Kirchen kritisieren geforderte Verschärfung des Zuwanderungsgesetzes

Anregungen nicht berücksichtigt

Auf dem ersten Integrationsgipfel der Bundesregierung am 14. Juli hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch die Frage der Chancengerechtigkeit für Migranten in den Vordergrund gerückt. Die Einwanderer hätten den großen Wunsch, offene Türen vorzufinden. Daher sei die Einladung der Mehrheitsgesellschaft an die Migranten ein wichtiger Punkt für die Integration, sagte Merkel  im Anschluss an das Treffen mit 86 Teilnehmern.

 (DR)

Auf dem ersten Integrationsgipfel der Bundesregierung am 14. Juli hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch die Frage der Chancengerechtigkeit für Migranten in den Vordergrund gerückt. Die Einwanderer hätten den großen Wunsch, offene Türen vorzufinden. Daher sei die Einladung der Mehrheitsgesellschaft an die Migranten ein wichtiger Punkt für die Integration, sagte Merkel  im Anschluss an das Treffen mit 86 Teilnehmern. Die Frage der Sanktionen für Einwanderer habe bei dem Gipfel keine Rolle gespielt, so Merkel nach dem Gipfel. Nun hat das Bundesinnenministerium einen Bericht über die Auswirkungen des seit Anfang 2005 geltenden Zuwanderungsrechts veröffentlicht. Dieser Bericht, der der Kanzlerin zur Zeit des Gipfels schon vorlag, spricht eine andere Sprache.

Evaluierungsbericht fordert restriktive Regelungen
Grundsätzlich habe sich das deutsche Zuwanderungsgesetz bewährt, punktuell bestehe aber Verbesserungsbedarf, heißt es in dem Bericht. Er verlangt restriktivere Regelungen beim Familiennachzug sowie bei der Integration. Gleichzeitig hält er am grundsätzlichen Anwerbestopp von Fremdarbeitern fest, abgesehen von Hochqualifizierten. Beim Problem der "Kettenduldungen", die das Gesetz eigentlich lösen sollte, bezieht der Bericht keine eindeutige Stellung. Der Nachzug von Ehegatten soll erschwert werden, besonders für Hartz IV Empfänger.

Prüfungspflicht bei Integrationskursen
Bei der Integration verlangen die Gutachter, dass Kursteilnehmer künftig nach einer bestimmten Frist auch eine Prüfung bestehen müssen. Bislang habe nur die Hälfte der Kursteilnehmer an Sprachprüfungen teilgenommen. Bei Integrationsverweigerung fordert der Bericht härtere Sanktionen. Härtere Maßnahmen werden auch gegenüber Ausländern gefordert, die die innere Sicherheit des Landes gefährden.
Verschiedene Unionspolitiker hatten sich schon am in den vergangenen Wochen in diese Richtung geäußert: Wer Deutscher werden will, müsse "die deutsche Leitkultur akzeptieren", sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. "Der Ausländer ist kein besserer Mensch als der Deutsche", so der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel. Darum müssten Sanktionen folgen, wenn er sich der Integration verweigere. Als Beispiele nannte der CSU-Politiker die Kürzung von Sozialleistungen oder Konsequenzen für den Aufenthaltsstatus.

Kritik von Migrationsorganisationen und Grünen
Die Bündnisgrünen bewerten die Evaluation als "große Enttäuschung". Der Bericht drücke sich darum, erkennbare Schwachstellen zu benennen und setze falsche Akzente, sagte der migrationspolitische Sprecher, Joseph Winkler. Kritik äußerten auch die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge "Pro Asyl" und der Interkulturelle Rat in Deutschland. Das Ministerium habe einen "Katalog der asyl- und migrationspolitischen Grausamkeiten"
vorgelegt, erklärten sie in Frankfurt. Zuwanderung werde von der Großen Koalition offensichtlich nicht als Chance und Herausforderung wahrgenommen, sondern als Bedrohung.
Anpassungsbedarf beim Zuwanderungsgesetz bedeute in der Lesart des Bundesinnenministeriums regelmäßig, dass die Rechtsposition von Migranten und Flüchtlingen verschlechtert werde.

Auch Kirchen rügen Evaluierungsbericht
Auch die beiden großen Kirchen haben den Evaluierungsbericht kritisiert. Bei der Auswertung des Gesetzes seien die Forderungen der Kirchen nicht aufgegriffen worden, bemängelten der Berliner Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Prälat Stephan Reimers, und der Leiter des katholischen Büros, Prälat Karl Jüsten, am Montag in Berlin.

Der Evaluierungsbericht sehe vor, den Ehegattennachzug von einem Mindestalter von 21 Jahren und dem Nachweis von Deutschkenntnissen vor der Einreise abhängig zu machen, bedauerten Reimers und Jüsten. Diese Anforderung werde von den Kirchen als unverhältnismäßig abgelehnt. "Um Opfern von Zwangsverheiratungen Schutz zu bieten, sollten vielmehr deren eigenständige Wiederkehr- und Aufenthaltsrechte gestärkt werden", empfehlen Jüsten und Reimers in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Besonders kritikwürdig ist aus Sicht der Kirchenvertreter auch, dass keine Verbesserungen für die Situation von Menschen mit so genannten Kettenduldungen vorgesehen seien. Stattdessen würden bisherige Regelungen restriktiv ausgelegt. Jüsten und Reimers plädieren für eine Aufenthaltserlaubnis, die auch eine Arbeitserlaubnis vorsieht.
Die ursprüngliche Absicht des Zuwanderungsgesetzes, den mehr als 192.000 Betroffenen gesicherte Aufenthaltstitel zu gewähren, müsse umgesetzt werden.

Debatte um Integration von Ausländern findet auch in den Kirchen statt
Die Debatte um die Integration von Ausländern wird auch in den Kirchen geführt. Führende Vertreter der katholischen Kirche forderten in den vergangenen Wochen einen Neuanfang, bei dem es vor allem um ein Klima des Vertrauens zwischen Migranten und deutscher Gesellschaft gehen müsse. Der evangelische Bischof Wolfgang Huber bezeichnet das Verhältnis zu den Muslimen und dem Islam als zentrale Herausforderung. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, meint, es sei kein gutes Rezept, Ausländern mit Abschiebung zu drohen. Auch gesetzliche Regelungen allein reichten nicht aus. Es gehe vor allem darum, Vertrauen zu schaffen und die Erfahrungen der Migranten zu nutzen, die sich gut in Deutschland integriert hätten. Wenn Immigranten planten, längere Zeit in Deutschland zu bleiben, dann sei auch klar, dass ihre Kinder Deutsch lernen müssten, so Lehmann. Dabei sei auch der Bildungswille der Eltern gefragt. Ohne einen gewissen Nachdruck werde es dabei nicht gehen.

Mit Integration noch nicht richtig begonnen
Der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky sagt, mit der Integration sei noch gar nicht richtig begonnen worden."Eigentlich ist doch wohl von der Mehrheit der Politiker immer erwartet worden: Entweder passen sie sich wirklich an oder sie gehen wieder weg." Die Ghettobildung und die Parallelgesellschaften seien der eigentliche Fehler.
(KNA, dr, epd, DBK)

Im domradio-Interview verteidigt Reinhard Grindel, Innenexperte der CDU, das Positionspapier.