integration auf besondere Weise zu fördern. Dies darf aber nicht dazu führen, dass anderen Menschen gar keine oder nur halbherzige Angebote gemacht werden", erklärte der Vorsitzende der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz am Freitag in Hildesheim.
Außerdem sehe er das Konzept der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten kritisch. "Dass Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt wurden, erfüllt mich angesichts der schwierigen Situation der Roma in diesen Ländern mit Sorge", sagte Trelle. "Es mag zutreffend sein, dass die Asylanträge von Menschen aus der Region nur in wenigen Fällen bewilligt werden können. Gleichzeitig darf aber keineswegs der Eindruck entstehen, dass Menschen aus dem Balkan, die bei uns Zuflucht suchen, grundsätzlich nicht asylberechtigt sind."
Unterdessen forderte das Hilfswerk Ärzte ohne Grenzen legale Fluchtwege nach Europa. Das Mittelmeer sei zu einem Massengrab geworden; das dürfe kein EU-Land, vor allem nicht das einflussreiche Deutschland hinnehmen, betonte Geschäftsführer Florian Westphal am Freitag in Berlin. Ärzte ohne Grenzen beteilige sich mittlerweile selbst an der Seenotrettung, die sich nach dem Ende der italienischen Rettungsmission "Mare Nostrum" verschlechtert habe. "Menschen, die fliehen müssen, müssen fliehen können", fügte Westphal hinzu.
Schnellerer Familiennachzug
Der Deutsche Caritasverband begrüßte die bisherige Hilfsbereitschaft in Deutschland. Nun müsse ein schneller Familiennachzug realisiert werden. Zurzeit müssten Angehörige häufig monatelang in einer desolaten Situation auf eine Zusammenführung warten, so der Verband. Die von der Bundesregierung vorgesehenen Vereinfachungen bei der Familienzusammenführung von syrischen Flüchtlingen sei ein erster wichtiger Schritt. Die Bundesländer müssten nun ebenfalls ihren Beitrag leisten.
Gleichzeitig warf das Kinderhilfswerk terre des hommes den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein Versagen vor. So lasse die EU ihre Mitgliedsländer Griechenland, Italien oder Malta mit der Betreuung der Mittelmeer-Flüchtlinge alleine. Diese Länder seien jedoch mit der Situation überfordert, die Leidtragenden seien die Flüchtlinge, so das Hilfswerk.
Soforthilfe für Ortskirchen
Das katholische Missionswerk missio rief dazu auf, die Auswirkung von Binnenflüchtlingen auf die lokalen Gesellschaften in den Blick zu nehmen. missio-Präsident Klaus Krämer verwies in Aachen auf den "historischen Höchststand" an Binnenflüchtlingen in Afrika, dem Nahen und Mittleren Osten. Die staatlichen Organe dort seien mit der Versorgung und Betreuung dieser Flüchtlinge überfordert. Es komme zu gesellschaftlichen Spannungen, die neue Konflikte und Fluchtbewegungen auslösten, so Krämer. Auch internationale Hilfsorganisationen stießen an Kapazitätsgrenzen. Deshalb sei für missio die Soforthilfe für die Ortskirche an den Brennpunkten dieser Entwicklung immer wichtiger.
Die Bundes-Psychotherapeutenkammer (BPtK) forderte eine bessere Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge. Psychisch kranke Flüchtlinge seien unzureichend versorgt, erklärte die BPtK in Berlin. Rund 40 Prozent der Asylsuchenden seien traumatisiert; von den rund 200 000 Menschen, die 2014 in Deutschland Asyl suchten, benötigen deshalb rund 80 000 eine Behandlung. Von ihnen hätten jedoch tatsächlich nur circa fünf Prozent eine Psychotherapie erhalten.