DOMRADIO.DE: Die Meinungen unter den Ministerpräsidenten sind gespalten. Während sich zum Beispiel Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann für eine Verlängerung des Lockdowns ausspricht, fordert NRW-Ministerpräsident Armin Laschet zumindest eine Exit-Strategie. Wie positioniert sich denn die Kirche in dieser Frage?
Pfarrer Antonius Hamers (Leiter des Katholischen Büros NRW): Wir verfolgen das natürlich mit großer Spannung und mit großer Aufmerksamkeit. In Nordrhein-Westfalen ist das Papier eines Expertengremiums vorgelegt worden. Dieses Papier spricht von "verantwortungsbewusster Normalität", also einem langsamen Vortasten wieder in normalere Zustände, sodass die Kontaktbeschränkungen, die wir im Moment haben, etwas gelockert werden können. Wir als Kirche haben natürlich ein großes Interesse daran, dass wir dann auch wieder dazu kommen können, auch mit Öffentlichkeit Gottesdienst zu feiern.
DOMRADIO.DE: Bisher hatte man ja den Eindruck, dass die katholische Kirche die Gottesdiensteverbote, die dann ja relativ schnell kamen, ziemlich anstandslos umgesetzt hat...
Hamers: Es ist so, dass wir von Anfang an mit den staatlichen Behörden, insbesondere natürlich auf der Ebene des Landes mit der Staatskanzlei, aber auch mit den Bezirksregierungen und auch mit den Kommunen, sehr genau ausgelotet haben, was möglich ist und was nicht möglich ist. Insofern ist es nicht so, als wenn wir einfach die staatlichen Vorgaben so akzeptiert hätten, sondern wir haben sehr genau geschaut: Was ist möglich?
Also zum Beispiel haben wir geschaut, dass Kirchen weiterhin geöffnet bleiben, dass bei Beerdigungen zumindest eine kleine Anzahl von Menschen mit dabei sein kann. All das haben wir sehr genau ausgelotet, und selbstverständlich waren wir, wie alle anderen Bereiche auch, zunächst einmal in der Situation, dass wir überhaupt nicht wussten: Was kommt auf uns zu? Worauf werden wir zukünftig verzichten müssen? Was ist jetzt angeraten, um wirklich die Infektionsrate möglichst zügig zu reduzieren?
DOMRADIO.DE: Jetzt sprechen wir schon relativ schnell über Lockerungen. Es gibt viele Experten, die sagen: Wir müssen das auch noch ein bisschen durchhalten, diese strengen Auflagen. Dennoch muss man natürlich darüber nachdenken: Wie kommt man wieder raus aus diesen ganzen Einschränkungen? Gibt es da eine Exit-Strategie für die Kirche? Wie könnte so etwas aussehen?
Hamers: Es könnte zum Beispiel so aussehen, dass wir – natürlich in einer sehr viel kleineren Zahl als sonst üblich – Gottesdienste feiern. Das heißt, wir müssen selbstverständlich gucken: Wie viele Leute können in eine Kirche? Wie können wir die Abstandsregeln auch in der Kirche einhalten? Wie können wir den Zutritt zur Kirche auch etwas kontrollieren, damit es zum Beispiel nicht zu großem Gedränge kommt?
Wobei wir alle wissen, dass dieses Gedränge in den Kirchen an normalen Sonntagen eigentlich eher selten ist. Das wäre natürlich gerade jetzt zu Ostern wichtig gewesen oder auch zu Weihnachten. Insofern war das natürlich jetzt zu Ostern für uns auch ein großer Einschnitt.
Aber ich glaube schon, dass wir das hinbekommen können, dass wir Regeln aufstellen, dass wir Maßnahmen ergreifen, um in einer verantwortungsvollen Art und Weise mit Öffentlichkeit Gottesdienst zu feiern. Es geht darum, Gläubigen wieder die Möglichkeit geben, nicht nur an Bildschirmen, nicht nur am Fernsehen den Gottesdienst mitzufeiern, sondern auch vor Ort.
Da müssen wir natürlich genau schauen: Wie können solche Regeln eingehalten werden? Dass man sich nicht die Hände reicht, ist klar, dass man Abstand hält zueinander, dass man wahrscheinlich auch weiterhin auf Weihwasser zum Beispiel verzichtet, ohne Frage. Aber da wollen wir auch da zu einer, wie es in diesem Papier aus Nordrhein-Westfalen heißt, "verantwortungsbewussten Normalität" zurückkommen.
DOMRADIO.DE: Wie wollen Sie da versuchen, den politischen Entscheidern dann doch ein bisschen was mit auf den Weg zu geben, dass Gottesdienste zum Beispiel was anderes sind als Konzerte oder Kulturveranstaltungen?
Hamers: Zunächst mal ist es so, dass gerade eben auch die Religionsfreiheit, die ja auch die Freiheit der Religionsausübung mit umfasst, ein sehr hohes Gut und ein Grundrecht ist. Das hat das Bundesverfassungsgericht gerade auch in der letzten Woche noch einmal deutlich gemacht. Es hat die Gottesdienstverbote bestätigt, hat aber zugleich darauf hingewiesen, dass da auch zukünftig geguckt werden muss, welche verhältnismäßigen Regeln können da einbezogen werden und wie auch wieder die Möglichkeit eröffnet werden kann, Gottesdienste öffentlich zu feiern.
Da müssen wir jetzt mit den staatlichen Verantwortungsträgern, das ist in Nordrhein-Westfalen vor allem die Staatskanzlei, mit der wir in einem sehr konstruktiven Austausch sind als katholische Kirche, aber selbstverständlich auch mit der evangelischen Kirche, gemeinsam gucken, welche Maßnahmen ergriffen werden können.
Wenn es denn zu Lockerungen kommt, dann hoffen wir, auch Lockerungen bei den Gottesdiensten hinzubekommen, sodass wir wieder mit einer zumindest kleinen Öffentlichkeit gemeinsam Gottesdienst vor Ort feiern können.