Für den Soziologen und Verkehrsexperten Andreas Knie drängt die Zeit: "Noch haben wir die Möglichkeit, in Freiheit Maßnahmen zu ergreifen. In 20 Jahren ist der Handlungsdruck durch den Klimawandel so groß, dagegen werden die Einschränkungen während der Corona-Pandemie rückblickend nur ein laues Lüftchen gewesen sein!" Eindringlich warnte der Professor der TU Berlin an diesem Dienstag vor Untätigkeit. Knie war Gastredner beim ersten Klima-Forum für Wohlfahrt und Kirche, das das Erzbistum Köln und der Diözesan-Caritasverband organisiert hatten.
Das Treffen stand unter dem Motto "sozial-ökologisch mobil", es ging um die Frage, wie sich Klimaschutz und Mobilität sozialverträglich miteinander verbinden lassen. Knie ist überzeugt, im Verkehrssektor müsse etwas passieren. Der Verkehr sei aktuell für rund 30 Prozent der Emissionen in Deutschland verantwortlich. Während in anderen Bereichen eingespart wurde, gab es im Verkehrssektor bisher kaum eine Verbesserung. "Wir bekommen unser CO2-Problem nicht in den Griff, weil wir immer noch Gesetze haben, die das Auto und die fossile Beweglichkeit fördern, wir müssen das ändern!", lautet seine Forderung. Von der Politik erwartet er allerdings derzeit nicht viel, die Grünen könnten sich innerhalb der Regierungskoalition nicht durchsetzen, so Knie, deshalb seien die Kirche gefragt: "Den Kirchen hört man noch zu, sie können Vorbild sein, sie haben die Bewahrung der Schöpfung im Programm!"
Kein "linkes grünes Ökospinnerthema"
Rund 120 Haupt- und Ehrenamtler aus dem ganzen Bistum hatten sich an diesem Dienstag getroffen, um die Rolle von Kirche und Wohlfahrtsverbänden beim Klimaschutz zu diskutieren. "Wir wollen gemeinsam praxisnahe Lösungen erarbeiten, wie wir Mobilität emissionsärmer gestalten können", so Vera Bünnagel, Klimaschutzbeauftragte des Diözesan-Caritasverbandes für das Erzbistum Köln. "Und wir wollen den Menschen Motivation und Ideen für ihren Alltag mitgeben, die sie schon morgen angehen können!"
Auch Eckart von Hirschhausen hält die Rolle der Kirchen beim Klimaschutz für enorm wichtig: "Das ist kein linkes grünes Ökospinnerthema. Der Klimawandel betrifft uns alle und Kirche muss Lobby der künftigen Generationen sein!" Der Arzt und Wissenschaftsjournalist war mit seiner Stiftung "Gesunde Erde – Gesunde Menschen" Kooperationspartner des Klima-Forums, er ist überzeugt: Kirchen sind nach wie vor eine mächtige Institution und einer der größten Arbeitgeber in Deutschland. Weil sie nicht auf politische Mehrheiten und Wählerstimmen ausgerichtet seien, könnten sie Dinge längerfristig durchsetzen. "Christen haben eine Idee von Hoffnung und von einem Generationenvertrag, der besagt, dass wir das, was wir hier vorgefunden haben, schützen und Gutes weitergeben", so Hirschhausen. "Ich fordere daher schon lange eine 'Übernächstenliebe', also das Mitgefühl mit zukünftigen Generationen!"
Solarzellen auf Kirchendächern?
Dabei ist Kirche in Sachen Klimaschutz bestenfalls auf einem guten Weg: Christian Weingarten, Umweltbeauftragter des Erzbistums Köln und Mitorganisator des Klima-Forums ging mit der eigenen Institution hart ins Gericht: "Da hat Kirche jahrzehntelang gepennt!", lautet sein Urteil. Auf den Dächern der Kirchen und kirchlichen Einrichtungen wäre viel Platz für Solarzellen – doch jahrelang war Denkmalschutz wichtiger als Klimaschutz. Kirche als Besitzerin vieler Immobilien trage Verantwortung für nachhaltige Instandsetzung und in den Bistumsspitzen beobachtet Weingarten immer noch zu viele Dienstwagen und Spritfresser. Immerhin: 2019 wurde das Thema Schöpfungsverantwortung im Erzbistum Köln weit oben auf die Agenda gesetzt. Neuerdings gibt es dort einen eigenen Fachbereich für die energetische Sanierung des Gebäudebestands. Und erst im Juli hatten über 80 Entscheidungsträger aus der katholischen Kirche in einem dringlichen Appell die Politik dazu aufgefordert, mehr Klimaschutz zu betreiben.
Klar wurde bei dem Klima-Forum für Wohlfahrt und Kirche: Jeder ist bei dem Thema gefragt. "Allerdings ist es schwer, die Welt ehrenamtlich zu retten, wenn andere sie hauptberuflich zerstören", gibt Eckart von Hirschhausen zu bedenken. Er fordert daher: "Das Wichtigste was ein Einzelner heute tun kann ist, kein Einzelner zu bleiben. Wir müssen Netzwerke bilden und zusammenarbeiten. Genau das passiert heute hier!"