Der Sonderzug der Deutschen Bahn zur Weltklimakonferenz ist mit kirchlichem Beistand gestartet. Unter den rund 300 Vertretern von Politik und Verbänden im "Train to Paris" war am Samstag der Berliner Erzbischof Heiner Koch, der teilweise mitfuhr. Dabei beteiligte er sich an einer Diskussion über das Thema "Wie sozial ist die Öko-Idee? Über die neue Umweltpolitik des Papstes".
Eine Gruppe radikaler Klimaaktivisten stoppte am Samstag den Sonderzug auf dem Weg nach Paris. Während eines planmäßigen Halts im Frankfurter Hauptbahnhof ließen sich drei Aktivisten mit Seilen auf das Dach des ICE herab. Polizisten und Bahn-Mitarbeiter, die auf dem Bahnsteig standen, riefen ihnen zu: "Passt auf die Leitungen auf, da ist Strom drauf!" Zwei weitere Aktivisten ketteten sich vor dem Zug an den Gleisen fest.
Ein Mitglied der Gruppe rief vom Dach des Zuges, die Teilnehmer des Klimagipfels in Paris seien "nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems". Wie lange sich die Weiterfahrt der deutschen Delegation verzögern würde, war zunächst unklar. Der deutsche Klima-Sonderzug sollte ursprünglich am frühen Samstagabend in Paris eintreffen.
Folgen des Klimawandels in Lateinamerika spürbar
Unterdessem hob Koch das ökologische Engagement des Kirchenoberhaupts hervor. Zwar engagierten sich kirchliche Gruppen seit langem für die Bewahrung der Schöpfung. Mit seinem Lehrschreiben "Laudato Si" habe Papst Franziskus das Thema jedoch für alle zur Verpflichtung gemacht. "Es ist ein Weckruf, der sich an die ganze Menschheit richtet", erklärte der Erzbischof.
Der Papst fordere nicht nur auf, dass jeder Mensch für sich zu einem ökologisch verträglichem Verhalten umkehre, sondern mahne auch zum Druck auf Politik und Gesellschaft, sagte Koch. Als Grund führte er an, dass Franziskus die Folgen des Klimawandels in seiner Heimat Lateinamerika "viel dramatischer" wahrgenommen habe als in Europa.
Dies gebe seiner Enzyklika eine besondere Eindringlichkeit. "Ich kann mich an kein päpstliches Schreiben erinnern, auf das ich so häufig angesprochen wurde", betonte der Erzbischof.
Beim 21. Weltklimagipfel will die Staatengemeinschaft will ein Abkommen gegen die Erderwärmung beschließen, das das Kyoto-Protokoll 2020 ablösen soll. Es werden neben Merkel und Frankreichs Staatspräsident François Hollande 150 Staatschefs in Paris erwartet, darunter US-Präsident Barack Obama, der russische Präsident Wladimir Putin und Chinas Staatspräsident Xi Jingping.
Kluft zwischen Arm und Reiuch wächst
Der Hauptgeschäftsführer des Bischöflichen Hilfswerks Misereor, Pirmin Spiegel, kritisierte, der vor allem von den entwickelten Ländern ausgelöste Klimawandel verschärfe die Ungleichheiten zwischen armen und reichen Regionen. Die Kirche verstehe sich als Anwalt etwa der pazifischen Inselvölker, die vom Anstieg des Meeresspiegels existenziell betroffen seien.
Die Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Karin Kortmann, warb für den "Ökumenischen Pilgerweg für Klimagerechtigkeit", dessen Schirmherrin sie ist. Das Leitwort "Geht doch!" trage einen doppelten Sinn, so die frühere Parlamentarische Staatssekretärin im Entwicklungsministerium. Das Motto beschreibe den Aufbruch der Pilger und erinnere zugleich daran, dass eine Veränderung möglich sei. Auf dem Pilgermarsch waren rund 5.000 Menschen von Flensburg nach Paris unterwegs.
Ökologische Umkehr
Der Präsident des Weltdachverbandes katholischer Hilfswerke (CIDSE), Heinz Hödl, forderte in einer Stellungnahme gegenüber "Kathpress" gemeinsame Anstrengungen auf staatlicher Ebene wie auch aller Einzelpersonen zugleich. Es komme letzten Endes "auf eine ökologische Umkehr an", die individuellen Wandel genauso wie "strukturelle Umkehr" durch Politik, Wirtschaft und Gesellschaftsleben umfasse. Hödl: "Es geht nicht um 'mehr', sondern um bessere, gerechtere und fairere Bedingungen für alle. Es geht um Gerechtigkeit."
Das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" forderte mit Blick auf ein neues Abkommen dagegen mehr "Klimagerechtigkeit" und die Möglichkeit einer nachhaltigen Entwicklung für alle Länder. Wichtig sei, dass ausreichend Geld zur Verfügung gestellt werde, damit auch den Ärmsten eine Anpassung an den Klimawandel gelingen könne, sagte Heinz Fuchs, Referatsleiter Wirtschaft und Umwelt, zum Abschluss eines Klima-Pilgerwegs nach Paris. "Niemand darf beim Klimaschutz zurückbleiben." Den "Ökumenischen Pilgerweg für Klimagerechtigkeit" sind nach Angaben von "Brot für die Welt" rund 7.000 Menschen für einen oder mehrere Tage mitgegangen. Unter dem Motto "Geht doch!" war er am 13. September in Flensburg gestartet.
Merkel zuversichtlich
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich zuversichtlich, dass der am Montag beginnende Weltklimagipfel ein Abkommen zur CO2-Reduzierung mit Überprüfungsmechanismus beschließt. Sehr viele Staaten hätten eigene Reduktionsziele bei den Kohlendioxid-Emissionen vorgeschlagen, sagte Merkel am Samstag in ihrem neuen Videopodcast. Aber diese Vorschläge führten noch nichts zum Ziel der Zwei-Grad-Begrenzung. Daher seien verbindliche Folgeprozesse erforderlich. Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter dämpfte unterdessen die Erwartungen an das Gipfeltreffen in Paris.
Ohne das Handeln der Schwellenländer sei das Ziel, die Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf unter zwei Grad zu begrenzen, nicht mehr zu erreichen, sagte Merkel in Berlin kurz vor Beginn des Gipfels. Sie begrüße es deshalb sehr, das China mit 2030 erstmals einen Reduktions-Zeitpunkt genannt habe. Damit sei ein neuer Zeitabschnitt eingeläutet. China und auch Indien schlügen beim Ausbau der erneuerbaren Energien einen "anspruchsvollen Weg" ein, mit beiden Staaten arbeite Deutschland auf diesem Gebiet zusammen.
Unter den Gästen des in Berlin gestarteten Sonderzugs war auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Unterwegs gab es Informationen und Unterhaltung zum Thema Klimaschutz. Nach Aussage der Bahn fuhr der Zug mit 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien.