Birgit Kruppert ist stolz auf ihre Sohn Lucas. "Er ist ein toller Kerl, er fährt Kanu, er war bei den Special Olympics und hat dort eine Silbermedaille gewonnen." Am Samstagmittag sitzen der 21-jährige und seine 55-jährige Mutter aus Trassem bei Saarburg im Festzelt vor dem Trierer Dom, essen Spätzle mit Geschnetzeltem und plaudern mit Kardinal Reinhard Marx, der sich mit seinem Teller zu ihnen gesellt hat. Ein Tisch weiter mischt sich der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, unter die Besucher, darunter zahlreiche Behindertengruppen.
"Wir hatten ein paar schöne Stunden hier. Auch dass Kardinal Marx mit uns gegessen hat, das war eine Bereicherung", sagt Kruppert. Für sie war klar, dass sie zur Eröffnung der ökumenischen "Woche für das Leben" in Trier gehen würde - zusammen mit ihrem geistig behinderten Sohn. Denn das Aktionsmotto "Kinderwunsch. Wunschkind. Unser Kind!", mit dem die beiden großen Kirchen einen kritischen Blick auf die Möglichkeiten der vorgeburtlichen Untersuchungen werfen wollen, beschäftigt die Mutter.
Lucas kommt mit schwerem Herzfehler auf die Welt
Werdende Eltern können heute mit den Mitteln der Pränataldiagnostik (PND) gezielt nach Auffälligkeiten beim ungeborenen Kind suchen lassen. Vor mehr als zwanzig Jahren wusste Kruppert während ihrer Schwangerschaft nicht, dass Lucas einen schweren Herzfehler haben würde. "Ich weiß nicht, wie ich mich entschieden hätte - keine Ahnung", sagt die Mutter. Für mit sich ringende Eltern hat sie aber eine Botschaft: "Als ich ihn bekommen habe, hat der leitende Arzt mir gesagt: Bei allen Schwierigkeiten wird dieses Kind Ihr Leben bereichern. Das war so und das würde ich gerne weitergeben."
Eltern ermutigen, Ja zum Leben zu sagen, das ist das Ziel der "Woche für das Leben", die 1991 ins Leben gerufen wurde und als ökumenische Aktion Tausende von Veranstaltungen vor allem in Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen bietet. Mit einem Gottesdienst setzen Marx, Bedford-Strohm, der Trierer Bischof Stephan Ackermann und der Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Christoph Pistorius, am Samstagmorgen den Auftakt im Trierer Dom.
Differenziertes Bild der PND
Die Bischöfe zeichnen ein differenziertes Bild der PND. Bedford-Strohm betont: "Pränataldiagnostik ist zuallererst dem Leben verpflichtet." Einige Verfahren böten Möglichkeiten zur verbesserten Vorsorge, zu therapeutischem Handeln, um den Embryo vor Schaden zu schützen. Andere Testverfahren böten hingegen lediglich darüber Auskunft, ob das Kind bestimmte genetische Merkmale oder Störungen habe.
Vor allem der sogenannte Bluttest, bei dem Gen-Schnipsel des Embryos aus dem Blut der Mutter gefiltert und auf Defekte untersucht wird, steht in der kirchlichen Kritik. Mehrere katholische Verbände kritisieren, dass der Test bald als kassenärztliche Leistung anerkannt werden soll. Ein solcher Schritt sei als Hinweis darauf zu verstehen, dass "Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft zunehmend nicht mehr erwünscht sind".
Das Ringen der Eltern
Kardinal Marx sagt, er könne die Nöte von Eltern verstehen, deren Kind nicht gesund ist. Es gebe ethische Leitlinien und Werte, die Eltern und Ärzten Orientierung geben könnten. Die Kirche sei dankbar "für alle Zeugnisse von Eltern, denen das Ja zum Leben ihres Kindes einiges abverlangt und die dennoch versuchen, mutig und zuversichtlich in die Zukunft zu gehen".
Melanie Sachtleben weiß, wie hart viele Eltern mit sich ringen. Eine Entscheidung gegen das Kind, sagt die Fachreferentin für die katholischen Schwangerschaftsberatungsstellen im Bistum Trier, falle oft aus Ängsten heraus, es nicht zu schaffen. In der Beratung könne man aber mit den vielfältigen Unterstützungsangeboten einen Weg zur Annahme des Kindes aufzeigen. "Denn die meisten suchen nach einem Weg, ja sagen zu können."
Doch das gesellschaftliche Klima wandele sich, berichtet die Expertin: "Wir stellen fest, dass die Frauen und Paare, die sich für Kinder mit einer Behinderung oder Einschränkung entscheiden, zunehmend Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sind. Dass Familie oder Freunde nicht verstehen, wenn man eine medizinische Indikation zum Abbruch bekommt, dass man sich trotzdem für ein solches Kind entscheidet."