Für die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey ist es ein "klares Signal gegen Kinderarmut". Zusammen mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) brachte sie deshalb ein Gesetz mit dem plakativen Titel "Starke-Familien-Gesetz" auf den Weg. Inzwischen haben es Bundestag und Bundesrat verabschiedet. Am 1. Juli treten die neuen Regelungen in Kraft.
Zuschlag von 185 Euro
Offiziell umfasst der Titel mehr als 20 Wörter: "Gesetz zur zielgenauen Stärkung von Familien und ihren Kindern durch die Neugestaltung des Kinderzuschlags und die Verbesserung der Leistungen für Bildung und Teilhabe". Mit dem Gesetz soll der Kinderzuschlag, den schon jetzt Familien mit kleinem Einkommen beantragen können, deutlich ausgeweitet werden soll. Konkret soll der Kinderzuschlag von 170 auf 185 Euro pro Monat erhöht werden.
Zudem sollen Einkommen wie Unterhaltsvorschussleistungen oder Kindesunterhalt künftig nicht mehr zu 100 Prozent auf den Kinderzuschlag angerechnet werden. Zum 1. Januar 2020 wird auch die obere Einkommensgrenze abgeschafft. Wenn Eltern etwas mehr verdienen, werde sich künftig der Kinderzuschlag nach und nach verringern und nicht mehr abrupt wegfallen, wie es bislang der Fall ist.
Auch soll die Antragstellung vereinfacht werden. Familien- und Sozialministerium gehen davon aus, dass dann 1,2 Millionen Kinder mehr anspruchsberechtigt sind. Derzeit seien es rund 800.000 Mädchen und Jungen. Beantragt ist es nach Angaben der Ministerien derzeit für 250.000 Kinder. Weiter sieht das Gesetz Verbesserungen beim Bildungs- und Teilhabepaket vor. Das Schulstarterpaket steigt von 100 auf 150 Euro. So sollen Kinder aus einkommensschwachen Familien ein kostenloses Mittagessen in Kitas und Schulen erhalten. Zudem soll es Möglichkeiten für eine kostenlose Schülerbeförderung geben.
Lob und Kritik von Verbänden
Für die SPD sind die Reformen auch ein Schritt zur Kindergrundsicherung, diese Maßnahme hat die Partei in ihrem neuen Sozialkonzept fest verankert. Um diese Grundsicherung durchzusetzen, brauche es einen langen Atem, so Giffey. Sie wolle aber nicht warten, sondern zügig Verbesserungen für Geringverdiener erreichen, betonte die Politikerin, die vorher Bezirksbürgermeisterin in Berlin-Neukölln war, mehrfach. Der Opposition gehen die Reformen erwartungsgemäß nicht weit genug.
Die Grünen-Parteivorsitzende Annalena Baerbock hatte etwa erklärt, allen Kindern müssten Lebenschancen eröffnet werden, anstatt nur das Existenzminimum zu sichern. Dieses Ziel könne das Gesetz nicht erreichen. Den familienpolitischen Sprecher der Linken, Norbert Müller, ärgern vor allem die Änderungen beim Bildungs- und Teilhabepaket. Die Erhöhungen reichten bei weitem nicht aus, meint er.
Bei den Verbänden gab es Lob und Kritik. Der Sozialverband VdK Deutschland sprach von einem ersten Schritt, dem jedoch weiter folgen müssten. Das Deutsche Kinderhilfswerk forderte eine "Gesamtstrategie" zur Bekämpfung von Kinderarmut. Auch das Zukunftsforum Familie plädierte für "mehr Mut für grundsätzlichere Reformen". Langfristig sei es notwendig, eine Kindergrundsicherung einzuführen.
Alleinerziehende könnten profitieren
Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter begrüßte, dass erstmals auch Alleinerziehende den Kinderzuschlag erhielten, die Unterhalt für ihre Kinder bekämen oder Unterhaltsvorschuss bezögen. Von der Verbesserung könnten nun auch Alleinerziehende mit älteren Kindern profitieren.
Caritasverband und der Familienbund der Katholiken bedauerten, dass das Gesetz keine große Reform geworden sei. Das Gesetz führe aber zu einer spürbaren Verbesserung für viele einkommensschwache Familien.
Welche Kosten schlagen für den Gesetzentwurf zu Buche? Für die Reform des Kinderzuschlags stehen eine Milliarde Euro bis Ende 2021 zur Verfügung, für Änderungen beim Bildungs- und Teilhabepaket rund 220 Millionen Euro pro Jahr.
Von Birgit Wilke