DOMRADIO.DE: In diesem Herbst gibt es nicht das übliche Kirchliche Filmfestival in Recklinghausen, sondern ein "Festival spezial". Warum das?
Joachim van Eickels (Veranstalterkreis Kirche und Kino): Seit einigen Jahren haben wir coronabedingt sehr viele Veränderungen in Kauf nehmen müssen. Gerade die Filmbranche und die Kinos haben unter den Corona-Auswirkungen gelitten. Das hat auch in der Durchführung unserer kirchlichen Filmarbeit Folgen gehabt. Wir waren 2020 das erste kulturelle Event, das in Recklinghausen pausieren musste. Wir hatten mittags um 14:00 Uhr eine Pressekonferenz, um unser fertig durchgeplantes Filmfestival anzukündigen und um 22:00 Uhr den Hinweis, dass es nicht mehr stattfinden wird. Das war der Einstieg in den ersten Lockdown.
Und seitdem hatten wir jedes Mal, wenn wir das Festival wieder neu geplant haben, neue Lockdowns und mussten es in den Herbst verschieben. Wir haben dann kleinere Varianten probiert und im letzten Jahr ein großes Festival gemacht. Wir haben dabei aber auch festgestellt, dass die Menschen, die wir eigentlich mit unserem Festival erreichen wollen, von der Corona-Situation sehr gebeutelt wurden und viele noch nicht in der Lage sind oder sich nicht trauen, wieder ins Kino zu gehen.
Von daher waren wir selber jetzt nach zweieinhalb Jahren sehr verunsichert und haben gedacht: Damit wir nicht in Vergessenheit geraten, machen wir für diesen Herbst ein Festival. Wir wollen uns mit der alten Qualität, aber nicht mit der großen Quantität wie sonst einblenden.
Wir haben ein ganz tolles Programm gefunden und glauben, dass wir damit die Zuschauer wieder neu erreichen und so eine neue Tradition einleiten können – in der Hoffnung, dass Corona irgendwann in Vergessenheit gerät und wir wieder Normalität haben.
DOMRADIO.DE: Auf dem Festival erhält Volker Schlöndorff einen Ehrenpreis für sein Lebenswerk. Wie fiel die Entscheidung auf ihn?
van Eickels: Wir haben immer die gesamte Szene im Blick. Wir sind vor allen Dingen auch darauf ausgerichtet, wo für unser Publikum wichtige und förderliche neue Filme herkommen. Und so sind wir auf den neuen Film "Der Waldmacher" von Volker Schlöndorff gestoßen, der eine ganz besondere Form der Auseinandersetzung mit den wesentlichen Problemen unserer Gegenwart hat, nämlich mit den ökologischen Folgen des Klimawandels, und der – ich greife vor – einen unglaublich interessanten Wissenschaftler vorstellt, den aus Australien stammenden Agrarwissenschaftler Tony Rinaudo.
Dieser hat in Afrika versucht, die Versteppung von ehemals grünen Landstrichen aufzuhalten und zu renaturieren. Das ist mit der Anpflanzung neuer Bäume und Pflanzen nicht gelungen – die sind alle durch die veränderte Klimawirklichkeit verdorrt. Dann ist er darauf gestoßen, dass unterhalb der wüsten Oberfläche ein riesiges, verzweigtes und vernetztes Wurzelwerk ist. Und er hat es geschafft, aus diesen Wurzeln heraus neue Bäume wachsen zu lassen.
Rinaudo hat also im wahrsten Sinne des Wortes ehemals verwüstete Landflächen wieder begrünt und gibt damit den Menschen, die dort leben, eine neue Zukunft gegeben. Das hat Volker Schlöndorff zum Anlass genommen, mit über 80 Jahren seinen ersten Dokumentarfilm zu drehen. Und das ist ein wichtiger Film.
Wir stehen ja nicht nur für ästhetische Werte mit unserem kirchlichen Filmfestival, sondern wir möchten gerade die wesentlichen Themen, die die Humanität betreffen, die das Zusammenleben, die Ethik betreffen, aufgreifen, und da passte bei Volker Schlöndorff alles.
Das liegt auch daran, dass wir als Filmfans sein großes Gesamtwerk im Blick haben – diese unfassbar vielen Literaturverfilmungen, die Zusammenarbeit mit den größten Weltstars an Schauspielern. Er ist ja auch dreisprachig, hat in Frankreich gedreht, in den USA, mit Dustin Hoffman, Sam Shepard, um nur ein paar zu nennen.
Die Verfilmung von Arthur Miller und Günter Grass... Er ist Oscar-Preisträger. Von daher war es für uns eigentlich gar keine Frage. Es war klar, dass wir ihm gerne den Preis für sein Lebenswerk geben.
DOMRADIO.DE: Kann man denn davon ausgehen, dass es 2023 wieder eine normale Ausgabe des Kirchlichen Filmfestivals geben wird?
van Eickels: Das ist unser Plan. Deshalb haben wir es jetzt ein bisschen kleiner gefasst, damit wir noch Energie übrig haben. Wir fangen dann im Oktober mit den Planungen für März 2023 an. Dann wird es wieder ein fünftägiges Festival mit insgesamt 15 Filmen geben und dann werden wir uns wieder in gewohnter Manier treffen. Das hoffen wir.
Und wir hoffen natürlich, dass dann auch das Publikum wieder dabei sein möchte und sich vor dem Kino drängelt, wie das bis Corona der Fall gewesen ist. Wir hatten tolle, aufstrebende Zahlen; da möchten wir wieder hinkommen. Wir möchten, dass das Kino lebt, denn der beste Ort für Kinofilme ist die riesige Leinwand. Man kann Kinofilme nicht am Rechner genießen.
Das Interview führte Oliver Kelch.