Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Brief auf, sich stärker für die Rettung Geflüchteter einzusetzen, wie die "Westfalenpost" (Mittwoch) berichtete. Diesem Appell schloss sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, an, wie die Bischofskonferenz auf Nachfrage bestätigte.
"Als Kirchen erwarten wir von der Bundesregierung genau wie von den anderen Regierungen Europas, dass sie jetzt sofort Lösungen finden", sagte Bedford-Strohm der Zeitung. Es könne nicht sein, dass Europa tatenlos zuschaue, wie Menschen im Mittelmeer ertrinken. Auch missbilligte er, dass Retter kriminalisiert würden.
Kritik übte Bedford-Strohm auch an der AfD. Er warf der Partei vor, menschliche Kälte zum Programm zu erheben, etwa indem Not und Leid von Flüchtlingen einfach ausgeblendet würden. Dies vertrage sich nicht mit dem christlichen Glauben. "Wenn jemand sagt, ich bin zuerst Deutscher und dann Christ, dann ist das Ketzerei", so der EKD-Ratsvorsitzende. Der am Mittwoch beginnende Deutsche Evangelische Kirchentag in Dortmund dürfe kein Forum für rassistische oder antisemitische Einstellungen sein.
Zahl der Flüchtlinge weltweit auf Rekordniveau
Unterdessen ist die Zahl der Flüchtlinge nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR weltweit auf einen neuen Rekordstand gestiegen. Erstmals zählte die Organisation zum Ende des vergangenen Jahres mehr als 70 Millionen Flüchtlinge, Vertriebene und Asylbewerber.
Im Vergleich zum Vorjahr nahm ihre Zahl um 2,3 Millionen auf 70,8 Millionen zu. Das geht aus dem neuen UN-Flüchtlingsbericht hervor, der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wird. Danach waren weltweit zuletzt doppelt so viele Menschen auf der Flucht wie noch vor 20 Jahren. Das 1950 gegründete UN-Hilfswerk zählte nach eigenen Angaben nie zuvor eine höhere Zahl.
Die größte Gruppe bildeten demnach mit 41,3 Millionen Menschen die Binnenvertriebenen, die innerhalb ihres Heimatlandes auf der Flucht waren. 20,4 Millionen verließen als Flüchtlinge wegen Krieg und Verfolgung ihr Land. Dazu kamen 5,5 Millionen Palästinenser unter dem Mandat des UN-Flüchtlingshilfswerk für Palästinenser UNRWA. Weitere 3,5 Millionen Menschen warteten noch auf eine Entscheidung über ihr Asylgesuch.
Allein 6,7 Millionen Flüchtlinge kamen laut UNHCR aus Syrien, weitere 2,7 Millionen aus Afghanistan und 2,3 Millionen aus dem Südsudan. Weitere wichtige Herkunftsländer waren Myanmar, Somalia, Sudan und die Demokratische Republik Kongo.
Steigende Zahl von Kriegen und Konflikten
"Die Daten unterstreichen, dass die Zahl der vor Krieg, Konflikten und Verfolgung fliehenden Menschen langfristig steigt", sagte UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi. Obwohl die Sprache, wenn es um Flüchtlinge und Migranten gehe, oft vergiftet sei, gebe es weltweit Beispiele von Großmut und Solidarität. Lösungen könne es aber nur geben, wenn alle Länder zusammenarbeiteten.
Fast 600.000 Menschen konnten laut UNHCR im vergangenen Jahr nach Hause zurückkehren. Weitere 60.000 wurden Staatsbürger des Landes, in dem sie Schutz gefunden hatten. Etwas mehr als 90.000 kamen über eine Härtefallregelung in ein sicheres Aufnahmeland.
In Deutschland war die Zahl neuer Asylanträge 2018 weiter auf rund 161.900 zurückgegangen. 2017 waren es noch rund 198.300 gewesen, nach rund 280.000 im Jahr 2016 und rund 890.000 im Jahr 2015.