Hilfsorganisationen erhöhen den Druck auf die EU, endlich zu einem Verteilmechanismus für Bootsflüchtlinge im Mittelmeer zu kommen. Die Seenotretter von Sea-Watch unterstützen eine Klage von 17 Überlebenden und vier Menschenrechtsorganisationen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen Italien.
Seenotrettung wieder aufnehmen
Die westfälische Kirche forderte die EU auf, die Seenotrettung wieder aufzunehmen. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) erklärte, sie strebe ein breites Bündnis für ein weiteres Rettungsschiff an.
Das Verfahren werde Maßstäbe setzen und "ein juristischer Meilenstein" sein, sagte Sophie Scheytt von Sea-Watch dem Evangelischen Pressedienst. Ziel sei es, "die Abschottungspolitik Europas zu hinterfragen und zu Fall zu bringen". Der Europäische Gerichtshof muss zunächst über die Zulässigkeit des Antrags entscheiden.
Die Klage bezieht sich auf das Unglück eines Flüchtlingsbootes vor der libyschen Küste am 6. November 2017, bei dem 20 Menschen ums Leben kamen. 59 wurden von Sea-Watch gerettet, 47 von einem libyschen Boot zurück nach Libyen gebracht. Sea-Watch wirft Italien vor, den Einsatz der libyschen Kräfte maßgeblich unterstützt und koordiniert zu haben.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR forderte die EU auf, ihre politischen Beziehungen zur libyschen Regierung zu nutzen, um eine deutlich bessere Situation für die Menschen in den Lagern zu erreichen. Ziel müsse eine Freilassung aller dort sein, sagte der UNHCR-Repräsentant in Deutschland, Dominik Bartsch, der "Welt" (Dienstag). "Die Evakuierung der Flüchtlinge außer Landes ist eine lebensrettende Notlösung."
EKD für Verteilungsmechanismus in der EU
Für einen Verteilungsmechanismus innerhalb der EU sprach sich auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, aus, "damit man nicht bei jedem Boot neu nach einem Hafen suchen muss", wie er in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Dienstag) bekräftigte. Die aus Seenot geretteten Flüchtlinge sollten in Europa "ganz normale Asylverfahren" durchlaufen.
Ein eigenes Rettungsschiff der evangelischen Kirche, wie das eine Resolution des evangelischen Kirchentags in Dortmund verlangt hatte, sieht Bedford-Strohm nicht. "Es wäre nicht sinnvoll, als EKD ein eigenes Schiff zu kaufen", sagte der Ratsvorsitzende. Die Kirche sei "weder eine Reederei noch eine Rettungs-NGO". Die Kirche strebe stattdessen ein "breites gesellschaftliches Bündnis an", das gemeinsam ein Schiff anschaffen soll. Finanziert werden könnte das Projekt über Spenden. Derzeit werde dafür ein Konzept erarbeitet. Im September soll eine Entscheidung fallen. "Man muss retten, wenn Menschen in Lebensgefahr sind", betonte Bedford-Strohm.
Neue EU-Rettungsmission im Mittelmeer gefordert
Die Evangelische Kirche von Westfalen forderte eine neue EU-Rettungsmission im Mittelmeer. "Seenotrettung ist eine staatliche Aufgabe", sagte der Theologische Vizepräsident der viertgrößten deutschen Landeskirche, Ulf Schlüter, am Montagabend in Hamm. Daher müsse die Europäische Union die im März eingestellte Rettung von Flüchtlingen auf See wieder in Gang bringen.
Die westfälische Präses Annette Kurschus sagte, Seenotrettung sei nicht nur ein Akt der Nächstenliebe, sondern eine Menschen- und Bürgerpflicht. "Man lässt keinen ertrinken, der in Not ist", betonte die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).