Klima-Allianz fordert schnelles Abschalten der "dreckigen" Kraftwerke

"Der erste Schritt ist der Kohleausstieg"

Tausende Klimadiplomaten, aber auch Beobachter von Nichtregierungsorganisationen sind bis Freitag in Bonn bei der Weltklimakonferenz. Christiane Averbeck von der Klima-Allianz berichtet im Interview, wie sich das Bündnis eingebracht hat.

Weltklimakonferenz in Bonn (DR)
Weltklimakonferenz in Bonn / ( DR )

domradio.de: Die Weltklimakonferenz "COP23" geht zu Ende. Was nehmen Sie als Klima-Allianz aus den zweiwöchigen Verhandlungen in Bonn mit?

Dr. Christiane Averbeck (Geschäftsführerin Klima-Allianz Deutschland): Es war für uns als zivilgesellschaftliche Akteure wichtig, nicht nur die Konferenz zu beobachten, sondern auch den Rahmen der Konferenz mitzugestalten. Wir haben bei der Organisation der Demonstration mitgeholfen. Wir waren total begeistert, dass 25.000 Menschen hier in Bonn zusammengekommen sind und für den Kohleausstieg demonstriert haben. Wir haben auf jeden Fall ganz viel Rückenwind in Deutschland und auch international erhalten. Das war fantastisch.

Das hat natürlich auch Einfluss auf die Verhandler hier vor Ort gehabt. Sie wissen, dass die deutsche Zivilgesellschaft, aber auch die internationalen Akteure ihre Bemühungen hier während der COP (Conference of the Parties) unterstützen und es ambitionierte Klimaverhandlungen werden. Es war uns auch wichtig im Rahmen der COP ein "Peoples climate summit", also einen alternativen Klimagipfel zu organisieren. Das bietet Menschen, die nicht an den offiziellen Sitzungen teilnehmen können, die Möglichkeit, Klimaschutz auf den unterschiedlichsten Ebenen zu diskutieren. Wichtige Themen waren zum Beispiel, wie ein sozialgerechter Ausstieg aus der Kohle organisiert werden kann. Das waren wichtige Themen, auch außerhalb der Klimaverhandlungen.

domradio.de: Als offizielle Beobachter haben Sie Einblick in den Verhandlungsprozess. Wie weit ist der Entwurf, der die Umsetzung des Pariser Abkommen beinhaltet?

Averbeck: Das kann ich nicht im Detail beurteilen und ich möchte auch nicht zu früh Schlüsse ziehen. Es scheint so zu sein, dass man einige Kompromisse gefunden hat und dass es einige Dinge gibt, die schon vorangetrieben worden sind. Aber trotzdem wird man sehen müssen, wie die Ankündigung, ambitioniertere Ziele zu vereinbaren im nächsten Jahr Früchte trägt.

domradio.de: Im nächsten Jahr soll in Polen das Regelwerk für die Umsetzung des Pariser Abkommens "festgezurrt" werden. Wozu rufen Sie als Klima-Allianz auf? Was muss bis dahin noch passieren?

Averbeck: Hier in Deutschland würde ich mich freuen, wenn wir uns mit unseren Partnerorganisationen, insbesondere mit den kirchlichen Akteuren, engagiert einbringen. Wir waren mit unseren Mitgliedern dabei, um die Verhandlungen zu beobachten. Wir haben sehr viele verschiedene Mitgliedsorganisationen, wie zum Beispiel Germanwatch, Oxfam, Misereor und Brot für die Welt. Das war ein ganz breites Spektrum von Organisationen, das hier mit dabei war.

Ein Treffen auf katholischer Seite mit dem Nuntius Erzbischof Eterović und mit den Vertretern aus dem Vatikan hat mich sehr motiviert. Dort haben katholische Gruppen vorgestellt, wie sie sich auf die COP in Polen vorbereiten. Kohle ist in Polen ein wichtiges Thema. Wir freuen uns sehr, dass wir mit den katholischen und evangelischen Akteuren diese COP gut vorbereiten, damit wir auch die Kollegen in Polen, die ja noch viel stärker als Deutschland von der Kohleverstromung abhängig sind, einen Schritt Richtung Kohleausstieg hinbekommen und eine ambitionierte COP in Polen auf den Weg bringen.

domradio.de: Die Klima-Allianz steht für klare politische Forderungen. Welche sind das? Was muss getan werden, um die Erderwärmung auf maximal 2 oder besser 1,5 Grad zu begrenzen?

Averbeck: Der erste Schritt ist der Kohleausstieg. Es ist ganz klar, dass Deutschland im Moment seine Klimaziele 2020 verfehlen wird. Deutschland muss aus der Kohle aussteigen. Das Ziel, die Emissionen auf 40 Prozent zu reduzieren, ist nur zu erreichen, wenn wir die schmutzigsten, dreckigsten und ältesten Kraftwerke jetzt so schnell wie möglich vom Netz nehmen. Das ist eine der gemeinsamen Forderungen aller Mitgliedsorganisationen der Klima-Allianz.

Weiter ist es wichtig, die Verkehrswende auf den Weg zu bringen. Das heißt, wir müssen hin in Richtung E-Mobilität und raus aus dem Verbrennungsmotor. Was auch ein dickes Brett werden wird, ist die Wende in der Landwirtschaft. Dazu kommt, dass wir unseren Konsum an Fleisch reduzieren müssen. Wir Deutschen müssen zwei Drittel weniger Fleisch essen bis 2050. Das sind ganz dicke Bretter, die wir gemeinsam bohren müssen. Das sind Dinge, die wir nicht nur von unserer Regierung erwarten, sondern die wir auch ganz persönlich angehen müssen.

domradio.de: Die Sondierungsgespräche in Berlin laufen gerade. Welche Forderungen haben Sie beim Thema Klimaschutz an die Bundespolitik?

Averbeck: Wir erwarten, dass sie den Kohleausstieg jetzt einleiten. Es muss ganz klar von Jamaika ausgehen, dass ein Fahrplan für den Kohleausstieg entwickelt wird. Auch die "2020-Ziele" müssen erreicht werden. Das sind Ziele, die vereinbart sind und die auch CDU und FDP mitgetragen haben. Vielleicht wird das teilweise vergessen, aber das muss eingehalten werden und darauf drängen wir.

domradio.de: Im nächsten Jahr findet die Weltklimakonferenz in Polen statt. Sie haben in den Reihen Ihrer Mitgliedsorganisationen viele christliche Initiativen. Kommt auf die in einem so katholischen Land wie Polen eine besondere Rolle zu?

Averbeck: Ja, Polen ist ein sehr katholisches Land und wir erhoffen uns natürlich starke Unterstützung und Rückenwind, nicht nur aus dem Vatikan, sondern auch von unseren Mitgliedern der Klima-Allianz, die sich beteiligen, vielleicht an der Pilgerfahrt nach Katowize oder auch über alle möglichen anderen Aktionen, die in Polen dazu führen sollen, ein stärkeres Verständnis für Klimabelange zu bekommen.

Das Interview führte Jann-Jakob Loos.


Dr. Christiane Averbeck, Geschäftsführerin der Klima-Allianz (DR)
Dr. Christiane Averbeck, Geschäftsführerin der Klima-Allianz / ( DR )
Quelle:
DR