Dies geschieht im Rahmen eines Pilotprojekts mit der Evangelischen Kirche im Rheinland. Ziel ist es, herauszufinden, wie eine systematische Aufarbeitung der Personalakten in allen Kirchenkreisen erfolgen kann. Das teilte der Kirchenkreis am Montag mit. Grundlage dafür sei ein erster Leitfaden der rheinischen Landeskirche, der im Pilotprojekt erprobt und weiterentwickelt werden soll.
Im Wuppertaler Kirchenkreis-Archiv gilt es, fast zwei Kilometer Papier zu durchsuchen, wie es hieß. Neben Kirchenbüchern, Presbyteriumsprotokollen, Briefen, Urkunden und Festschriften befinden sich auch Personalakten von Mitarbeitenden der evangelischen Kirche im Archiv. Zu ihnen gehören etwa Diakone und Diakoninnen, Gemeindepädagogen oder Kirchenmusiker. In sogenannten Nebenakten von Pfarrerinnen und Pfarrern finden sich auch Urlaubsanträge, Krankmeldungen, Schriftverkehr oder Predigten. Alle Personalakten der unmittelbaren Nachkriegsjahre bis heute sollen in den kommenden Monaten systematisch auf Hinweise sexualisierter Gewalt durchsucht werden.
Kein Rezept
"Es geht um alle Abstufungen sexualisierter Gewalt, auch um grenzverletzendes Verhalten", erklärte Superintendentin Ilka Federschmidt. Es gebe kein Rezept dafür, wonach man genau suche. Beispielsweise könne es eine Notiz sein, in der ein Jugendleiter ermahnt wurde, die Mädchen während der Gruppenstunde doch bitte nicht auf den Schoß zu nehmen. "Solchen Hinweisen müssen wir nachgehen."
Sechs externe Fachkräfte, die über Verwaltungskenntnisse oder juristische Expertise verfügen, stellt der Kirchenkreis nach eigenen Angaben dafür auf Honorarbasis ein. Sie arbeiten insgesamt 24 Stunden in der Woche im Kirchenkreisarchiv die Akten durch. Dafür stellt der Gesamtverband der evangelischen Kirchengemeinden in Wuppertal zunächst 50.000 Euro zur Verfügung. Bei der Sichtung der Akten begleitet die Archivarin Anke Westermann die Fachkräfte. Werden Hinweise auf sexualisierte Gewalt gefunden, werden die Akten zur Prüfung an die Landeskirche gegeben. Sie beauftragt unabhängige Staatsanwälte mit der vertieften Sichtung.
Katja Gillhausen, die die zuständige Stabsstelle der rheinischen Kirche leitet, verweist auf die ForuM-Studie, die Evangelische Kirche und Diakonie im Januar der Öffentlichkeit vorstellten. Daraus sei klar hervorgegangen, dass Hinweise auf sexualisierte Gewalt über Jahrzehnte häufig nicht ernst genug genommen wurden oder sich niemand wirklich zuständig für die Aufklärung fühlte.