Kirchen und Aktivisten fordern neue Sicherheitspolitik

Friedensprozesse überdenken

Eine Tagung hat für Formen alternativer, ziviler Sicherheitspolitik vom Interessenausgleich als Friedensstrategie bis zu Frauen als Vermittler in Konflikten geworben. Das Symposium "Der Frieden der Zukunft" fand in Osnabrück statt.

Autor/in:
Roland Juchem
Menschen halten Pappschilder hoch mit dem Wort "Frieden" in verschiedenen Sprachen beim Weltfriedenstreffen der katholischen Gemeinschaft Sant Egidio hoch / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Menschen halten Pappschilder hoch mit dem Wort "Frieden" in verschiedenen Sprachen beim Weltfriedenstreffen der katholischen Gemeinschaft Sant Egidio hoch / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Angesichts der Globalisierung von Kriminalität und Kriegführung sei es "höchste Zeit, unsere Strategien für Friedensprozesse zu überdenken, indem wir Sicherheit neu denken", mahnte Marie-Noelle Koyara, ehemalige Verteidigungsministerin der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) am Donnerstagabend in Osnabrück. Unter anderem forderte sie mehr Beteiligung von Frauen. Diese nähmen in Konflikten und bei deren Aufarbeitung eine besondere Rolle ein. Sie versuchten, weniger zu urteilen und mehr zu vermitteln. "Konfliktparteien sind für mich meine Kinder", sagte Koyara.

Konzept der Blauhelmsoldaten verändern

Gleichzeitig warb sie als Präsidentin des "Nationalrats Aktive Gewaltfreiheit" dafür, in Afrika traditionelle Formen der Konfliktlösung zu berücksichtigen. Zudem ließen sich Konflikte eher durch bessere Polizei- und Justizarbeit lösen als durch das Militär. So müssten die Vereinten Nationen ihr Konzept der Blauhelmsoldaten verändern, dies tauge nicht mehr. Auch sollten die UN sich Ansätze alternativer Friedenssicherung stärker zu eigen machen, so die Politikerin.

Chronik des Westfälischen Friedens

Mit dem Westfälischen Frieden zu Münster und Osnabrück endete der Dreißigjährige Krieg (1618-1648), dem rund ein Drittel der Bevölkerung Mitteleuropas zum Opfer fiel. Zum 375. Jahrestag dokumentiert die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) einige wichtige Stationen auf dem Weg zum Friedensschluss:

23. Mai 1618: Ausbruch des Kriegs mit dem Prager Fenstersturz; im Lauf der Zeit entstehen daraus vier eng verzahnte Kriege.

1630: Schweden tritt in den Krieg ein.

1633: Schwedische Truppen besetzen Osnabrück.

Osnabrücker Friedensvertrag / © Roland Juchem (KNA)
Osnabrücker Friedensvertrag / © Roland Juchem ( KNA )

Das zweitägige Symposium "Der Frieden der Zukunft" wurde organisiert von der Evangelischen Landeskirche Hannover, dem katholischen Bistum und der Universität Osnabrück sowie der Initiative "Sicherheit neu denken". Es war Teil des Rahmenprogramms zum 375. Jubiläum des Westfälischen Friedens von 1648. Bei den damaligen Verhandlungen in Osnabrück und Münster, so die Historikerin Siegrid Westphal, sei für Europa das Prinzip des Interessenausgleichs als "innovatives Friedenskonzept" entwickelt worden.

Fehler des Westens im Ukraine-Konflikt 

Der Projektkoordinator bei der Evangelischen Landeskirche Baden, Ralf Becker, zeichnete in seiner Analyse zur Entstehung des Ukraine-Kriegs Fehler des Westens nach, die Spannungen zu Moskau verschärft hätten. So hätten nach dem Ende des Kalten Krieges die USA als erste damit begonnen, Abrüstungsverträge zu kündigen. Mit der konkreten Aussicht für Kiew, der Nato beitreten zu können, sei eine von Präsident Putin 2007 formulierte rote Linie überschritten worden. "Der Ukrainekrieg ist wesentlich im Streit um deren Aufnahme in die Nato begründet", so Becker.

Das Problem des russischen Imperialismus sehe er genauso, räumte Becker auf Nachfrage aus dem Publikum ein. Aber bei dieser Tagung solle es um sonst selten genannte Aspekte gehen. Becker zitierte eine Erfahrung des früheren Chefs der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger: Wenn es gelinge, dass beide Konfliktparteien eigene Fehler zugeben, sei dies "verhandlungstechnisch die halbe Miete".

Schuld anerkennen 

Die angekündigte Ausweitung des sogenannten BRICS-Verbunds einiger Schwellenländer ist laut Becker ein klares Indiz, dass ein Großteil der Welt westliche Dominanz und Doppelmoral nicht länger hinnehme. Daher solle der Westen eigene Klima- und Kolonialschuld ebenso anerkennen wie eine Mitschuld am Ukrainekrieg. 

Der langjährige Generalvikar des Bistums Osnabrück, Theo Paul, unterstützte die vorgetragenen Ansätze: "Wir müssen in diese Richtung gehen, sonst bleiben wir dem rein militärischen Denken verhaftet." Er sei Papst Franziskus sehr dankbar, dass dieser sich nicht in diese Logik hineinziehen lasse.

Quelle:
KNA