Der Wahlerfolg der AfD stellt auch die Kirchen in Deutschland vor ein Problem. Reden ist geboten - aber mit oder über die AfD? Ein Blick auf die nationalen Bischofskonferenzen in Europa zeigt, dass sich die katholische Kirche schwertut, sich zu den Rechtspopulisten zu positionieren.
Frankreichs Bischöfe nicht mehr "mit einer Stimme"
In Frankreich ist die über Jahrzehnte geschlossene Front der Bischöfe gegen den rechtsextremen Front National inzwischen aufgebrochen. Der Vorsitzende der Französischen Bischofskonferenz, Erzbischof Georges Pontier von Marseille, räumte in einem Interview ein, dass die Bischöfe nicht mehr mit einer Stimme sprächen. Früher habe der FN nur eine kleine Gruppe Militanter repräsentiert und sei dementsprechend einhellig abgelehnt worden. Heute aber stehe eine wachsende Menge "enttäuschter Franzosen" hinter der Partei. Daher suchten auch Bischöfe den Dialog mit jenen vielen Menschen, die nicht notwendig "die Ideologien von vor 20, 30 Jahren" teilten, so Pontier.
Einen wichtigen Grund nennt er dabei nicht. Mit der Enkelin des Parteigründers, Marion Marechal-Le Pen, hat der FN inzwischen eine attraktive Galionsfigur, die nicht stumpfen Antiklerikalismus oder religiöse Indifferenz, sondern das rechte katholische Wertespektrum bedient: das "gute alte Frankreich".
Schweigen der ungarischen und polnischen Kirche
Auffällig auch das Schweigen der ungarischen und der polnischen Kirche zu ihren rechtspopulistischen Regierungen, die mit ihrem autokratischen Agieren Teile der eigenen Bevölkerung auf die Straße treiben und die Verfassungshüter der EU auf den Plan rufen. Sei es, dass der Episkopat in dieser Frage selbst gespalten ist oder dass sich die Kirchenleitung von einer konservativen Führung einen insgesamt kirchenfreundlicheren Kurs versprechen als von einer liberalen: Eine kritische Stimme in Europa sind sie derzeit nicht.
Augenfällig wurde das vor einigen Wochen, als erst die Polnische und dann die Ungarische Bischofskonferenz das in Brüssel erscheinende katholische EU-Magazin "EuropeInfos" aufforderten, kritische Artikel über die "neue Rechte" in ihren Ländern zurückzuziehen. In beiden Fällen hätten sie keine konkreten Fehler benannt, so die Chefredaktion des Magazins.
So verlief dann auch die jüngste Vollversammlung der EU-Bischofskommission COMECE in Brüssel äußerst unauffällig - eigentlich verwunderlich bei einem profilierten Präsidenten wie dem Münchner Kardinal und Papstberater Reinhard Marx. Auch im Kreis der Vertreter der nationalen Bischofskonferenzen dürfte es an einem Konsens in den zentralen Fragen Rechtsstaatlichkeit und Flüchtlingskrise gefehlt haben.
Katholische Kirche in Südosteuropa sehr still
Überhaupt ist von der katholischen Kirche in Südosteuropa sehr wenig zu hören über jenes Thema, das den Kontinent seit Monaten in Atem hält. Die größte Ausnahme ist der Wiener Kardinal Christoph Schönborn, selbst Flüchtlingskind. Wie die deutschen Bischöfe beschwört er immer wieder die Stärke der europäischen Werte und die moralische Verpflichtung des Kontinents.
Ein Blick in die Geschichte mag helfen, das sonstige Schweigen aus der Region - oder die strenge Haltung gegenüber den Flüchtlingen - zu verstehen. Die "Katastrophe von Mohac" 1526, der "Türke vor Wien" 1529/1683 - das sind mehr als nur historische Schlagwörter; sie sind Teil des kollektiven Bewusstseins in der riesigen einstigen Donaumonarchie. "Die Muslime", das sind in Szeged, Temesvar oder Novi Sad nicht in erster Linie türkische Gastarbeiter, sondern jahrhundertelange Besatzer.
Dialog oder Ausgrenzung?
Der Prager Kardinal Dominik Duka verwunderte zuletzt mit einem Interview, in dem er sagte, "Mitgefühl und Emotion ohne vernünftiges Verhalten" führten "in die Hölle". Weder alle noch niemanden aufzunehmen sei richtig; man müsse einen kühlen Kopf bewahren und "rational vorgehen". In dieser "Flüchtlingswelle ohne jede Kontrolle, in der die Staaten "völlig versagt" hätten, müsse sorgfältig geprüft werden, "wer tatsächlich hilfsbedürftig und wessen Leben bedroht ist". Es gebe auch "bestimmte Pläne und Programme der Dschihadisten", orakelte der böhmische Primas.
Gewiss: Die deutschen Bischöfe schlagen bei weitem andere Töne an - und distanzieren sich inhaltlich weit von der AfD. Doch bald werden auch sie sich entscheiden müssen: Dialog oder Ausgrenzung.